Von der Biennale in die Todeszelle
2013 gestaltete er noch den saudischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Jetzt sitzt er in Saudi-Arabien in der Todeszelle: Der Dichter Ashraf Fayadh soll enthauptet werden, weil er angeblich vom Glauben abgefallen ist.
Ashraf Fayadh: "Wir müssen miteinander kommunizieren. Wir müssen miteinander leben. Wir sollten die Vergangenheit vergessen und ein neues Leben aufbauen."
... so seine Botschaft.
"Und Spaß haben", witzelt sein Freund aus dem Off.
"Und Spaß haben", wiederholt Ashraf Fayadh lachend und wünscht dem Zuschauer freundlich eine gute Zeit.
Er selbst hat es nie einfach gehabt. Fayadh ist in Saudi-Arabien aufgewachsen. Doch als Sohn palästinensischer Flüchtlinge blieb er ein Mensch zweiter Klasse. Die Staatsangehörigkeit, viele Bürgerrechte wurden ihm verweigert. Doch er fand trotzdem seine Rolle in der saudi-arabischen Gesellschaft: Er kuratierte zahlreiche vielbeachtete Ausstellungen, gestaltete 2013 sogar den saudischen Pavillon auf der Biennale in Venedig. Seit dem 17. November sitzt der Dichter in der Todeszelle.
dein stummes blut wird sich nicht zu wort melden
so lange du deinen stolz in den tod setzt (...)
um deine seele zu verlieren
wirst du zeit brauchen
sehr viel mehr als um deine augen
zu heilen, die tränen aus erdöl geweint haben
so lange du deinen stolz in den tod setzt (...)
um deine seele zu verlieren
wirst du zeit brauchen
sehr viel mehr als um deine augen
zu heilen, die tränen aus erdöl geweint haben
Dieses Gedicht veröffentlichte Fayadh schon im Jahr 2008. Nicht ahnend, dass es eines Tages seinen eigenen möglichen Tod begleiten könnte. Sein Lyrik-Band "Instructions within", "Anweisungen von Innen" wurde damals von einem libanesischem Verlag publiziert. Es ist längst vergriffen, aber plötzlich Teil der Anklage. Apostasie, Abfall vom Glauben, so lautet der Vorwurf, auf den im streng islamischen Königreich die Todesstrafe steht. Schon in seinem Gedichtband habe er Gotteslästerung betrieben, den Atheismus propagiert, so sein Richter. Sascha Feuchter, Vize-Präsident und "Writers in Prison"-Beauftragter des deutschen PEN-Zentrums, hält das alles nur für vorgeschoben:
"Experten, die sich diese Gedichte angeschaut haben, sagen uns eigentlich, dass da überhaupt nichts Islamkritisches oder gar Gotteslästerliches drin ist. Es handelt von seinem Schicksal als Palästinenser in Saudi-Arabien, als auch ein Heimatloser. Dieser Blasphemie-Vorwurf ist eigentlich der Vorwand, um jemanden politisch kaltzustellen."
Fayadh soll nämlich ein Video ins Netz gestellt haben, dass die Hinrichtung eines Minderjährigen zeigt. Saudi-Arabien findet seine Wege, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Bekanntestes Beispiel ist der Blogger Raif Badawi. Ihm wurde ebenfalls "Beleidigung des Islam" zur Last gelegt. Zehn Jahre Haft und tausend Peitschenhiebe, so die Strafe. Nach den ersten 50 Hieben vor genau einem Jahr, ging eine Welle des Protests um die Welt. Immerhin gab es seitdem keine Stockhiebe mehr.
Sascha Feuchert: "Durch diese weltweite Öffentlichkeit ist ein solcher Druck entstanden, dass Saudi Arabien zumindest vorübergehend die Auspeitschung ausgesetzt hat. Sie haben keine Garantie, dass das funktioniert. Aber es ist unser einziger Weg, Schutz für diese Leute zu organisieren. Bei Fayadh müssen wir sehen, ob das verfängt. Im Augenblick haben wir keine positiven Signale aus Saudi Arabien. Es wird jetzt sehr darauf ankommen, wie der Aufnahmeprozess ausgeht."
Doch erst gestern meldete Amnesty International einen "weiteren alarmierenden Rückschlag für die Menschenrechte in Saudi Arabien". Raif Badawis Schwester Samar, selbst Aktivistin, wurde mitsamt ihrer zweijährigen Tochter vorübergehend von der Polizei in Gewahrsam genommen und über Stunden verhört. Das Worldwide Reading, das das internationale literaturfestival berlin zur Unterstützung von Ashraf Fayadh organisiert hat, stehe "symbolisch für alle Opfer eines von Grund auf repressiven Regimes", heißt es in einer Erklärung. Mit dem Dichter habe es eine Schlüsselfigur in der Vermittlung zeitgenössischer Kunst aus Saudi Arabien zum Schweigen gebracht. Jetzt erhebt die Welt ihre Stimme für ihn.