Atemloser Galopp durch ein Künstlerinnenleben
Furios und wortgewaltig erzählt Hildegard Knef in "Der geschenkte Gaul" ihr Leben - von den Jugendjahren in der Beklemmung des NS-Regimes bis zur Karriere als Schauspielerin und Chansonsängerin. "Das Urteil" handelt dann von ihrer Krebserkrankung und dem Kampf dagegen. Mit "So nicht" schließt Hildegard Knef die Trilogie ab. Ihre drei Romane sind die Begegnung mit einem hoch intelligenten Menschen, einer sprudelnden Erzählerin und einem Stück Zeitgeschichte.
Wohl jeder weiß irgendein Mosaiksteinchen beizusteuern, wenn der Name Hildegard Knef fällt: Chansons, erste Nacktszene im deutschen Film, Presseskandale, Berlin, Brustoperation, "Der geschenkte Gaul". Wer nicht mehr über Schauspielerin, Sängerin und Autorin weiß, wird überrascht, vielleicht sogar überwältigt sein von ihrem Schreibstil.
Die Neuauflage von drei von Knefs Romanen kommt speziell jenen zugute, für die der Name Knef nur mehr ein ferner Mythos sein mag. "Der geschenkte Gaul" ist bestimmt ihr bedeutendstes Werk. Furios erzählt "die" Knef ihr Leben, wortgewaltig mit einem Sprachschatz, der Ehrfurcht gebietet. So wie ihr Leben gewesen sein mag, so jagt sie den Leser über die Seiten. Mitunter lässt sie Prädikate beiseite, erzählt atemlos, als sei die Zeit kurz bemessen.
Knef schildert ihre Kinder- und Jugendjahre unter dem NS-Regime und entwirft nebenbei ein Kriegsgemälde von beklemmender Intensität. Man kann sich das geschundene, das zerbombte Berlin plastisch vorstellen, die Entbehrungen der Menschen erahnen. Knef appelliert in ihren Büchern an alle Sinne, lässt teilhaben an ihren intimsten Gefühlen. Diese Frau muss katzenartig sieben Leben gehabt haben, so oft entkommt sie dem Tod, schon allein im Krieg und auch später.
Irgendwann fragt sich der Leser, ob das alles auch so abgelaufen sein mag, so sehr erinnert sie sich an Details, Gespräche. Auch später kommen diese Überlegungen auf, werden zur Gewissheit, dass die Autorin zwischen Authentischem und Fiktion changiert - aber es macht nichts. Ihr Erzählfluss reißt mit, und sogar ihre Kriegserlebnisse lassen schmunzeln.
Knef ist eine präzise Beobachterin kleinster Begebenheiten, sie liest in Gesichtern, interpretiert die Umwelt, bringt mit Vergleichen zum Lachen. Großartig komisch beschreibt sie etwa die Proben zum Musical "Silk Stockings", bei denen das Chaos täglich aufs Neue ausbrach. Indem sie ausschließlich negativ besetzte Adjektive verwendet, transportiert sie in der Schilderung der Ankunft der tief in Berlin Verwurzelten in den USA so viel Abneigung, dass sie keine eigene Bewertung nachschieben muss.
Knef hat in ihren ersten Lebensjahrzehnten atemlos gelebt, so schildert sie es. Klar, dass diese Spannung abfällt, wenn man lesend an den "geschenkten Gaul" "das Urteil" anschließt, wo es um ihre Krebserkrankung, ihren Kampf dagegen, die Behandlung und die Auseinandersetzung mit den Ärzten geht. Schon von Natur aus ein bedächtiges Thema, mag man vielleicht den Schwung vermissen. Doch ihren gewaltigen Erzählstil, selbst die ironischen, heiteren Beschreibungen, die gerade vor ihr selbst nicht Halt machen, hat sie beibehalten. Auch im dritten Band "So nicht", der unter dem Eindruck des Todes ihres Halbbruders entstanden ist.
Wer sie nicht kennt, lernt Hildegard Knef in ihren Romanen kennen. Mitunter meint man, dass sie selbst das beliebteste Opfer ihres feinen Spotts ist. Sie ist eine ohne Starallüren, lässt sie uns wissen, eine, die ihre Wurzeln in Berlin hat und diese nie verleugnen wird. Eine, die den Starrummel akzeptiert, weil er zum Geschäft gehört, die aber nicht meint, dadurch zu etwas Bedeutenderem geworden zu sein.
Ihre drei Romane sind nicht nur ein Gewinn als Lesevergnügen, sie sind die Begegnung mit einem hoch intelligenten Menschen, einer sprudelnden Erzählerin und einem Stück Zeitgeschichte, denn sie stellt uns nebenbei fast alle wichtigen Künstler der Nachkriegszeit vor, den Freundeskreis eines Stars, der sich nicht als solcher empfindet.
Rezensiert von Stefan May
Hildegard Knef: Der geschenkte Gaul / Das Urteil / So nicht
Romane, edel entertainment, Hamburg 2008,
insgesamt etwa 1100 Seiten, je 19,95 Euro
Die Neuauflage von drei von Knefs Romanen kommt speziell jenen zugute, für die der Name Knef nur mehr ein ferner Mythos sein mag. "Der geschenkte Gaul" ist bestimmt ihr bedeutendstes Werk. Furios erzählt "die" Knef ihr Leben, wortgewaltig mit einem Sprachschatz, der Ehrfurcht gebietet. So wie ihr Leben gewesen sein mag, so jagt sie den Leser über die Seiten. Mitunter lässt sie Prädikate beiseite, erzählt atemlos, als sei die Zeit kurz bemessen.
Knef schildert ihre Kinder- und Jugendjahre unter dem NS-Regime und entwirft nebenbei ein Kriegsgemälde von beklemmender Intensität. Man kann sich das geschundene, das zerbombte Berlin plastisch vorstellen, die Entbehrungen der Menschen erahnen. Knef appelliert in ihren Büchern an alle Sinne, lässt teilhaben an ihren intimsten Gefühlen. Diese Frau muss katzenartig sieben Leben gehabt haben, so oft entkommt sie dem Tod, schon allein im Krieg und auch später.
Irgendwann fragt sich der Leser, ob das alles auch so abgelaufen sein mag, so sehr erinnert sie sich an Details, Gespräche. Auch später kommen diese Überlegungen auf, werden zur Gewissheit, dass die Autorin zwischen Authentischem und Fiktion changiert - aber es macht nichts. Ihr Erzählfluss reißt mit, und sogar ihre Kriegserlebnisse lassen schmunzeln.
Knef ist eine präzise Beobachterin kleinster Begebenheiten, sie liest in Gesichtern, interpretiert die Umwelt, bringt mit Vergleichen zum Lachen. Großartig komisch beschreibt sie etwa die Proben zum Musical "Silk Stockings", bei denen das Chaos täglich aufs Neue ausbrach. Indem sie ausschließlich negativ besetzte Adjektive verwendet, transportiert sie in der Schilderung der Ankunft der tief in Berlin Verwurzelten in den USA so viel Abneigung, dass sie keine eigene Bewertung nachschieben muss.
Knef hat in ihren ersten Lebensjahrzehnten atemlos gelebt, so schildert sie es. Klar, dass diese Spannung abfällt, wenn man lesend an den "geschenkten Gaul" "das Urteil" anschließt, wo es um ihre Krebserkrankung, ihren Kampf dagegen, die Behandlung und die Auseinandersetzung mit den Ärzten geht. Schon von Natur aus ein bedächtiges Thema, mag man vielleicht den Schwung vermissen. Doch ihren gewaltigen Erzählstil, selbst die ironischen, heiteren Beschreibungen, die gerade vor ihr selbst nicht Halt machen, hat sie beibehalten. Auch im dritten Band "So nicht", der unter dem Eindruck des Todes ihres Halbbruders entstanden ist.
Wer sie nicht kennt, lernt Hildegard Knef in ihren Romanen kennen. Mitunter meint man, dass sie selbst das beliebteste Opfer ihres feinen Spotts ist. Sie ist eine ohne Starallüren, lässt sie uns wissen, eine, die ihre Wurzeln in Berlin hat und diese nie verleugnen wird. Eine, die den Starrummel akzeptiert, weil er zum Geschäft gehört, die aber nicht meint, dadurch zu etwas Bedeutenderem geworden zu sein.
Ihre drei Romane sind nicht nur ein Gewinn als Lesevergnügen, sie sind die Begegnung mit einem hoch intelligenten Menschen, einer sprudelnden Erzählerin und einem Stück Zeitgeschichte, denn sie stellt uns nebenbei fast alle wichtigen Künstler der Nachkriegszeit vor, den Freundeskreis eines Stars, der sich nicht als solcher empfindet.
Rezensiert von Stefan May
Hildegard Knef: Der geschenkte Gaul / Das Urteil / So nicht
Romane, edel entertainment, Hamburg 2008,
insgesamt etwa 1100 Seiten, je 19,95 Euro