Kein großer Durchbruch bei der atomaren Sicherheit
Ihr Nuklearmaterial besser überwachen und es weiter verringern - das vereinbarten die Teilnehmer des Atomgipfels in Den Haag. Doch es bleibt noch viel zu tun, um waffenfähiges Material vor Kriminellen und Terroristen zu schützen.
Die 53 Teilnehmer-Staaten des Gipfeltreffens zur Atomsicherheit in Den Haag haben sich zu einer besseren Überwachung ihres hoch angereicherten Urans und Plutoniums bekannt. In der Abschlusserklärung des zweitägigen Gipfels am Dienstag betonten alle Teilnehmerstaaten, weiter an der Sicherung ihrer Uran- und Plutoniumbestände arbeiten zu wollen. Außerdem vereinbarten sie, ihre Bestände dieser Materialien zu verringern.
Der große Durchbruch gelang allerdings nicht: Nur 35 Staaten, darunter alle EU-Länder sowie Kanada und Israel, verpflichteten sich dazu, internationale Richtlinien auch in nationalen Gesetzen festzuschreiben. Das erklärten die drei Initiatoren - die USA, die Niederlande und Südkorea. Obwohl sich nicht alle Teilnehmer-Staaten dazu verpflichteten, werteten Experten dies als wichtigen Schritt. Dennoch forderten sie eine breitere Beteiligung. "Wir müssen den Rest der Gipfelteilnehmer dazu bringen, sich anzuschließen, besonders Russland", sagte Miles Pomper vom James Martin Center for Nonproliferation Studies. Neben Russland weigerten sich auch die Atommächte China, Indien und Pakistan, sich an der Initiative zu beteiligen.
Die 35 Staaten sind außerdem dazu bereit, die Sicherheitsstandards ihrer Atomprogramme von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) überprüfen lassen. Durch diese Initiative soll letztlich ein internationales Regelwerk geschaffen werden, um Diebstahl von Nuklearmaterial durch Terroristen und Kriminelle zu verhindern.
"Entscheidend für die Sicherheit der ganzen Welt"
Seit dem ersten derartigen Treffen 2010 sei viel erreicht worden, betonte US-Präsident Barack Obama zum Abschluss des diesjährigen Atomgipfels: 12 Staaten und 2000 nukleare Einrichtungen hätten vollständig auf den Besitz von hoch angereichertem Uran und Plutonium verzichtet. So ist die Zahl der Staaten, die genügend Nuklearmaterial für eine Atombombe haben, von 39 auf 25 gefallen. Zudem hätten Dutzende von Staaten die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt. Besonders lobte Obama, die Zusagen von Japan, Italien und Belgien zur Verringerung ihres Atommaterials, die sie auf dem Gipfel gemacht hatten.
Trotzdem solle die internationale Gemeinschaft weiter am Schutz von Nuklearmaterial vor Terroristen und Kriminellen arbeiten, forderte Obama. "Es ist wichtig, nicht nachzulassen, sondern unsere Anstrengungen in den kommenden zwei Jahren noch zu verstärken", so Obama. Alles Nuklearmaterial müsse vollkommen gesichert werden. "Das ist entscheidend für die Sicherheit der gesamten Welt."
2016 will Obama in Chicago einen weiteren Atomgipfel abhalten. Dann solle auch entschieden werden, ob die Arbeit an der Sicherheit von Nuklearmaterial vor allem der UN-Atombehörde IAEA übertragen werde.
Angst vor einer "schmutzigen Bombe"
Die Atomgipfel haben das Ziel, besonders in der Industrie oder in Krankenhäusern genutztes Atommaterial besser zu sichern, damit dies etwa nicht Terroristen für den Bau einer so genannten schmutzigen Bombe in die Hände fällt. Bei dieser Art von Waffe wird einem herkömmlichen Sprengsatz Nuklearmaterial beigemischt. Dass die Angst davor durchaus auf realen Ereignissen basiert, machte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte in seiner Eröffnungsrede deutlich, wie Jörg Münchenberg aus Den Haag berichtet. Immerhin seien derzeit noch rund 2000 Tonnen atomwaffenfähiges Material im Umlauf, erklärte Rutte.
Die Atomgipfel gehen auf eine Initiative von Barack Obama im Jahr 2009 zurück, als er die Sicherung von Nuklearmaterial in einer Rede auf die internationale Agenda hob. Es folgten Treffen 2010 in Washington und 2012 in Seoul. Mehrere Länder haben seither radioaktives Material an die USA oder Russland abgegeben, darunter auch die Ukraine. Zudem hat Japan angekündigt, knapp 300 Kilogramm waffenfähiges Plutonium an die USA abzutreten.
Allerdings warnte der frühere US-Botschafter bei der internationalen Atomenergiebehörde, Kenneth Brill, dass es mehr als 100 Fälle pro Jahr gebe, bei denen nukleares Material geklaut werde oder einfach verschwinde. Entsprechend nüchtern fiel das Urteil der Kanzlerin aus: Von der "Vision des amerikanischen Präsidenten, dass es gar keine nuklearen Gefahren mehr gibt", sei man "leider noch weit entfernt".
Erster Gipfeltag: Berrschendes Thema Krim-Krise
Der erste Gipfeltag am Montag war von dem Konflikt um die faktische russische Annexion der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Krim überschattet worden. Die Staatschefs der sieben wichtigsten westlichen Industrienationen (G7) trafen sich deswegen am Rande zu einem Sondertreffen. Dabei beschlossen sie, das G8-Format - also G7 plus Russland - bis auf Weiteres auszusetzen. Außerdem wird der für Anfang Juni geplante G8-Gipfel in Sotschi unter russischer Führung nicht stattfinden. Stattdessen soll es ein G7-Treffen in Brüssel geben.
abr