Athener Hafen

Zwischen Luxusyachten und totem Fisch

Touristen schlemmen Eis am Yachthafen - und nebenan schwitzen die Fischverkäufer.
Touristen schlemmen Eis am Yachthafen - und nebenan schwitzen die Fischverkäufer. © Deutschlandradio / Panajotis Gavrilis
Von Panajotis Gavrilis |
Am Athener Hafen wird der Unterschied zwischen arm und reich in Griechenland erschreckend deutlich: Auf der einen Seite leben die Yachtbesitzer in Saus und Braus, auf der anderen schuften die Fischer und Verkäufer auf dem Fischmarkt.
Die Sonne geht hinter den Wolken unter, der rot-schimmernde Himmel spiegelt sich auf dem Meer, als eine 20 Meter lange Yacht auf die Marina im Stadtteil Paleo Faliro zusteuert. Hier sind über 50 Luxusboote direkt nebeneinander festgebunden, eins schöner, größer als das andere. Am Ende des betonierten Stegs stehen zwei parkende Autos mit laufendem Motor. Davor zwei Männer in Anzug und dunkler Sonnenbrille, die auf ihre wichtigen Gäste der Riesenyacht warten. Sie fühlen sich vom Mikrofon gestört.
"Nein, Nein, mein Freund," sagt der eine mit bösem Blick und wimmelt ab. Obwohl der Steg ein öffentliches Gelände ist, wollen sie mich wegschicken. Krise hier? Welche Krise? Ihm persönlich geht's ziemlich gut, antwortet er abgeklärt. Er hat eher Angst seinen Job zu verlieren, wenn er mit mir spricht.
Kurze Zeit später legt die Yacht an, rund 30 Leute steigen aus, die meisten tragen teure Designermarken, Bedienstete der wohlhabenden Yachtbesitzer schleppen die Koffer über die schmale Treppe des Bootes direkt ins Auto. Fast still und heimlich fahren sie weg, unter den Augen von Jorgos, der in seinem Lkw wartet. Für ihn ist die Sache klar:
"Siehst du, die ganzen Schiffe sind von Griechen. Das da fährt aber unter US-Flagge, oder dieses hier, das Boot Tiamo, die Nummer 105: Brasilien. Gehört aber einem Griechen. Da zahlt er weniger Steuern, hier sind es vielleicht 40 Prozent und dann wechselt er einfach die Flagge und fährt davon."
"Die da auf den Schiffen"
Ein weiteres Boot kommt an, dieses Mal nur knapp 15 Meter lang. Ein Mann mit Polohemd steigt zusammen mit Frau und Kind aus. Er ist der einzige, der spricht. Kurz, im Vorbeigehen. Schön war es auf der Insel "Aegina" heute und unzufrieden ist er mit der jetzigen Regierung. Er findet: Sie ist für die Verunsicherung im Land verantwortlich.
Ein idyllischer Anblick: Schnelle, teure Boote in Reih und Glied am Athener Hafen.
Ein idyllischer Anblick: Schnelle, teure Boote in Reih und Glied am Athener Hafen.© Deutschlandradio / Panajotis Gavrilis
Den Blick aufs Meer mit schwimmenden Luxusimmobilien direkt vor der Nase genießt auch Maria mit ihren zwei Freundinnen. Sie lachen und sind sich einig: So ein Leben wie "die da auf den Schiffen" wollen sie um keinen Preis. Leisten kann sich das hier eh niemand, auch die meisten der vorbeiflanierenden Menschen nicht.
"Um das alles beneide ich sie überhaupt nicht. Sie verstecken doch alles und sie kennen nur diese schönen Reisen, dieses Luxusleben. Das einfache Leben aber, das kennen sie nicht."
20 Minuten mit dem Auto entfernt, fernab von Yachtidylle und Meerpromenade dringt der Geruch von kiloweise totem Fisch durch die Nase, hunderte kleine Sardellen werden mit Wasser nassgespritzt, damit sie beim Verkauf in den Styroporboxen frischer glänzen. Auch die Haut des Fischverkäufers Vasilis Simos glänzt, allerdings vor Schweiß, denn unter dem Dach des Athener Fischmarkts ist es schwül.
Vasilis hat seine Haare zum Zopf gebunden, trägt Gummistiefel, um nicht auf dem glitschigen Boden auszurutschen. Von den rund 100 Verkäufern ist er mit 25 Jahren einer der jüngsten und verbringt jeden Tag 12 Stunden hier.
"Ich arbeite hart und wenn ich das mit den anderen in meinem Alter vergleiche, bei denen ist es noch viel schlimmer, weil sie z.B. als Kassierer wie Sklaven behandelt werden. Alles total schwierig."
Schwitzen auf dem Fischmarkt
Hier kaufen die einfachen Leute ein. Eine ältere Frau ganz in Schwarz gekleidet mit gebückter Haltung schielt auf ein handgroßes blutiges Filet-Stück, doch es ist zu teuer für sie.
"Es gibt kein Geld, die Menschen hungern. Geld brauchen wir. Jeden Tag erlebe ich die Armut der Menschen, zusammen mit meiner eigenen."
Harte Arbeit für ein geringes Einkommen einerseits, eine Marina voll teurer Yachten andererseits – gibt es in Athen denn nichts dazwischen? Doch, das gibt es. Zum Beispiel im Stadtteil Chalandri.
Jugendliche fahren Skateboard, Kinder turnen unter den Augen ihrer Eltern auf dem Spielplatz herum, in der Kirche nebenan geben sich welche das Ja-Wort. Auf einer Parkbank unter einem Pinienbaum sitzt Eleni, die bei der griechischen Nationalbank Bankerin war und jetzt als freie Übersetzerin arbeitet.
"Uns, dem Mittelstand, zu dem ich auch gehöre, geht es noch gut. Aber wir leben in einer permanenten Unruhe und haben Angst, dass alles einstürzt."
Zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn wohnt sie beschaulich in einer abbezahlten 120 Quadratmeter-Eigentumswohnung. In Chalandri scheint die Welt ein Stück weit noch in Ordnung zu sein, zumindest von außen betrachtet. Doch nicht nur Eleni fragt sich, ob und wie lange noch.
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