Feministischer Pop für eine globalisierte Welt
Ibeyi nennt sich das Duo der französischen Zwillingsschwestern Lias-Kaindé und Naomi Díaz. 2015 veröffentlichten sie ihr Debüt. Nun brachten sie mit "Ash" ihr zweites Album heraus. Inspiriert wurden sie dabei vom politischen Weltgeschehen.
Ist das nun Weltmusik? Electro? Oder doch eine ausgefallene Form von RnB? Diese Fragen stellten sich viele, als 2015 das Debüt von Ibeyi erschien - zweier 19-jähriger Schwestern mit Franko-kubanischem Hintergrund, die in ihren Songs die Rhythmen ihrer Vorfahren, der Yoruba, mit modernem Pop verbanden.
Während Lisa-Kaindé und Naomi Díaz auf ihrem Erstling noch den Tod ihres Vaters Angá Díaz, ehemaliges Mitglied des legendären "Buena Vista Social Club", verarbeiteten, wurden sie auf ihrem zweiten Album vom politischen Weltgeschehen inspiriert.
"Wir haben das Gefühl, dass die Welt in Flammen steht und wir alle wie Asche sind - daher auch der Albumtitel 'Ash'. Das Titelstück entstand während der US-Präsidentschaftswahl, in einer Zeit, in der die politische Stimmung extrem überhitzt und geradezu elektrisch aufgeladen war. Es war das erste Stück, das wir für das Album schrieben, und es öffnete die Tür für alle weiteren Songs."
Etwa zur gleichen Zeit als Donald Trump in den USA zum Präsidenten gewählt wurde und in Frankreich die "Front National" rund um Rechtspopulistin Marine LePen erstarkte, bastelten Lisa und Naomi zwischen Paris und Havanna an neuer Musik. "Urbaner", "elektronischer" sollten die neuen Tracks klingen, gleichzeitig den Blick verstärkt von der Innen- auf die Außenwelt lenken.
"Das Thema dieses Albums ist die Überlieferung. Wir sind in einer Familie aufgewachsen, die zur Hälfte weiß, zur Hälfte schwarz ist und das vollkommen in Ordnung findet. Schon als Kinder hatten wir Zugang zu ganz unterschiedlichen Kulturen: Yoruba, französisch, europäisch. Das hat uns geprägt, und diesen toleranten Blick auf die Welt wollten wir mit unserem Album weitergeben."
Ash als politisch relevantes Album
"Deathless", eine Art Protest-Song, wurde von einem rassistischen Übergriff inspiriert, den Lisa-Kaindé als Jugendliche in der Pariser Metro erlebte: Mit 16 wurde sie versehentlich und angeblich nur aufgrund ihrer Hautfarbe von einem Polizisten verhaftet. "No Man Is Big Enough For My Arms" wiederum ist ein feministisches Manifest, in dem ein Zitat der ehemaligen "First Lady" Michelle Obama auftaucht: Jede Gesellschaft werde daran gemessen, wie sie ihre Frauen und Mädchen behandle. Naomi Díaz erinnert sich.
"Michelle Obamas Zitat entstand als Reaktion auf Donald Trumps Behauptung, man solle Frauen an ihrer 'Pussy', ihrer Vagina, packen. Das Stück soll Frauen Mut machen, für sich einzustehen, ambitioniert zu sein, sich selbst zu genügen. Es ist ein Song, geschrieben von Frauen für Frauen."
Allein ein Blick auf die Liste der Gastmusiker und -Musikerinnen beweist: Ibeyi genießen innerhalb der internationalen Szene hohe Anerkennung. Saxophonist Kamasi Washington, Bassistin Meshell Ndgeoncello oder Klavierwunder Chilly Gonzales sind auf "Ash" mit von der Partie, im einzigen Spanisch-sprachigen Stück "Me Voy" singt die andalusische Rapperin La Mala Rodriguez mit.
Das Star-Aufgebot sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Lisa-Kaindé und Naomi Díaz längst ihre eigene Stimme gefunden haben. Auch wenn manche Stücke etwas überambitioniert daherkommen und die Mischung aus mehrstimmigen Gesängen, dezenten Beats und kubanischen Perkussionsinstrumenten wie Cajón und Batá auf Dauer an Originalität einbüßt, so ist "Ash" doch ein wichtiges, politisch relevantes Album. Und Ibeyi ein Duo, dass mühelos zwischen unterschiedlichen Kulturen und Genres hin- und herspringt. In globalisierten Zeiten eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
"Alle sagen, unser neues Album sei so politisch. Aber im Grunde sprechen wir ja nur über wichtige, alltägliche Themen. Es ist lustig, aber auch traurig, dass dies als 'besonders politisch' wahrgenommen wird. Und es zeigt, wieviel auf der Welt noch zu tun ist."