Artur Brauner wird 100

Die lebende Legende des deutschen Films

ARCHIV - 07.03.2016, Berlin: Der Filmproduzent Artur Brauner sitzt im Jüdischen Museum, dem er aus seinem umfangreichen Werk eine Filmsammlung aus 21 Filmen zu den Themen Holocaust und Nationalsozialismus gespendet hat. Brauner feiert am 1. August seinen 100. Geburtstag.
Der Filmproduzent Artur Brauner © dpa / Bernd Von Jutrczenka
Von Hartmut Goege |
Artur Brauner ist eine Ausnahmeerscheinung im deutschen Filmgeschäft und eine der prägendsten Figuren des westdeutschen Nachkriegskinos. Jetzt feiert er seinen 100. Geburtstag.
Artur Brauners Karriere als Filmproduzent begann mit einem Fiasko: Die Vorführungen seines 1948 uraufgeführten Films „Morituri“ über die Erlebnisse entflohener KZ-Häftlinge gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden begleitet von Proteststürmen. Schimpfende Zuschauer verlangten ihr Geld zurück. Viele Kinobesitzer lehnten es daraufhin ab, den Film ins Programm zu nehmen.
Für Artur Brauner, der nach dem Krieg von den Alliierten in West-Berlin eine der ersten Filmlizenzen erhalten hatte, war das nicht nur ein finanzielles Desaster: „Es war eine Probe für mich. Eine Probe für mein ganzes Leben, zu sehen, wie standhaft ich bin, wenn es Schwierigkeiten gibt.“

Das Kinopublikum wollte mehr Unterhaltung

Die offene, teils antisemitische Ablehnung von „Morituri“ traf Brauner persönlich: Das Drehbuch war nach seiner Idee entstanden, und Regisseur Eugen York hatte Brauners eigene Fluchterlebnisse in die Handlung eingebaut. Auch war ein Großteil seiner Verwandtschaft von den Nationalsozialisten ermordet worden.

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Dabei sollte „Morituri“ mit dem Untertitel „Ein Film spricht zur Welt“ eigentlich ein Appell zur Aussöhnung und Völkerverständigung sein. Der damals 28-jährige Produzent musste erkennen, dass das Kinopublikum mehr an Unterhaltung als an Vergangenheitsbewältigung interessiert war:
„Von da ab ging es aufwärts und habe in der Zwischenzeit Blut geleckt, dass man in Berlin, gerade in Berlin, eine derartige große Aufbauarbeit tätigen kann.“

Dem Fiasko folgten Publikumshits

Trotz Berliner Blockade und Rohfilmknappheit produzierte er bald Kassenerfolge wie „Man spielt nicht mit der Liebe“ oder die Milieustudie „Mädchen hinter Gittern“ nach einem wahren Kriminalfall. Es war der Beginn einer beispiellosen Erfolgsstory im westdeutschen Nachkriegskino, die Geschichte eines schon als Kind Filmbesessenen:
„Die Kinos waren überhaupt das Elixier meines Lebens. Ich ging jede Woche achtmal ins Kino. Sonntags zweimal und dann jeden Tag ins Kino. Ich kannte alle Filme dieser Welt. Alle neuen Schauspieler. Alles, was auf dem Weltmarkt war, war in meiner Seele drin.“

Erfolgreichste Produktion Europas

Artur Brauner wurde am 1. August 1918 im polnischen Łódž als Sohn eines jüdischen Holzgroßhändlers geboren, machte sein Abitur und begann ein Ingenieurstudium, bis Hitler-Deutschland Polen überfiel. Um der Ghettoisierung der polnischen Juden zu entgehen, flüchtete er mit seiner Familie in die Sowjetunion. Während seine Eltern nach dem Krieg nach Israel auswanderten, ließ sich Brauner mit seiner Lebensgefährtin Maria in Berlin nieder.

Außerdem sprachen wir mit Claudia Dillmann über Artur Brauner: Der Filmproduzent habe stets eine feine Antenne für antisemitische Strömungen in Deutschland gehabt, sagt die Filmhistorikerin. Gleichwohl habe er Berlin – und Deutschland – immer die Treue gehalten.

Hier das Gespräch in voller Länge:

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1949 kaufte er das Areal einer ehemaligen Giftgasfabrik in Spandau, um dort eigene Filmstudios zu errichten. Innerhalb von zehn Jahren machte Brauner sein Unternehmen, die Central Cinema Company, kurz CCC, zur erfolgreichsten unabhängigen Filmproduktion Europas.

250 Filme in 70 Jahren

Brauner war geschäftstüchtig und hatte einen Riecher für die Themen der Zeit. Mal holte er renommierte Kamera-Altmeister wie Fritz Arno Wagner, der schon Murnaus „Nosferatu“ gedreht hatte, mal engagierte er unverbrauchte Schauspielgesichter wie Romy Schneider oder setzte auf die Zugkraft von Altstars wie Heinz Rühmann.
Heinz Rühmann spricht mit Schulkindern
Eine Szene aus „Es geschah am hellichten Tag“ mit Heinz Rühmann, laut Brauner einer der besten Filme des beliebten Volks-Schauspielers.© imago/United Archives
„Und so hat Rühmann bei mir doch seine drei besten Filme gemacht, abgesehen vom ‚Köpenick‘: ‚Es geschah am hellichten Tag‘, ‚Menschen im Hotel‘ und ‚Der brave Soldat Schwejk‘.“

Große Erfolge mit internationalen Co-Produktionen

Brauner war auch der erste, der internationale Co-Produktionen einging. Während die meisten westdeutschen Produzenten auf Heimatfilme setzten, engagierte er zunehmend Regisseure, die vor den Nationalsozialisten geflohen waren, wie Fritz Lang oder Robert Siodmak.
Der Regisseur, Schriftsteller und Filmproduzent Fritz Lang (1890-1976) auf einem undatiertem Foto.
Ihn holte Brauner zurück nach Deutschland: Fritz Lang.© dpa / picture alliance
Er versprach sich davon größere Exportchancen seiner Filme. Daraus entstanden ambitionierte Verfilmungen wie „Die Ratten“ nach Gerhart Hauptmann, Abenteuer-Remakes wie „Das indische Grabmal“ und Fritz Langs letzte Regiearbeit „Die Tausend Augen des Dr. Mabuse“.
„Ich kann die Dunkelheit nicht ganz durchdringen, aber eines sehe ich: Sie haben ein Leben gerettet. Und gerade von diesem Leben droht Ihnen Gefahr.“
In fast 70 Jahren verantwortete Brauner über 250 Filme. Immer wieder setzte er seinen Gewinn aus dem Unterhaltungskino für Filmprojekte ein, die sich mit NS-Verbrechen und Holocaust beschäftigen wie den Oscar-nominierten „Hitlerjunge Salomon“, „Die weiße Rose“ oder „Der letzte Zug“. Vor wenigen Monaten noch erhielt Artur Brauner für sein Lebenswerk den Marler Medienpreis für Menschenrechte.
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