Matthias Küntzel, geboren 1955, ist Politikwissenschaftler, Pädagoge und Publizist in Hamburg.
Sein Buch: "Die Deutschen und der Iran. Geschichte und Gegenwart einer verhängnisvollen Freundschaft" erschien 2009 im wjs-Verlag, Berlin.
Er schreibt zu politischen Themen auf der Internetseite: www.matthiaskuentzel.de
Zweieinhalb Minuten vor Zwölf
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Atomkrieg ausbrechen könnte, sei so groß wie lange nicht mehr, warnen Experten. Wirtschaftsinteressen über Sicherheitsinteressen zu stellen, käme deshalb einem Selbstmord gleich, so der Publizist Matthias Küntzel.
Seit 70 Jahren veröffentlicht das "Bulletin of the Atomic Scientists" alljährlich eine Weltuntergangsuhr, die anzeigt, wie nah die Welt am nuklearen Abgrund steht. Für 2017 rückte das zuständige Expertengremium, dem 17 Nobelpreisträger angehören, den Zeiger dieser Uhr auf zweieinhalb Minuten vor Zwölf – die bedrohlichste Einstellung seit 1953.
Ist dieser Pessimismus seriös? Seit der Kuba Krise waren konkrete Atomkriege allenfalls Spielszenarien für Generalstäbe und Filmregisseure – fernab jeder Realität. Spätesten seit den 90er-Jahren erschien es undenkbar, dass jemand auf die Idee kommen könnte, den atomaren Alptraum erneut Wirklichkeit werden zu lassen. Und doch kehrte 2017 die Möglichkeit eines Atomkriegs mit voller Wucht zurück.
Ist dieser Pessimismus seriös? Seit der Kuba Krise waren konkrete Atomkriege allenfalls Spielszenarien für Generalstäbe und Filmregisseure – fernab jeder Realität. Spätesten seit den 90er-Jahren erschien es undenkbar, dass jemand auf die Idee kommen könnte, den atomaren Alptraum erneut Wirklichkeit werden zu lassen. Und doch kehrte 2017 die Möglichkeit eines Atomkriegs mit voller Wucht zurück.
2017 erscheint ein Atomkrieg wieder möglich
So droht Nordkorea mit einem Atomschlag gegen die USA; der amerikanische Kongress fragt sich, wie ein launenhafter Präsident am Einsatz von Atomwaffen gehindert werden kann; Wladimir Putin befiehlt anlässlich einer Militärübung höchstpersönlich den Abschuss nuklear bestückbarer Interkontinentalraketen, während Teheran mit seiner Vernichtungsdrohung gegen das atomar bewaffnete Israel ohnehin mit dem nuklearen Feuer spielt.
Die Tatsache, dass wir den Kalten Krieg ohne nuklearen Schlagabtausch überlebten, schuf ein Gefühl trügerischer Sicherheit. Was eine einzige Atombombe zu bewirken vermag, geriet in Vergessenheit – dass sie erstens Temperaturen von bis zu 14 Millionen Grad Celsius und zweitens eine gewaltige Druckwelle erzeugt, sowie drittens eine radioaktive Strahlung, die Lebewesen auch noch in großen Entfernungen und nach mehreren Jahrzehnten sterben lässt. Mit dem einen Kilogramm Waffenuran, das 1945 über Hiroshima explodierte, wurden schlagartig 90.000 Menschen getötet; weitere 50.000 starben später aufgrund der radioaktiven Strahlen.
Die Tatsache, dass wir den Kalten Krieg ohne nuklearen Schlagabtausch überlebten, schuf ein Gefühl trügerischer Sicherheit. Was eine einzige Atombombe zu bewirken vermag, geriet in Vergessenheit – dass sie erstens Temperaturen von bis zu 14 Millionen Grad Celsius und zweitens eine gewaltige Druckwelle erzeugt, sowie drittens eine radioaktive Strahlung, die Lebewesen auch noch in großen Entfernungen und nach mehreren Jahrzehnten sterben lässt. Mit dem einen Kilogramm Waffenuran, das 1945 über Hiroshima explodierte, wurden schlagartig 90.000 Menschen getötet; weitere 50.000 starben später aufgrund der radioaktiven Strahlen.
Papierbeschlüsse bringen wenig
Die Welt hatte diesem Irrsinn mit dem Atomwaffensperrvertrag zwar einen Riegel vorschieben wollen – dieser Vertrag erwies sich jedoch als lückenhaft. Nordkorea wurde 1985 Mitglied im Atomwaffensperrvertrag, nutzte ihn jedoch als Deckmantel, um Atomtechnik einzuführen, die sich auch militärisch nutzen ließ. Von einem bestimmten Zeitpunkt an weigerte sich Pjöngjang, den Kontrolleuren der Wiener Agentur Zugang zu gewähren, gab 2003 seinen Austritt aus dem Sperrvertrag bekannt und führte 2006 seinen ersten Atomwaffentest durch. Auf wiederholte Gesprächsangebote der anderen Mächte reagierte das Land nur vorübergehend und zum Schein.
Dieses Beispiel zeigt, dass sich mit Dialog und Papierbeschlüssen gegen ein Regime, das entschlossen ist, Atommacht zu werden, wenig ausrichten lässt. Stattdessen muss man ihm rechtzeitig den Zugriff auf Bombenrohstoffe und Trägermittel verwehren.
Dieses Beispiel zeigt, dass sich mit Dialog und Papierbeschlüssen gegen ein Regime, das entschlossen ist, Atommacht zu werden, wenig ausrichten lässt. Stattdessen muss man ihm rechtzeitig den Zugriff auf Bombenrohstoffe und Trägermittel verwehren.
Sicherheit ist wichtiger als wirtschaftliche Interessen
Diese Lehre gilt es im Umgang mit Iran, dem nächsten großen Atommacht-Kandidaten, zu beherzigen. Der Atomdeal mit Iran hat die Produktion von Waffenuran und Plutonium zwar um einige Jahre verzögert. Teheran treibt aber entgegen aller UN-Auflagen die Entwicklung nuklearfähiger Mittelstreckenraketen unvermindert voran. Gleichwohl schrecken Bundesregierung und Europäische Union vor neuen Sanktionen zurück; ist man doch an Geschäften mit Teheran interessiert. Wirtschaftliche Interessen über Sicherheitsinteressen zu stellen, kommt in diesem Fall einem Selbstmord auf Raten gleich. Die Machthaber in Teheran folgen einer revolutionären und antisemitischen Vision, die nicht nur Israel, sondern den Westen insgesamt ins Visier genommen hat.
Die Welt verändert sich dramatisch; das Tabu, das Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürfen, bröckelt. Länder wie das stalinistische Nordkorea und der islamistische Iran sind unberechenbar. Werden beide über kurz oder lang über Atomwaffen verfügen? Es liegt nicht zuletzt an Berlin, ob der Minutenzeiger der Weltuntergangsuhr im kommenden Jahr noch näher an die Zwölf rücken wird, oder nicht.
Die Welt verändert sich dramatisch; das Tabu, das Atomwaffen nie wieder eingesetzt werden dürfen, bröckelt. Länder wie das stalinistische Nordkorea und der islamistische Iran sind unberechenbar. Werden beide über kurz oder lang über Atomwaffen verfügen? Es liegt nicht zuletzt an Berlin, ob der Minutenzeiger der Weltuntergangsuhr im kommenden Jahr noch näher an die Zwölf rücken wird, oder nicht.