Asiens Einfluss auf Silicon Valley

Wenn Zuckerberg chinesisch spricht

Der Facebook-Chef Mark Zuckerberg spricht am 19.3.2016 beim China Development Forum 2016 in der chinesischen Hauptstadt Peking.
Der Facebook-Chef Mark Zuckerberg beim China Development Forum 2016 in Peking © picture-alliance / dpa / MAXPPP /VCG
Von Wolfgang Stuflesser |
Der Facebook-Chef Mark Zuckerberg kann ganze Vorträge und Fragerunden auf Chinesisch bestreiten. Während Europa etwas neidisch aufs Silicon Valley als Zukunftslabor schaut, orientiert man sich dort eher Richtung Fernost – den riesigen asiatischen Markt im Blick.
Es war schon etwas Besonderes, als Mark Zuckerberg, Gründer und Chef des weltgrößten sozialen Netzwerks Facebook, auf Chinesisch per Video ein schönes neues Jahr wünschte - Anfang Februar, als das Jahr des Affen begann. Wirtschaftliche Gründe dürften für Zuckerberg kaum entscheidend gewesen sein, die Sprache zu lernen. Schließlich blockt die chinesische Regierung Facebook im eigenen Land. Eher schon private: Seine Frau, Priscilla Chang, ist Tochter chinesisch-vietnamesischer Flüchtlinge - und so verkündete das Paar im Video auch den chinesischen Namen der im Dezember geborenen Tochter Maxima - er lautet Chen Mingyu.
Mit ihrer Biografie ist Priscilla Chang durchaus keine Ausnahme im Einwanderungsland USA - bei der jüngsten Volkszählung von 2010 gaben mehr als 17 Millionen Amerikaner an, asiatische Wurzeln zu haben, 5,6 Prozent der Bevölkerung. Und gerade im Silicon Valley, dem Tal der Computer-Industrie, ist der Anteil der "Asian Americans" noch einmal deutlich höher, was auch daran liegen mag, dass asiatische Eltern traditionell großen Wert auf eine hervorragende akademische Ausbildung ihrer Kinder legen.
An der Elite-Uni Stanford, nur ein paar Kilometer von Facebooks Firmensitz entfernt, sind 16 Prozent der Lehrenden und fast 23 Prozent der Studierenden asiatischer Herkunft. Unter Facebooks technischen Mitarbeitern sind es sogar 43 Prozent. Insofern ist es vielleicht kein Wunder, dass Facebook auch bei seinen Produkten weit über den amerikanischen oder europäischen Markt hinausdenkt.

Facebook auf der Suche nach neuen Kunden

Vorige Woche, bei der großen Entwicklerkonferenz F8, gab Mark Zuckerberg ein fast schon politisches Statement ab:
"Wir sind eine weltweite Gemeinschaft",
sagte er:
"Von der Mutter in Indien, die arbeiten will, damit ihre Familie ein besseres Leben haben kann, bis zum Jungen in Syrien, der versucht, aus seinem Schicksal das Beste zu machen, um in der Welt voranzukommen."
Kritiker sagen, auch weil Facebook mit seinen inzwischen 1,6 Milliarden Mitgliedern langsam die neuen Kunden ausgehen, gründete Zuckerberg 2013 die Initiative Internet.org, die das Internet in entlegene oder besonders arme Weltregionen bringen soll. Unter dem Namen "Free Basics" bietet Zuckerberg nicht das gesamte Internet, sondern nur ausgesuchte Angebote: Facebook natürlich, aber auch Wikipedia, Nachrichten der BBC oder Seiten mit Gesundheitsinformationen - doch kein Google, kein Twitter - wie der indisch stämmige Technik-Journalist Om Malik in der Online-Sendung "This week in Tech" bemängelt:
"Es ist das Internet, wie Facebook es sich vorstellt. Wenn Mark Zuckerberg will, dass die Leute besser vernetzt sind, dann sollten sie alles nutzen können, von WhatsApp über Kik bis WeChat. Wenn er den Internetzugang der Leute bezuschussen will, dann sollten sie Zugriff aufs ganze Internet haben, nicht nur auf den Teil, den Facebook für gut befindet."

Kritik an fehlender Netzneutralität

Es wurden auch Vorwürfe eines neuen Kolonialismus laut. Im Februar hat die Indische Regulierungsbehörde für Telekommunikation "Free Basics" in Indien verboten, weil es gegen die Netzneutralität verstoße. In anderen Ländern ist Zuckerberg allerdings durchaus erfolgreich: Nach eigenen Angaben hat die Initiative in 37 Staaten 25 Millionen Menschen ans Netz gebracht. Das Verhältnis zwischen dem Silicon Valley und Asien besteht aber in mehr als nur der Frage, wie schnell in den asiatischen Wachstumsmärkten das Internet ausgebaut werden kann, um neue Kunden online zu bringen. In manchen Bereichen sind asiatische Länder auch Vorbild für die amerikanischen Unternehmer.
Südkorea hat zum Beispiel nach einer Studie der Server-Firma Akamai die durchschnittlich schnellsten Internet-Zugänge der Welt. Von dort stammt auch der Trend zu größeren Smartphones, die es zum Beispiel von Apple erst seit 2014 gibt. Während in China 650 Millionen Nutzerinnen und Nutzer über WeChat ihre Arzttermine vereinbaren oder Abendessen bestellen, fristen die Chatbots in den USA noch ein Nischendasein. Das dürfte sich bald ändern: Facebook hat gerade angekündigt, in seinem Messenger-Dienst ab sofort Chatbots breit zu unterstützen, und Microsoft-Chef Satya Nadella hat seine Firma ebenfalls auf die automatischen Text-Roboter eingeschworen: Sprache sei die neue Bedienoberfläche, sagt er, und Bots würden in der Zukunft die Rolle spielen, die heute Apps auf dem Smartphone einnehmen.

Offenheit zu Asien mit Tradition

Der Blick nach Asien hat im Silicon Valley allerdings noch eine tiefere Tradition, jenseits der reinen Marktbeobachtung. Das liegt sicher auch an der starken Verwurzelung der Technikszene in der Hippie-Kultur der 60er und 70er Jahre, die ja ihr großes Zentrum im nahegelegenen San Francisco hatte. Apple-Gründer Steve Jobs suchte Erleuchtung in indischen Ahsrams und ernährte sich vegan. Er ist 2011 gestorben, aber Aspekte der Hippie-Kultur und gerade die Offenheit zu Asien schwappen auch auf die nächste Generation von Silicon-Valley-Größen über. Mark Zuckerberg hat zum Beispiel auf Rat von Jobs einen Monat lang Indien bereist, um eine Vision für Facebooks Zukunft zu finden.
Zwei der größten und einflussreichsten Technik-Firmen der USA werden von in Indien geborenen Amerikanern geführt: Seit dem vorigen Jahr leitet Sundar Pichai Google. Und schon 2014 hat Satya Nadella das Ruder bei Microsoft übernommen. Er schwört den etwas in die Jahre gekommenen Konzern auf eine neue Philosophie ein, weniger an Windows und Word, sondern am Smartphone und Cloud-Diensten orientiert. Für diesen Mut zum Neuanfang zollen ihm viele Experten Respekt.
Microsoft-Chef Nadella steht auf einer Bühne und stellt die Pläne seines Unternehmens vor
Microsoft-Chef Satya Nadella wurde in Indien geboren.© picture alliance / dpa

Schnitzer bei der Gleichberechtigung

Doch Nadella hat sich auch schon einen großen Schnitzer geleistet, der womöglich auch kulturelle Hintergründe hat. Im Herbst 2014 wurde er bei einer Konferenz zum Thema Frauen in Technik-Berufen gefragt, was sein Ratschlag sei für Frauen, die sich nicht wohl dabei fühlten, um eine Gehaltserhöhung zu bitten.
Nadellas Antwort: Es gehe nicht so sehr darum, nach mehr Gehalt zu fragen, als Vertrauen in das System zu haben, dass man im Verlauf der Karriere schon die richtigen Gehaltserhöhungen bekommen werde:
"It`s not really about asking for the raise. But: knowing and having faith that the system will actually give you the right raises, as you go along."
Und weiter: Es könne sogar ein Vorteil für Frauen sein, nicht nach mehr Gehalt zu fragen. Das sei gutes Karma und komme zu ihnen zurück:
"And that, I think, might be one of the additional superpowers, that – quite frankly – women, who don't ask for a raise, have. Because: that's good karma, it will come back."
Es folgte natürlich ein Aufschrei auf Twitter und Co. Sicher sollte man in das Wort "Karma" nicht zu viel hineininterpretieren. Aber an diesem Beispiel zeigte sich schon, dass der Microsoft-Chef, der im Bereich Technik die veränderten Zeichen der Zeit erkannt hat, offenbar noch Nachholbedarf hat, wenn es um Gleichberechtigung und Gleichbehandlung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht. Nadella hat seine Antwort später in einer E-Mail an alle Microsoft-Angestellten als "komplett falsch" bezeichnet. Wer eine Gehaltserhöhung wolle, schrieb er, solle danach fragen.
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