Asket, Bettler und König der Tänzer
Shiva gilt den Hindus als Gott mit den meisten Gesichtern und ganz irdischen Zügen. Am 23. Februar begehen sie das Fest Maha-Shivaratri, die große Nacht Shivas. Auch in Deutschland wird es gefeiert. Die Gläubigen fasten währenddessen mehrere Tage lang.
"Shiva, Herr des heiligen Berges Kailasa im Himalaya,
Herrscher über alle Realitäten und Zerstörer aller Illusionen
Die Welt, in welcher ich lebe, ist eine Welt der Gedanken
Wo die Wahrheit in einer Höhle versteckt ist
Wo das Leben verbleibt in dem Schoss von Falschheit und Wünschen
In dieser chaotischen Welt der Schatten und Träume
Führe mich, Lord Shiva, zu Licht und Unsterblichkeit"
Gebet an Lord Shiva. Gott Shiva ist die hinduistische Gottheit mit den meisten Gesichtern. Er gilt als d a s Absolute, aber auch als d e r personale Gott. Mit ganz irdischen Zügen.
Harunaga Isaacson: "Er ist Asket, aber ist auch ein Bettler, also dass er bettelnd rumläuft und um Almosen bittet. Und dabei hat er auch als Bettelschale … ja einen Schädel von Brahma - das ist alles wahr, aber zugleich ist er der Herr von alles usw."
Harunaga Isaacson, ist Professor für Indologie an der Universität Hamburg. Für den Sanskrit-Forscher tun sich immer noch neue Erkenntnisse auf, weil bis heute nur ein Bruchteil der Schriften überhaupt übersetzt und herausgegeben ist. Gott Shiva präsentiert sich dabei als eine eher wilde Gottheit: Er wird dargestellt als nackter Yogi, er hält sich an unreinen Orten auf, wie den Verbrennungsstätten.
Sein Charakter färbt auch auf seine Anhänger ab: Einige rauchen Haschisch oder trinken hanfhaltige Getränke, um Shiva näher zu sein. Aber zugleich ist er der Höchste unter den Göttern - zumindest für seine Anhänger. Sein Zeichen ist das Lingam, ein phallisches Symbol, das heute als ein kosmisches Zeichen verehrt wird und oft in der Verehrung an die Stelle der Gottheit tritt.
Harunaga Isaacson: "Die meisten einfachen Leute würden zu einem Tempel gehen und ein Bild oder ein Lingam wirklich verehren als Shiva, ohne wirklich viel darüber nachzudenken. Leute mit mehr theoretischem Verständnis oder Ideen, die sehen das auch als Shiva, aber sich eher darüber bewusst, dass der eigentliche Shiva transzendent ist und das Ding nur Shiva ist, dadurch dass es rituell mit dem Transzendenten verbunden worden ist. Dann gibt es wieder andere, die überhaupt solche Verehrung von Objekten für unsinnig gehalten hat."
Bei allen Gläubigen sind die Legenden über Lord Shiva beliebt. Shiva weist nicht nur die Feinde der Götter in die Schranken, sondern zeigt eben auch fast menschliche Züge. Zum Beispiel wie Parvati den Asketen Shiva als Ehemann gewinnt. Parvati ist eine Inkarnation der Göttin Sati; sie war früher mit Shiva verheiratet.
Sati ist die Tochter eines sehr orthodoxen Gelehrten; der wiederum verachtete Shiva als Außenseiter. Bei einer speziellen Zeremonie lädt er alle anderen ein, aber nicht Shiva. Sati ist darüber wütend und tötet sich selbst. Sie wird als Parvati wiedergeboren.
Harunaga Isaacson: "Die Geschichte zeigt auch schon, der ist aus orthodoxer Sicht unerwünscht, der wird nicht eingeladen, der ist unrein. Okay, sie tötet sich, und Shiva trauert. Und er macht Askese, sitzt nur und macht Yoga (auf Tigerfell…). Sati wird wiedergeboren als Parvati, Tochter des Himalayas.
Sie will in dem neuen Leben wieder Shiva heiraten und die Götter wollen das auch, weil die wissen, nur ein Sohn von Shiva einen Dämon töten kann, der im ganzen Universum viel Ärger verursacht. Und dann schickt Brahma den Liebesgott Kama zu Shiva. Und der Liebesgott soll dafür sorgen, dass Shiva sich verliebt in Parvati."
Shiva sitzt in Meditation versunken auf seinem Tigerfell im Himalaya. Der Liebesgott Kama schießt einen Pfeil auf ihn ab. Aber Shiva lässt sich nicht ablenken, mit einem Blick aus seinem dritten Stirnauge verbrennt er den armen Kama zu Asche.
Harunaga Isaacson: "Er wurde nicht getroffen von diesem Pfeil. Und Parvati ist ganz enttäuscht, fast verzweifelt, aber dann geht sie und dann merkt sie: Okay, auf normale Weise geht es nicht, diesen Gott zu gewinnen als Ehemann. Es wird nur gehen durch Askese, dadurch dass ich selbst Askese mache. Und dann sitzt sie und macht sehr strenge Askese. "
Am Ende gewinnt sie Shiva und die beiden heiraten. Es werden sogar Geschichten über ihre ungewöhnlich lange Hochzeitsnacht tradiert.
Parvati formte aus dem Schaum im Badewasser ein Kind, als ihr Mann lange Zeit als Wanderasket unterwegs war. Die Geschichte von Ganesha kennt in Indien jedes Kind: Als Shiva nach Jahren wieder zurückkehrte, schlug er seinem vermeintlichen Kontrahenten den Kopf ab. Aber er machte es wieder gut und setzte auf den Rumpf den Kopf eines anderen Lebenwesens drauf. Das nächste, was ihm über den Weg lief, war ein Elefant. So bekam Shivas Sohn Ganesha einen Elefantenkopf.
Auch Skanda, der andere Sohn Shivas, entstand nicht auf natürliche Weise. Diese frommen Geschichten verdeutlichen immer wieder, dass Shiva eine besondere Gottheit ist, der über allen Gesetzen steht. Doch unter seinen Anhängern gibt es neben den einfachen Gläubigen auch Eingeweihte.
Harunaga Isaacson: "Und die Eingeweihten, die würden sagen, diese Shiva-Vorstellung, das ist nur für Laien. Das ist sehr niedrig eigentlich. Der wirkliche Shiva ist viel zu hoch dafür. Der wirkliche Shiva, den kann man nicht im Himalaya finden, dass er rumläuft und Attraktionen hat für Anhänger usw. Der richtige Shiva ist transzendent, hat auch keine Form."
Es haben sich auf dem Boden des Hinduismus verschiedene philosophische Systeme nebeneinander entwickelt. Darunter auch eine Form des Nicht-Dualismus, bei denen Shiva-Anhänger danach streben zu erkennen, dass eigentlich alles göttlich und somit Shiva ist. Shiva erschafft die Welt gleichsam in sich selbst wie in einem Spiel. Diese Tradition des Nicht-Dualismus ist weit über Indien hinaus bekannt geworden und hatte sich bis nach Kambodscha und Indonesien verbreitet.
Ein anderes Bild zeigt Shiva als kosmischen Tänzer, Shiva Nataraja. Das ist bis heute ein beliebtes Motiv für Metallbronzen. Shiva steht auf einem kleinen Dämon in einer Aureole aus lauter Flammen und tanzt. Jede Geste des tanzenden Gottes kann interpretiert werden. Er tanzt Schöpfung, Bewahrung und Zerstörung der Welten. Es ist ein kosmischer Tanz.
So existieren sehr unterschiedliche Formen von Shiva nebeneinander, in denen jeweils nur bestimmte Wesenszüge hervorgehoben werden.
Herrscher über alle Realitäten und Zerstörer aller Illusionen
Die Welt, in welcher ich lebe, ist eine Welt der Gedanken
Wo die Wahrheit in einer Höhle versteckt ist
Wo das Leben verbleibt in dem Schoss von Falschheit und Wünschen
In dieser chaotischen Welt der Schatten und Träume
Führe mich, Lord Shiva, zu Licht und Unsterblichkeit"
Gebet an Lord Shiva. Gott Shiva ist die hinduistische Gottheit mit den meisten Gesichtern. Er gilt als d a s Absolute, aber auch als d e r personale Gott. Mit ganz irdischen Zügen.
Harunaga Isaacson: "Er ist Asket, aber ist auch ein Bettler, also dass er bettelnd rumläuft und um Almosen bittet. Und dabei hat er auch als Bettelschale … ja einen Schädel von Brahma - das ist alles wahr, aber zugleich ist er der Herr von alles usw."
Harunaga Isaacson, ist Professor für Indologie an der Universität Hamburg. Für den Sanskrit-Forscher tun sich immer noch neue Erkenntnisse auf, weil bis heute nur ein Bruchteil der Schriften überhaupt übersetzt und herausgegeben ist. Gott Shiva präsentiert sich dabei als eine eher wilde Gottheit: Er wird dargestellt als nackter Yogi, er hält sich an unreinen Orten auf, wie den Verbrennungsstätten.
Sein Charakter färbt auch auf seine Anhänger ab: Einige rauchen Haschisch oder trinken hanfhaltige Getränke, um Shiva näher zu sein. Aber zugleich ist er der Höchste unter den Göttern - zumindest für seine Anhänger. Sein Zeichen ist das Lingam, ein phallisches Symbol, das heute als ein kosmisches Zeichen verehrt wird und oft in der Verehrung an die Stelle der Gottheit tritt.
Harunaga Isaacson: "Die meisten einfachen Leute würden zu einem Tempel gehen und ein Bild oder ein Lingam wirklich verehren als Shiva, ohne wirklich viel darüber nachzudenken. Leute mit mehr theoretischem Verständnis oder Ideen, die sehen das auch als Shiva, aber sich eher darüber bewusst, dass der eigentliche Shiva transzendent ist und das Ding nur Shiva ist, dadurch dass es rituell mit dem Transzendenten verbunden worden ist. Dann gibt es wieder andere, die überhaupt solche Verehrung von Objekten für unsinnig gehalten hat."
Bei allen Gläubigen sind die Legenden über Lord Shiva beliebt. Shiva weist nicht nur die Feinde der Götter in die Schranken, sondern zeigt eben auch fast menschliche Züge. Zum Beispiel wie Parvati den Asketen Shiva als Ehemann gewinnt. Parvati ist eine Inkarnation der Göttin Sati; sie war früher mit Shiva verheiratet.
Sati ist die Tochter eines sehr orthodoxen Gelehrten; der wiederum verachtete Shiva als Außenseiter. Bei einer speziellen Zeremonie lädt er alle anderen ein, aber nicht Shiva. Sati ist darüber wütend und tötet sich selbst. Sie wird als Parvati wiedergeboren.
Harunaga Isaacson: "Die Geschichte zeigt auch schon, der ist aus orthodoxer Sicht unerwünscht, der wird nicht eingeladen, der ist unrein. Okay, sie tötet sich, und Shiva trauert. Und er macht Askese, sitzt nur und macht Yoga (auf Tigerfell…). Sati wird wiedergeboren als Parvati, Tochter des Himalayas.
Sie will in dem neuen Leben wieder Shiva heiraten und die Götter wollen das auch, weil die wissen, nur ein Sohn von Shiva einen Dämon töten kann, der im ganzen Universum viel Ärger verursacht. Und dann schickt Brahma den Liebesgott Kama zu Shiva. Und der Liebesgott soll dafür sorgen, dass Shiva sich verliebt in Parvati."
Shiva sitzt in Meditation versunken auf seinem Tigerfell im Himalaya. Der Liebesgott Kama schießt einen Pfeil auf ihn ab. Aber Shiva lässt sich nicht ablenken, mit einem Blick aus seinem dritten Stirnauge verbrennt er den armen Kama zu Asche.
Harunaga Isaacson: "Er wurde nicht getroffen von diesem Pfeil. Und Parvati ist ganz enttäuscht, fast verzweifelt, aber dann geht sie und dann merkt sie: Okay, auf normale Weise geht es nicht, diesen Gott zu gewinnen als Ehemann. Es wird nur gehen durch Askese, dadurch dass ich selbst Askese mache. Und dann sitzt sie und macht sehr strenge Askese. "
Am Ende gewinnt sie Shiva und die beiden heiraten. Es werden sogar Geschichten über ihre ungewöhnlich lange Hochzeitsnacht tradiert.
Parvati formte aus dem Schaum im Badewasser ein Kind, als ihr Mann lange Zeit als Wanderasket unterwegs war. Die Geschichte von Ganesha kennt in Indien jedes Kind: Als Shiva nach Jahren wieder zurückkehrte, schlug er seinem vermeintlichen Kontrahenten den Kopf ab. Aber er machte es wieder gut und setzte auf den Rumpf den Kopf eines anderen Lebenwesens drauf. Das nächste, was ihm über den Weg lief, war ein Elefant. So bekam Shivas Sohn Ganesha einen Elefantenkopf.
Auch Skanda, der andere Sohn Shivas, entstand nicht auf natürliche Weise. Diese frommen Geschichten verdeutlichen immer wieder, dass Shiva eine besondere Gottheit ist, der über allen Gesetzen steht. Doch unter seinen Anhängern gibt es neben den einfachen Gläubigen auch Eingeweihte.
Harunaga Isaacson: "Und die Eingeweihten, die würden sagen, diese Shiva-Vorstellung, das ist nur für Laien. Das ist sehr niedrig eigentlich. Der wirkliche Shiva ist viel zu hoch dafür. Der wirkliche Shiva, den kann man nicht im Himalaya finden, dass er rumläuft und Attraktionen hat für Anhänger usw. Der richtige Shiva ist transzendent, hat auch keine Form."
Es haben sich auf dem Boden des Hinduismus verschiedene philosophische Systeme nebeneinander entwickelt. Darunter auch eine Form des Nicht-Dualismus, bei denen Shiva-Anhänger danach streben zu erkennen, dass eigentlich alles göttlich und somit Shiva ist. Shiva erschafft die Welt gleichsam in sich selbst wie in einem Spiel. Diese Tradition des Nicht-Dualismus ist weit über Indien hinaus bekannt geworden und hatte sich bis nach Kambodscha und Indonesien verbreitet.
Ein anderes Bild zeigt Shiva als kosmischen Tänzer, Shiva Nataraja. Das ist bis heute ein beliebtes Motiv für Metallbronzen. Shiva steht auf einem kleinen Dämon in einer Aureole aus lauter Flammen und tanzt. Jede Geste des tanzenden Gottes kann interpretiert werden. Er tanzt Schöpfung, Bewahrung und Zerstörung der Welten. Es ist ein kosmischer Tanz.
So existieren sehr unterschiedliche Formen von Shiva nebeneinander, in denen jeweils nur bestimmte Wesenszüge hervorgehoben werden.