Atomenergie

Schwierige Abwägungen in der Klimapolitik

07:27 Minuten
Das tschechische Atomkraftwerk von innen mit einem Arbeiter, der Schutzkleidung trägt.
Tschechien setzt weiter auf Atomkraft, auch im Kraftwerk Dukovany rund 170 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. © Imago / CTK Photo / Lubos Pavlicek
Yasmine M'Barek im Gespräch mit Korbinian Frenzel |
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Die "Zeit"-Journalistin Yasmine M'Barek begrüßt, dass angesichts der Klimakrise auch über Atomkraft als Überbrückungstechnologie wieder debattiert wird. Sie spricht sich hingegen klar gegen Fracking als Alternative aus.
Angesichts des Klimawandels und der Sorge um das Ausbleiben der bisherigen russischen Gasversorgung melden sich immer mehr Stimmen zu Wort, die vorübergehend wieder auf Atomkraft setzen wollen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will eine Rückkehr zur Kernkraft nicht auszuschließen. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spricht sich für eine befristete Verlängerung der Atomkraft in Deutschland als Sicherheitsreserve aus.

Freude über die Atom-Debatte

Die "Zeit"-Journalistin Yasmine M'Barek hat schon vor dem Ukraine-Krieg in ihrem Buch "Radikale Kompromisse" über diese Frage nachgedacht. Sie findet aber, dass Söder und Lindner das ganz falsch aufrollen, denn sie forderten Dinge, die mit Blick auf den Preis und die Verfahren real nicht möglich seien. Es sei aber durchaus eine clevere Idee, die drei deutschen AKWs weiterlaufen zu lassen, die bisher rund sechs Prozent des Stroms abdeckten, sagt M'Barek.
Sie freue sich über die Debatte und dass die EU derzeit versuche, Klima versus Atom abzuwägen, so die Journalistin. "Aber in der deutschen Debatte ist es leider wieder völlig schief." M'Barek verwies auf eine Studie der Prüfstelle TÜV, die bestätige, dass die deutschen Kraftwerke einen sehr hohen Sicherheitsstandard hätten. Außerdem befänden sie sich nicht an Orten, die beispielsweise durch Tsunamis oder Erdbeben akut gefährdet seien. "Wir sprechen hier von einer Sicherheitslage, die viel, viel sicherer ist als teilweise im Ausland."

Hohe Kosten der Klimapolitik

Es sei zwar teuer, Atomkraftwerke weiter laufen zu lassen, räumt die Autorin ein. "Aber es geht hier gerade um Versorgungssicherheit." Da müsse man abwägen. Den Vorschlag der FDP, auch Fracking in Betracht zu ziehen, lehnt M'Barek ab. "Da kommen ganz viele Vorschläge wieder hoch, die super klimaschädlich sind."
Wegen der hohen Kosten gegen Atomkraft zu argumentieren, sei ein "grünes Argument aus den 70-ern", kritisiert sie. "Es geht gerade nicht darum, ob etwas teuer wird oder nicht", sagt die Autorin. In dieser Lage werde alles klimapolitisch und finanziell viel kosten.

Kritik an Merkels Atomausstieg

Bis heute verstehe sie nicht, wie die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Physikerin nach dem Reaktorunfall im japanischen Fukushima den Hebel so umgelegt habe, so M'Barek. Es habe dort offensichtliche Wartungsfehler des Betreibers gegeben. "Wir haben hier kein Atomkraftwerk direkt an der Ostsee mit Tsunami-Gefahr stehen", weist die Journalistin mögliche Vergleiche zurück. Merkels Atomausstieg koste Deutschland jetzt klimapolitisch sehr viel mehr als laufende Atomkraftwerke, ist ihre These. Das Problem sei, dass die Politik unter der Großen Koalition nur krisenorientiert agiert habe und nicht vorausschauend gewesen sei.
"Atomkraft ist definitiv nicht das Goldene", so M'Barek. "Es ist eine Überbrückungstechnik, die in der EU definitiv eine große Rolle spielt, mit der man realpolitisch umgehen muss." Sie sei auch dafür, dass in 70 Jahren in Deutschland kein Atomkraftwerk mehr stehe. "Dass es klimapolitisch Alternativen gibt, die viel sicherer sind, keine Frage", so die Autorin. "Dass der Atommüll weg muss, keine Frage."
Aber aktuell habe man es mit einer Situation zu tun, die zeige, dass im Ausland, ob nun in den USA, in Japan oder China, immer mehr AKWs gebaut würden. "Das ist etwas, mit dem wir umgehen müssen."
(gem)

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