Atomausstieg
Kunsthistoriker diskutieren darüber, ob Atomkraftwerke in Deutschland unter Denkmalschutz gestellt werden sollten. © picture alliance / dpa / David Ebener
Kühltürme von Atomkraftwerken als Denkmäler?
Die ersten Kernkraftwerke sind bereits abgerissen. Doch manche Anwohner und auch Kulturhistoriker hadern damit, die Spuren der Kernkraft aus Deutschland zu entfernen. Sollten einige Meiler als Denkmäler erhalten bleiben?
Im April 2023 endete in Deutschland die Ära der Atomenergie. Die drei letzten Kernkraftwerke Emsland A, Isar 2, Neckarwestheim 2 gingen vom Stromnetz. Die Politik hatte den Ausstieg aus der Atomenergie nach der verheerenden Nuklearkatastrophe in Fukushima 2011 beschlossen – und damit auch den langwierigen Prozess des Rückbaus der Anlagen.
Einige Kühltürme wurden bereits gesprengt, doch es gibt auch Stimmen, die den Erhalt von Kraftwerksgebäuden fordern. Denn diese seien wertvolle Denkmäler und Landschaftsmarken und sollten anderweitig genutzt werden.
Die radioaktiven Altlasten werden weit über den Rückbau noch unzählige Generationen beschäftigen. Das nukleare Erbe bleibt, sollten die sichtbaren Bauten komplett verschwinden?
Inhalt
Welche AKW stehen noch, welche sind schon abgerissen?
An drei der 36 Kraftwerkstandorte in Deutschland hat sich der Ausstieg aus der Atomenergie soweit verwirklicht. Die Atomkraftwerke in Niederaichbach, Großwelzheim und Kahl wurden komplett abgerissen und an deren Stelle sind grüne Wiesen zurückgekehrt. In Bayern standen über 40 Jahre die zwei Kühltürme des Atomkraftwerks Grafenrheinfeld, im August 2024 wurden sie gesprengt. Knapp zwei Jahre zuvor waren die Türme des AKW im baden-württembergischen Philippsburg auf gleiche Weise zum Einsturz gebracht worden.
Der Rückbau aller Standorte wird mehrere Jahrzehnte Zeit in Anspruch nehmen – der strahlende Müll hingegen noch einige 100.000 Jahre erhalten bleiben. Verantwortlich für den Abriss sind die jeweiligen Betreiber, der Bund trägt hingegen die Kosten für die Endlagerung des radioaktiven Mülls. Der Betreiber Vattenfall rechnet beispielsweise für den Rückbau vom Kernkraftwerk Brunsbüttel in Schleswig-Holstein mit Kosten von einer Milliarde Euro.
Warum drängen manche auf schnelle Abrisse der AKW?
Dem Landrat im bayerischen Grafenrheinfeld Florian Töpper war es ein wichtiges Anliegen, dass die Kühltürme des AKW Grafenrheinfeld schon im August 2024 gefallen sind, zehn Jahre früher als ursprünglich geplant. Für ihn und andere Kommunalpolitiker vor Ort symbolisiert das Verschwinden der Bauten die Energiewende.
Wer möchte die AKW-Gebäude erhalten und warum?
Menschen, die im Umfeld von Atomkraftwerken leben, verbinden mit diesen markanten Landmarken oft Erinnerungen und sogar Heimatgefühle – waren die Kühltürme bei der Rückreise aus dem Urlaub zu sehen, wussten sie: Nun sind sie bald wieder zu Hause.
„Ich habe jetzt alles erlebt, vom Bau bis zum Ende, und das macht auch ein bisschen traurig, denn das war eine Orientierung in der Gegend, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs war. Da habe ich gewusst, in die Richtung muss ich fahren, dann komme ich heim.“
Auch die Kunsthistorikerin Sigrid Brandt sieht die Bedeutung der AKW als architektonische Landmarke in zumeist dünn besiedelten Gegenden als ein Argument für den Erhalt. Außerdem stünden die Bauwerke für Technikgeschichte sowie für Hoffnungen auf Energiesicherheit und die friedliche Nutzung von Atomenergie. Aber ebenso stehen sie für die Bewegung und Proteste gegen die Nutzung von Atomkraft.
Sollte man AKW also zu Denkmälern machen? Der Weg dahin sei nicht leicht, sagt Brandt. Denn die Bauten eines AKW müssen aufgrund der radioaktiven Kontamination massiv entkernt werden. Von der Technikgeschichte bleibe dann zur Anschauung relativ wenig übrig.
Welche Atomkraftwerke könnten stehen bleiben?
Zudem gestaltet sich die Diskussion darüber, welches der verbliebenen 33 Atomkraftwerke als Denkmal erhalten werden könnte, schwierig – denn Denkmalschutz ist Ländersache. Die Denkmalsexpertin Brandt schlägt vor, dass sich auf Bundesebene zusammengesetzt werden sollte, um festzustellen, welche Standorte sich besonders gut zum Erhalt eignen könnten.
Ein Blick ins benachbarte Frankreich zeigt, wie ein Umgang aussehen kann: Frankreich hat in Chinon einen stillgelegten Reaktor in ein Museum verwandelt und bewahrt somit ein Stück nukleare Geschichte.
Auch in Deutschland ist ein Kraftwerksbau bereits alternativ genutzt: der sogenannte Schnelle Brüter von Kalkar. Das Kraftwerk wurde 1985 fertiggestellt – ging aber nach einer Debatte um die Sicherheit des Reaktors nie in Betrieb. Heute ist Kalkar ein Vergnügungspark. Die bemalten Kühltürme wurden zu Kletterwänden.
cp, pto