Niklas Maak: Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner
Carl Hanser Verlag, München 2016
256 Seiten, 20 Euro
Wohnen ist Leben
Was hat ein Haus mit seinem Erbauer oder Besitzer zu tun? Eine Menge, wie der Architekturkritiker Niklas Maak mit seinem "Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner" beweist. Zum Beispiel im Fall einer protzigen Strandvilla und eines Anlagebetrügers.
"Fallingwater", das berühmte Haus von Frank Lloyd Wright, kennt jeder Architekturinteressierte. So wie auch Mies van der Rohes Villa Tugendhat. Doch die Kugel- und Kuppelbauten von Antti Lovag und Dante Bini oder die Strandvilla des Anwalts und Finanzbetrügers Marc Dreier, die sind nahezu unbekannt. Sie wurden von der Architekturgeschichte übersehen oder fanden keine Erwähnung, weil sie zu bizarr sind, als missglückt gelten oder nie fertig gestellt wurden.
Dass es sich dennoch lohnt, ihre Geschichte zu erzählen, zeigt der "Atlas der seltsamen Häuser und ihrer Bewohner". Darin versammelt der Journalist und Architekturkritiker Niklas Maak fünfzehn Bauten aus aller Welt - von der Villa bis zur Hütte - , die bei aller Unterschiedlichkeit eines gemeinsam haben: die äußerst originelle Lebensgeschichte ihrer Erbauer oder Besitzer.
Keine klassische Architekturgeschichte
Maak verwebt in seinen Einzelstudien, die zwischen zehn und zwanzig Seiten lang sind und zum Teil bereits in der FAZ abgedruckt wurden, jeweils eine Biografie mit einem Hausporträt. Nicht selten stehlen dabei die Menschen den Bauten die Schau. Wer also eine klassische Architekturgeschichte mit Bildern und Konstruktionsbeschreibungen erwartet, ist auf dem Holzweg.
So wird etwa die Strandvilla Marc Dreiers nur mit wenigen Sätzen umrissen, das sagenhafte Finanzgebaren und der Absturz des Anlagebetrügers jedoch ausführlich beschrieben. Erst gegen Ende wird deutlich, dass das eine mit dem anderen zu tun haben könnte: Wenn Maak diagnostiziert, dass es in der hochspekulativen Finanzwelt Dreiers genau diesen Protzbau brauchte, um den eigenen Erfolg nach außen sichtbar zu machen - die Villa wird zum Sinnbild eines Geschäftsmodells.
Ansteckende Faszination für ungewöhnliche Biografien
Geradezu poetisch erscheint die Geschichte eines unscheinbaren Hauses bei Bordeaux. Eine vor Jahrzehnten abgeschickte Postkarte, die der Journalist auf einem Flohmarkt kauft, lässt ihn so lange über die Absenderin und ihre Nachricht grübeln, dass er die Adressatin ausfindig machen will. Stattdessen lernt Maak die alte Hausbesitzerin kennen - mitsamt ihrer japanischen Urenkelin. Die Architektur wird hier zur Nebensache.
Anders ist das bei den Häusern, die der Autor als zu Unrecht für vergessen hält. Die Betonkugelbauten Dante Binis, in denen sich der Regisseur Michelangelo Antonioni mit seiner Geliebten Monica Vitti vergnügte oder die Kugelsphären Antti Lovags beschreibt er in allen Einzelheiten. Hier gelingen Maak außerordentlich schöne Häuserporträts. Wenn er Lovags Vision einer Kugelwelt (an der dieser über 40 Jahre baute) als "Glamrock-Version einer utopischen Kommune" beschreibt, würde man am liebsten sofort aufbrechen, um die mittlerweile zum nationalen Kulturerbe Frankreichs erklärte "Zukunftslandschaft" mit eigenen Augen zu sehen.
Ein Architekturatlas, wie der Titel behauptet, ist diese rein subjektiv zusammengestellte Häuserschau nicht. Auch sind nicht alle Geschichten gleich interessant. Dass man das Buch dennoch gerne liest, liegt an Maaks Fabulierkunst und seiner ansteckenden Faszination für ungewöhnliche Biografien.