Astrophysiker: Lebewesen in anderen Galaxien wahrscheinlich

Hans Walter Rix im Gespräch mit Matthias Hanselmann · 10.07.2009
Der Galaxienforscher und Direktor des Max-Planck-Institutes für Astronomie in Heidelberg, Hans Walter Rix, hält es für sehr wahrscheinlich, dass Leben in einer anderen Galaxie existiert. Man habe es bloß noch nicht gefunden.
Matthias Hanselmann: Wer sind eigentlich die Einsteins, Newtons und Robert Kochs unserer Zeit? Gibt es heutzutage vergleichbare Wissenschaftler? Und womit beschäftigen sie sich gerade, welche Fragen treiben sie um? Interessieren sie sich für das große Ganze oder eher für die kleinsten Nanobausteine des Lebens oder der toten Materie? Und über was denken sie nach, wenn sie mal nicht im Labor stehen? Heute beginnen wir unsere Reihe, wir haben sie "Moderne Einsteins" genannt und führen darin jede Woche im "Radiofeuilleton" Gespräche mit deutschen Spitzenforschern, also jeweils freitags um 16 Uhr. Unser erster Gast ist Hans Walter Rix. Sein Beruf: Galaxienforscher.

In einem Studio in Mannheim ist jetzt für uns der Astronomiefachmann und Galaxienforscher Hans Walter Rix. Guten Tag, Herr Rix!

Hans Walter Rix: Guten Tag, Herr Hanselmann!

Hanselmann: Wann haben Sie eigentlich das letzte Mal in ein Fernrohr geschaut?

Rix: Das war im April, da habe ich am größten Teleskop der Welt beobachtet. Obwohl ich gestehen muss, ich hab nicht durchgeschaut, sondern damit Bilder gemacht.

Hanselmann: Selbst Bilder gemacht und dann auf dem Computer bewundert?

Rix: Genau dies.

Hanselmann: Kleine, grüne Männchen haben Sie dabei aber wahrscheinlich nicht gesehen, oder?

Rix: Nein, wir haben auch wahrscheinlich am falschen Ort gesucht nach denen?

Hanselmann: Wo denn?

Rix: Wir haben nach sehr weit entfernten Galaxien gesucht damals, und wenn ich grüne Männchen suchen würde, dann würde man die am besten vielleicht um Planeten, die andere Sterne umkreisen, suchen.

Hanselmann: Lassen Sie uns doch bei der Gelegenheit mit der meist gestellten Frage der Menschheit beginnen, wenn es um ferne Galaxien geht, nämlich: Glauben Sie an fremdes Leben im All? Diese Frage haben wir einigen Menschen auf der Straße gestellt.

O-Töne: Also wer sagt denn, dass wir die Einzigen sind im gesamten Weltall? Das ist ja so groß, und woher sollen wir wissen, dass wir die Einzigen sind?

Ja, das stelle ich mir durchaus vor. Also wenn es zurzeit keine anderen Dimensionen Lebewesen dort gibt, dann hat’s sie vielleicht mal gegeben.

Ja, kann ich mir schon vorstellen, dass da andere da oben wohnen, wo man halt noch nicht hingekommen ist, wo man nachgucken könnte.

Also da bin ich mir sicher hundertprozentig, weil es gibt sehr viele Galaxien, und es kann nicht sein, es gibt kein Leben da.

Ich halte es für möglich, das wird aber sicherlich nichts mit uns zu tun haben, das können völlig andere Lebensformen sein, die wir vielleicht auch gar nicht für Leben halten.

Hanselmann: Soweit unsere kleine Straßenumfrage. Herr Rix, wie sieht denn das der Wissenschaftler, der Galaxienforscher? Gibt es Ihrer Meinung nach irgendwo fremdes Leben in einer anderen Galaxie?

Rix: Nach all dem, was wir wissen, sollte das sehr, sehr wahrscheinlich sein, wir haben’s bloß noch nicht gefunden. Das heißt, das ist tatsächlich eins der großen Wachstumsgebiete in der Astronomie, systematisch nach Leben außerhalb der Erde zu suchen, und es werden sogenannte Astrobiologieinstitute gegründet, sowohl in Amerika als auch in Europa. Und genau wie in der Umfrage ist es tatsächlich so, man muss das in zwei Teile trennen, die Frage: Gibt es Leben wie unseres und gibt es Leben? Und dass es Leben gibt, scheint eigentlich fast unvermeidlich, wenn wir die Physik und die Biologie auch nur irgendwie verstehen. Die Frage, ob’s zum jetzigen Zeitpunkt intelligentes Leben gibt, mit dem wir auch uns noch unterhalten können, das ist zwar möglich, aber es ist so weit entfernt, dass eine Unterhaltung, wo man Milliarden Jahre auf die Antwort wartet, doch sehr langweilig wäre.

Hanselmann: Ich habe Sie als Galaxienforscher vorgestellt eben, womit beschäftigen Sie sich eigentlich genauer in Ihrer Arbeit?

Rix: Ein großes Projekt, was wir gerade fertig gemacht haben, da geht’s darum, zu verstehen, wie das Universum interessant wurde. Denn kurz nach dem Urknall war das Universum eigentlich sehr langweilig. Es gab keine Sterne, keine Galaxien, und die Frage ist, wie daraus diese Galaxien mit Milliarden Sternen entstanden sind. Und am besten kann man das eigentlich bei uns durch direkte Beobachtung rückverfolgen, denn wir können wirklich Archäologie betreiben dadurch: Wir schauen in die Ferne, und ein Blick in die Ferne ist ein Blick in die Vergangenheit, weil eben Licht nur mit ähnlicher Geschwindigkeit zu uns kommt. Und wir können leicht eine Milliarde, zwei Milliarden, acht Milliarden Jahre in die Vergangenheit schauen. Und insbesondere mit dem Hubble-Weltraumteleskop können wir dann einfach fragen: Wie haben Galaxien früher ausgeschaut? Das heißt, es ist so, als wenn man versuchen würde zu verstehen, wie Menschen aufwachsen, dadurch, dass sich ein Klassenbild der ersten Klasse, ein Klassenbild der dritten Klasse, ein Abiturbild und dann ein Studienabschlussbild habe – und wir haben genau das gleiche Problem: Es sind nämlich nicht immer genau die gleichen Leute, sondern bloß im statistischen Sinne sind es die gleichen, und das versucht man zusammenzubauen. Und eine der Sachen, die wir aus unserem großen Projekt jüngerer Zeit gelernt haben, ist, dass, wir konnten kartieren, wie die Gesamtweltbevölkerung, universale Bevölkerung an Sternen sich aufgebaut hat, wie neue Sterne entstanden sind. Und die Geburtenrate neuer Sterne ist in den letzten Jahrmilliarden Jahren stark zurückgegangen, und wir wissen auch jetzt warum, weil uns nämlich der Rohstoff für neue Sterne ausgegangen ist. Das heißt, das Universum ist in einer globalen Rohstoffkrise, das kalte Gas, aus dem man Sterne machen kann, ist einfach nicht mehr übrig.

Hanselmann: Als Galaxienforscher werden Sie sicherlich öfters gefragt: Hans Walter, erklär doch bitte mir mal, wie das Weltall, das Universum entstanden ist! Tun Sie’s dann oder weigern Sie sich?

Rix: Ich mache das gerne, ich hab das schon in meiner Zeit in der Bundeswehr bin ich Leuten auf die Nerven gegangen, dass die mit mir Wache laufen mussten, die mussten sich solche Erklärungen anhören. Die Kurzerklärung ist: Warum es entstanden ist, ist relativ leicht, denn wenn’s nicht entstanden wäre, säßen wir nicht hier, um die Frage zu diskutieren.

Hanselmann: Deutschlandradio Kultur, in unserer Reihe "Moderne Einsteins" spreche ich mit dem Galaxienforscher Hans Walter Rix, er ist unter anderem Direktor des Max-Planck-Institutes für Astronomie in Heidelberg. Herr Rix, wir haben vorhin gehört, Ihre erste Erfahrung mit dem Weltall haben Sie im Alter von fünf Jahren gemacht, haben verfolgt, wie Neil Armstrong als erster Mensch auf dem Mond gelandet ist. Haben Sie daran noch eine Erinnerung?

Rix: Ja, ich kann mich erinnern, wie mich meine Eltern aus dem Bett geholt haben und wir das beobachtet haben. Und ich war natürlich wie viele in meiner Generation: als Kind wollte ich unbedingt Astronaut werden. Leider, als ich dann über 1,90 groß wurde, hat man mir gesagt, ich sollte das aufgeben, weil so große Leute passen in keinen Space Shuttle.

Hanselmann: Das ist sicherlich für Sie heutzutage immer noch traurig, würden Sie immer noch gern ins Weltall fliegen, auf den Mond oder auf die ISS zum Beispiel?

Rix: Ja, wir hatten vor ein paar Jahren einen Vortrag eines früheren Diplomanden an unserem Institut, der als Astronaut im Space Shuttle war und der erzählt hat, dass er tagelang aus dem Fenster geschaut hat – und 18 Sonnenauf- und -untergänge am Tag wär’ doch was Schönes.

Hanselmann: Können Sie eigentlich zum Beispiel im Urlaub – apropos – in den sternenklaren Himmel schauen, ohne dass Ihr Wissenschaftlergehirn sofort anfängt zu arbeiten? Können Sie dabei noch entspannen oder sogar träumen?

Rix: Ja, gerade vor einer guten Woche war ich auf einer Bergtour in den Alpen, und als ich um ein Uhr aufwachte, war es wunderbar klar und die Milchstraße hat sich im Bergsee gespiegelt, und bin leider, bis mir eiskalt wurde, dann im Schlafanzug rausgerannt und hab mir die ganze Szene angeschaut, ohne auch wirklich an meine Wissenschaft zu denken.

Hanselmann: Ohne die Hoffnung, eine unbekannte Galaxie zu entdecken. Haben Sie eigentlich früher Serien wie "Raumschiff Enterprise" oder "Raumpatrouille Orion" gesehen?

Rix: Ja!

Hanselmann: Als Fan?

Rix: Als Fan, ja, obwohl ich hab das immer als was Getrenntes gesehen von meiner Wissenschaft und von der Astronomie, so ein bisschen die astronomische Version von "Woran denken Frauenärzte beim Sex?". Denn wenn ich einen Science-Fiction-Film sehe oder ein Buch lese, geht’s mir um die Literatur, und ich überlege nicht mir dauernd, ob das plausibel ist oder nicht. Ich hab eine blühende Phantasie, und da macht mir das Spaß. Es muss ja nicht richtig sein.

Hanselmann: Ja, die blühende Phantasie merkt man auch an dem Vergleich, den Sie eben gezogen haben. Sehen Sie sich eigentlich irgendwie als eine Art moderner Einstein oder als eine Art Erbe Einsteins?

Rix: Bestenfalls als Erbe. Wenn wirklich auch unter den vielen Nobelpreisträgern, mit denen ich Gelegenheit hatte zu reden – Einstein ist eine Ausnahmeerscheinung –, aber ich denke zum Beispiel über unser Gebiet, was Einstein schon vor 50 Jahren gesagt hat, ist das, was unser Gebiet so spannend macht, nämlich das ewig Unbegreifliche an der Welt ist ihre Begreiflichkeit. Denn als Astronomen sitzen wir ja eigentlich wirklich nur auf der Erde, wir betreiben eine Exegese-Interpretation von dem, was wir sehen, und wir sind eigentlich sehr, sehr weit gekommen, uns ein Bild des ganzen Universums zu zimmern.

Hanselmann: Herr Rix, ich wünsche Ihnen noch viele romantische Stunden unter dem Sternenhimmel! Danke schön! Das war Hans Walter Rix, Astronom und Direktor des Max-Planck-Institutes für Astronomie in Heidelberg, in unserer Reihe "Moderne Einsteins". Vielen Dank! Und mehr über Ihr Institut kann man erfahren unter www.mpia.de. Danke schön, Herr Rix!

Rix: Danke schön!