Eine Katastrophe für die Außenwirkung
Schon wieder gibt es Irritationen in der Koalition: Im Streit um das Asylpaket II werden die beschlossenen Gesetzesverschärfungen in Frage gestellt. Es entstehe mal wieder der Eindruck, als würde in der Großen Koalition mehr gestritten als gearbeitet, kommentiert Katharina Hamberger.
"Die Stimmung ist gut". Dieser Satz über die Große Koalition stammt von Sigmar Gabriel. Man mag es angesichts der aktuellen Ereignisse kaum glauben, dass dieser erst zwei Wochen alt ist. Mit der guten Stimmung ist es nämlich schon wieder vorbei. Denn der Streit um das Asylpaket II, der erst vor 14 Tagen beigelegt wurde und Gabriel zu seiner Einschätzung verleitete, ist wieder aufgebrochen.
Nun streitet man über die Aussetzung des Familiennachzugs für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge. Der Streit ist erstens eine Katastrophe für die Außenwirkung des Regierungshandelns. Es entsteht mal wieder der Eindruck, als würde in der Großen Koalition mehr gestritten als gearbeitet. Zweitens ist es mal wieder eine Katastrophe für die SPD. Schon das zweite Mal innerhalb kurzer Zeit, heißt es von sozialdemokratischer Seite, das sei so nicht abgesprochen gewesen. Dabei hätte man doch aus dem Kommunikationsdesaster von vor drei Monaten, als die Parteivorsitzenden zum ersten Mal das Asylpaket II verhandelten, lernen können.
Schon damals entstand der Eindruck, dass die Union zwar nicht wirklich deutlich kommuniziert hat, aber vor allem die SPD ihre Forderungen nicht noch mal mit Nachdruck eingebracht hat, sondern einfach davon ausgegangen ist, dass auch die Anliegen der Sozialdemokraten berücksichtigt werden. Nun ist die Situation ähnlich. Gabriel einigte sich offenbar wieder mit Seehofer und Merkel, ohne noch mal zu betonen, was der SPD wichtig ist. Dann verabschiedete das Kabinett auch noch den Entwurf. Auch die SPD-Ministerien stimmten zu, weil man davon ausging, dass das schon alles so richtig sein wird.
War die SPD zu naiv?
Das Familienministerium, dass dafür gekämpft hatte, dass Minderjährige ausgenommen werden, meinte, dass man sich mit dem Bundesinnenministerium, das für den Gesetzentwurf zuständig ist, einig wäre, dass es nicht mit der UN-Kinderrechtskonvention vereinbar war – und das ist es wohl auch nicht – Kinder den Nachzug der Eltern zu verweigern. Die Union sieht das offenbar anders.
Und dass der SPD-Chef dann auch noch poltert, dass sei mit ihm nicht abgesprochen gewesen, macht es für die SPD nicht besser. Sie muss sich vorhalten lassen, zu naiv mit einer Union umgegangen zu sein, deren Ziel es ist, vor allem Gesetze zu verschärfen. Ärgerlich, weil die SPD hier das Richtige will. Denn den Familiennachzug für Minderjährige auszusetzen, ist nicht nur rechtlich problematisch. Sondern zusätzlich ist es noch höchst bedenklich, Kindern, die womöglich traumatisiert sind, zu verweigern, ihre Eltern nachzuholen.
Die Unionsparteien könnten ruhig noch mal über die genaue Bedeutung des "Cs" in ihrem Parteinamen nachdenken. Zumal das Argument, man würde ja damit zulassen, dass nun die Eltern ihre Kinder vorschicken, nur an den Stammtischen ein durchschlagendes ist, weil die tatsächliche Zahl, um die es geht, gering ist und nur minimal ansteigen wird. Leider ist zu befürchten, dass die SPD durch ihre Unachtsamkeit die Chance verspielt hat, im parlamentarischen Verfahren, dem eigentlichen Gesetzgebungsverfahren, der Union noch einen Kompromiss abzuringen.