Zwanghafte Prügeleien und ein bisschen Rassismus
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Asterix-Hefte lassen sich als politische Allegorie lesen: Vor allem die Parallelen zwischen den Unabhängigkeitsbestrebungen der Comic-Gallier und dem historischen Prozess der Dekolonisation sind auffällig.
Eine Landkarte. Eine Standarte, die als Zeichen militärischer Macht in den Boden gerammt ist. Ein Widerstandsnest, das gezielt Sabotageakte gegen die Besatzungsarmee verübt. Schon die erste Seite der klassischen Asterix-Hefte lädt ein, die Comics als politische Allegorie zu lesen. Aber wofür? Geht es wirklich um die Kolonialherrschaft von Julius Cäsar vor knapp 2000 Jahren?
Ende der französischen Kolonialmacht
Die Entstehungszeit der Reihe legt eine andere Lesart nahe. Schließlich fiel das Erscheinen des ersten Bandes mit dem Zusammenbruch des französischen Kolonialreichs zusammen: 1958 erklärte Guinea als erste französische Kolonie in Afrika seine Unabhängigkeit. 1960 folgten vierzehn weitere Kolonien, zwei Jahre später Algerien. Dazwischen, im Juli 1961, erschien das erste Album um den kleinen schnauzbärtigen Widerstandskämpfer: "Asterix der Gallier".
Die Parallelen zwischen den fiktiven Unabhängigkeitsbestrebungen der Gallier und dem historischen Prozess der Dekolonisation liegen auf der Hand: In beiden Fällen wehrt sich die Bevölkerung eines Landes gegen eine militärisch überlegene, aber moralisch korrupte Besatzungsmacht.
Die Zwanghaftigkeit, mit der sich Asterix und Co. in jede verfügbare Prügelei mit den Legionären stürzen, erinnert an Frantz Fanons Buch "Die Verdammten dieser Erde", ebenfalls aus dem Jahr 1961. Darin rechtfertigt der Philosoph und Psychiater den Einsatz von Gewalt als letztem Mittel des Widerstands.
Ethnozentristische Logik
"Dieses Volk, dem man immer gesagt hat, daß es nur die Sprache der Gewalt verstehe, beschließt, sich durch die Gewalt auszudrücken. Im Grunde hat der Kolonialherr ihm seit jeher den Weg gezeigt, den es wählen muß, wenn es sich befreien will", heißt es darin.
Aber auch die Unterschiede sind klar. Mit "Asterix" wurde der Kampf um Dekolonisation, der 1961 südlich des Mittelmeers tobte, zu einer rein innereuropäischen Angelegenheit: Hier kämpfen "Weiße" gegen "Weiße". In diese ethnozentrische Logik passt, dass die Darstellung afrikanischer Menschen sich großzügig aus dem Fundus rassistischer Stereotype bedient.
Man denke an den Numiden Duplikatha aus "Die Trabantenstadt", der es trotz Zaubertrankgabe vorzieht, im Status der Sklaverei zu verharren. Oder an den Boy im Mastkorb des Piratenschiffs, der kein "R" sprechen kann und beim Anblick der Gallier stets in debiles Stottern gerät.
Vor allem aber erlaubt es die "Asterix"-Reihe europäischen Lesern, sich selbst mit den Opfern einer Kolonialgeschichte zu identifizieren, bei der sie eigentlich auf der Täterseite waren. Über den Appeal dieses Rollenwechsels lässt sich nur spekulieren.
Eine unauflösliche Fremdheit
Eine mögliche Erklärung liefert der indische Theoretiker Homi Bhabha: Ihm zufolge stellen die Einwohner eines eroberten Landes eine enorme psychische Bedrohung für die Kolonialherren dar. Die Eroberer wollen, dass die Kolonisierten sie imitieren, ihre Gebräuche, Glaubenssätze und Gesetze annehmen.
Aber diese Nachahmung hat Züge einer Scharade; es bleibt eine unauflösliche Fremdheit. Anders in den "Asterix"-Heften: Die kolonisierten Personen sind hier durchweg weiße Mitteleuropäer, Männer vom alten Schlag, trinkfreudig und rauflustig - versteinert in einer Welt, die eigentlich längst vergangen ist.