"Asphalt"-Festival

Düsseldorf von oben und unten

Blick auf die Skyline der Stadt Düsseldorf
So sieht Düsseldorf von oben aus, das Festival zeigte aber auch, dass manche Düsseldorfer ganz unten leben. © Picture Alliance / dpa / Maja Hitij
Von Stefan Keim · 10.07.2016
Wer das wahre Gesicht der als elitär geltenden Stadt Düsseldorf entdecken will, der sollte das "Asphalt"-Festival besuchen. In diesem Jahr führte zum Beispiel ein Obdachloser durch einen Tunnel mit stillgelegten Gleisen. Consultant Managing Assistants präsentierten ihre Vision der Stadt. Das Motto der Theater-, Tanz- und Musikaufführungen war "Niemandsländer".
Ein Festival ohne Hochleistungsdruck. Ein Ort für Spontanes, Begegnungen, furiose und fatale Experimente – diesen Anspruch erheben viele Veranstaltungsreihen. Das Asphalt-Festival in Düsseldorf hat genau diese Qualitäten.
Zur tonlosen Live-Übertragung des EM-Endspiels haben die Schauspieler Moritz Führmann und Bernhard Schmidt-Hackenberg vom Düsseldorfer Schauspielhaus mit dem Pianisten Andreas Hirschmann eine "Public-Viewing-Performance" erarbeitet. Einige Songs, Gags und Szenen haben sie vorher abgesprochen, aber wie sie abgeschossen werden, entsprang ganz den Vorgaben des Spiels. Dass Ronaldo als Hauptquelle der Scherze schon früh verletzt ausgewechselt wurde, störte die drei wenig. Mit den Motten auf dem Spielfeld und den vielen Fehlschüssen hatten sie auch so genug Material für ihre Mischung aus Improshow, Poetry Slam und Comedy.

Fehlpässe wurden zu Slapstick

Besonders überzeugten die stilleren Momente. Wenn die beiden Schauspieler eine Liebesszene spielen, eine Torchance entsteht und Moritz Führmann trocken kommentiert: "Ein Tor würde jetzt wirklich nicht passen." Oder gleich der Beginn, als Pianist Hirschmann den Anfang des Spiels mit Stummfilmmusik unterlegte. Da wurden Fehlpässe zu Slapstick und große Gesten unglaublich komisch. Diese Form der Public-Viewing-Performance bietet viel Potenzial.
"Niemandsländer" heißt das Motto des Asphalt-Festivals in diesem Jahr. Die Gruppe per Vers, zu der die Festivalorganisatoren Christof Seeger-Zurmühlen (Regie) und Bojan Vuletic (Musik) gehören, lud zu einer Stadterkundung. Im Foyer des NRW-Forums für zeitgenössische Kunst präsentierten gelb gekleidete Creative Consultant Managing Assistants – oder so ähnlich – ihre Vision der Düsseldorfer Zukunft. Die Zuschauer lagen auf gelben Wohlfühldecken auf dem Rücken und schauten sich einen Film an der Decke des Saales an. Dann ging es weiter im Bus quer durch Düsseldorf, mit inszenierten Szenen im öffentlichen Raum und vielen satirischen Kommentaren.

Kleinste Bewegungen entfachen große Spannung

Doch langsam sickerte die Wirklichkeit hinein. Beim Aussteigen in einer Wohnsiedlung neuen Typs wurden die übertrieben wirkenden Beschreibungen plötzlich real. Einfahrten und Innenhöfe sind hier Privatbesitz und dürfen nicht einfach so betreten werden. Ein Sicherheitsmann kontrollierte die Gruppe, kein Darsteller, die realen Bewohner waren durch die Proben alarmiert und fühlten sich wahrhaftig bedroht. Am Ende gehen die Besucher in einen Tunnel mit still gelegten Gleisen. Dort wohnt Jörg, ein Obdachloser, der das Ende der Tour als Guide übernimmt und aus seinem Leben berichtet. "Düsseldorf Sous-Terrain" zeigt die Zerrissenheit der Stadtgesellschaft auf überzeugende Weise.

Zwei Gastspiele vom Gorki-Theater

Von den vielen Ausstellungen, Premieren und Gastspielen überzeugte am Eröffnungswochenende besonders ein Tanzsolo der in Berlin lebenden Koreanerin Howool Baek. Zu enervierenden Elektronik-Soundscapes robbte sie auf die Bühne, ohne ihre Beine zu benutzen. Mit kleinsten Bewegungen entfachte sie große Spannung. Wenn die Finger zittern, der Kopf zuckt, Wellen durch den Körper laufen, erinnert das an urgeschichtliche Tiere, die aus dem Wasser an Land gelangen. Andere sahen darin eine Entdeckung des menschlichen Körpers, die Bilder bleiben offen und faszinierend abstrakt.
Im Lauf des Festivals kommt das Gorki-Theater aus Berlin mit zwei Gastspielen. So etwas kann isch das Asphalt-Festival inzwischen leisten. Dennoch setzt es nicht auf große Namen, sondern auf Inhalte und Entwicklungen. Es behält seinen Charme eines unaufgeregten, neugierigen Entdeckerfestivals.
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