Übersetzungen mit dreifachem Boden
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Die Asterix-Bände sind auch wegen ihrer zahlreichen Anspielungen und Wortspiele beliebt. Für die angemessene Übertragung ins Deutsche sorgt der Übersetzer Klaus Jöken. Nur ein Fünftel aller Gags kann er aus der französischen Ausgabe direkt übernehmen.
Zum 60. Geburtstag erscheint im Herbst der neue Asterix-Band "Die Tochter des Vercingetorix" in Deutschland. Damit Witze, Anspielungen und Wortspiele auch bei der Übersetzung aus dem Französischen gelingen, kümmert sich der Übersetzer Klaus Jöken um angemessene Übertragungen.
Wie viel Arbeit das macht und dass seine Übersetzung für den Pariser Verlag sogar ins Französische nochmal zurück übersetzt wird, erzählt er in Deutschlandfunk Kultur und lüftet ein paar Geheimnisse.
(gem)
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Asterix wird 60, und das ist bis heute, trotz des hohen Alters, die erfolgreichste Comicserie der Welt. Asterix und Obelix und Miraculix und Idefix, der Hund von Obelix – klar, diese Bilder sehen Sie bestimmt gerade vor Ihrem geistigen Auge, oder? Aber im Comic ist ja auch die Sprache wichtig, und die ist im Original bekanntlich Französisch.
Wie aber stellt man das an, dass Wortspiele, Vergleiche, Andeutungen aus dem Französischen auch im Deutschen funktionieren? Das weiß Klaus Jöken, er ist der Mann, der uns Deutschlesende Asterix nahebringt, und mit ihm habe ich vor der Sendung gesprochen und gefragt: Herr Jöken, wie wird man eigentlich Übersetzer von Asterix?
Klaus Jöken: Eine gute Frage. Ich hatte mich vor 35 Jahren entschieden, mal zu übersetzen, und hatte mir dann gesagt, versuch’s vielleicht zu Anfang mit was Einfachem, einem Comic zum Beispiel, und auf die Art bin ich dann bei den Comics reingerutscht, und dann arbeitet man sich so nach und nach hoch. Nach zehn Jahren habe ich Lucky Luke auch übersetzt, und dann, das ist jetzt 15, 16 Jahre her, hab ich dann Asterix auch bekommen.
von Billerbeck: Sie sind gerade fertig geworden Mitte Juni mit der Übersetzung des neuen Asterix-Bandes, "Die Tochter des Vercingetorix", erscheint im Oktober, also zu diesem erwähnten 60. Geburtstag. Wie lange haben Sie daran gesessen?
Jöken: Gut zwei Monate insgesamt mit allem Drum und Dran. Wobei man dann sagen muss, dass die zwei Monate nur Asterix in Anspruch nehmen.
von Billerbeck: Das heißt, wie müssen wir uns Ihr Übersetzerleben in diesen zwei Monaten vorstellen?
Jöken: Ich bekomme dann zu einem bestimmten Tag die Daten zur Verfügung, die werden dann über Geheimwege im Computer zugespielt, und dann sag ich meiner Frau: So, ich bin die nächsten zwei Monate weg, und schließe mich hier in mein Büro ein, und dann sitze ich da dran.
von Billerbeck: Und ab und zu wird Ihnen durch eine Klappe ein bisschen Essen reingereicht, oder wie?
Jöken: Genau, es muss ständige Kaffeezufuhr gewährleistet sein, das ist nämlich mein Zaubertrank, und ab und zu natürlich tauche ich mal auf, um zu essen oder so, aber das kann auch in sehr unregelmäßigen Abständen erfolgen.
20 Prozent der Gags kann man übernehmen
von Billerbeck: Nun ist Asterix ein Comicband, der lebt ja von Anspielungen, von Wortspielen, von Reimen, und dazu hat er oft auch noch lateinische Einsprengsel. Wie stellen Sie das an, dass der Witz auch im Deutschen funktioniert?
Jöken: Da kann man keine so einfache Formel geben, man muss Sachen anpassen. Als ich damals dem Asterix-Autor Albert Uderzo vorgestellt wurde, als ich die Serie übernommen habe, sagte der zuerst zu mir, Asterix darf man nicht übersetzen, man muss ihn anpassen, also adaptieren. Und das versuche ich halt. Ich sage immer, die Übersetzung, die dauert eine Woche, dann hab ich den Asterix übersetzt. Danach, die nächsten zwei Monate, beschäftige ich mich damit, ihn anzupassen, dass er im Deutschen genauso wirkt wie im Original.
von Billerbeck: Das heißt, Sie erfinden auch eigene Namen, Wortspiele, Gags?
Jöken: Genau. Ich sage immer so ungefähr, von den Wortspielen, Gags kann man eigentlich 20 Prozent übernehmen. Die anderen funktionieren einfach im Deutschen nicht, wenn man sie wortwörtlich übersetzt. Dann muss man eben was anderes erfinden oder sich ausdenken.
von Billerbeck: Jetzt wollen wir natürlich so ein Beispiel hören, Herr Jöken!
Jöken: Da gibt es halt jede Menge.
von Billerbeck: Her damit!
Jöken: Nehmen wir mal zum Beispiel, was mir sehr viel Kopfzerbrechen bereitet hat, war "Asterix in Italien". Da gab es sehr viele Teams aus verschiedenen Ländern, die teilnahmen. Unter anderem gab es auch die "Kimbern" im Original. "Kimbern", warum? Weil nachher der Autor ein Wortspiel gemacht hatte. Das waren die Bösewichte, die alle anderen Wagen sabotiert hatten, und die erzählten dann nachher, ja wir sind "Kimbern", wir sind aus der "Kimbernsammlung" des Senators sowieso, wir wollen alle Wagen sabotieren, er will uns dafür freilassen.
Das beruht dann auf einem Wortspiel im Französischen, "Kimbernsammlung" hört sich an wie "Briefmarkensammlung", und freilassen ist dann auch – "affranchir" ist wie freimachen, wie einen Brief freimachen, also etwas, was überhaupt nicht funktioniert. Was macht man dann?
Ich habe mir dann alle Völker der Antike durchgesehen und bin dann auf die Markomannen gestoßen. Markomannen ist ein germanischer Volksstamm, der in Süddeutschland, in Schwaben und später in Bayern, gelebt hat. Und mit Markomannen hat man eben Marke drin, und dann kann man so ein Wortspiel wieder nachbilden.
Schwäbelnde Markomannen
von Billerbeck: Holla, Sie erfinden ja da quasi ganz neue Dinge.
Jöken: Dadurch konnte ich dann auch wieder zusätzlich noch einige Gags reinbringen, weil die "Markomannen", die in Schwaben ansässig waren, was auch die Heimat der deutschen Autoindustrie ist. Deswegen schwäbeln meine Markomannen ein bisschen. Es gibt einige Anspielungen auf die deutsche Autoindustrie.
von Billerbeck: Nun haben Sie schon gesagt, wenn Sie so was anpassen oder adaptieren, was Sie da eben beschrieben haben, das muss ja der Autor beziehungsweise der Verlag irgendwie genehmigen. Wie sehr spricht denn eigentlich der französische Verlag mit bei diesen Adaptionen, die Sie machen?
Jöken: Das ist eine ganz komplizierte Sache. Wenn ich die Übersetzung fertig habe, schicke ich sie erst mal nach Berlin an den Verlag Egmont und ein paar Tage später muss ich da antanzen. Wir haben uns irgendwo in der deutschen Provinz zurückgezogen, auch an einen geheimen Ort, und mit drei Redakteuren bin ich den ganzen Band jetzt noch mal drei Tage lang durchgegangen.
Zum Schluss lesen wir den noch mal dreimal vor, um zu hören, ob alles klingt. Und wenn das fertig ist, schicken wir die ganze Übersetzung noch mal nach Paris – im Originalverlag wird ja noch was zurückübersetzt dann.
von Billerbeck: Das ist ja eine irre Nummer. Das hab ich ja noch nie gehört, dass einer übersetzt und dann wird quasi kontrolliert, was Sie übersetzt haben?
Jöken: Genau. Man muss dann alle Wortspiele auch belegen und erklären können. Ich mache gleich zu Anfang immer kleine Fußnoten, damit die Franzosen dann wissen, warum ist das jetzt so übersetzt und warum ist dieses Wortspiel da.
Passend für alle Asterix-Fans
von Billerbeck: Dann ist das ja aber auch eigentlich der Ritterschlag für Sie, wenn Sie immer noch Asterix übersetzen, nachdem das also zurückübersetzt wurde und dann wieder zu Ihnen kommt. Das ist ja wirklich toll.
Jöken: Ja, der wirkliche Ritterschlag kommt eigentlich von den Lesern, wenn die Leser zufrieden sind.
von Billerbeck: Wie schaffen es eigentlich die Schöpfer von Asterix und natürlich auch Sie als Übersetzer, als Adaptierer ins Deutsche, so eine erstaunlich breite Fangemeinde zu bedienen. Wir wissen, Asterix wird gelesen vom Grundschulkind bis zum Promovierten.
Jöken: Das ist eine heikle Sache. Man muss bei den Übersetzungen gerade das auch im Auge haben, dass man eben von allen gelesen wird. Man muss dann auch Anspielungen auf Kultur und auch aktuelle Sachverhalte einflechten, aber das muss so gemacht werden, dass wenn ein achtjähriges Kind die nicht versteht, noch darüber hinweglesen kann und einfach nur so als Geschichte lesen kann. Das ist natürlich deswegen so kompliziert.
von Billerbeck: Das ist eine Übersetzung mit doppeltem Boden quasi.
Jöken: Manchmal mit dreifachem, vierfachem Boden. Bei manchen Anspielungen hab ich mir gedacht, das findet nie jemand raus. Manchmal kommt nach vier, fünf Jahren irgendwie ein Fan, der das dann rausgefunden hat. Das freut mich dann immer besonders.
von Billerbeck: Nun haben wir schon ein paar Mal erwähnt, dass es einen neuen Band gibt zu diesem 60. Geburtstag, "Die Tochter des Vercingetorix". Ich weiß ja nicht, ob Sie irgendwas sagen dürfen – können Sie vielleicht eine Andeutung machen, worum es darin geht.
Jöken: Es geht natürlich um die Tochter des Vercingetorix, wie der Titel schon sagt. Vercingetorix ist ja der große Anführer, der große Häuptling der Gallier gewesen im Kampf gegen Cäsar.
Ferri ist auf einen Artikel gestoßen, dass man eigentlich vor einigen Jahren vor der Küste zwischen England und Frankreich, im Ärmelkanal, einen Torque gefunden hat. Das ist ein Ring, den gallische Krieger um den Hals getragen haben. Und auf diesem Ring stand eine Inschrift, "Die Tochter des Chefs". Ferri hat sich dann Gedanken gemacht und gesagt, die Tochter des Chefs, wenn das der große Chef der Gallier war, muss das Vercingetorix gewesen sein, also muss dieser Ring ihr gehört haben, und hat sich dann eine Geschichte da drumherum ausgedacht.
von Billerbeck: Ich merke schon, ich quäle Sie. Wenn Sie noch mehr erzählen müssen, bringen wir Sie in Teufels Küche, und das wollen wir nicht, Herr Jöken.
Jöken: Ich werde sonst mit einem Hinkelstein um den Hals im Ärmelkanal versenkt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.