Atommüll-Endlagersuche: "Die Zeit drängt"
Im Streit über die Endlagersuche für hoch radioaktiven Atommüll plädiert die Politikwissenschaftlerin Patrizia Nanz für mehr Bürgerbeteiligung. Um einen möglichst großen gesellschaftlichen Konsens zu erzielen, schlägt sie vor, einen Zukunftsrat zu bilden.
Ute Welty: Neues Jahr, neue "Ortszeit", nämlich die vom 2. Januar. Aber ein paar Probleme bleiben die alten. Und da wir uns an dieser Stelle nicht mit Kleinigkeiten abgeben wollen, schauen wir auf eines der größten, und das ist die Frage nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll. Ein solches gibt es auf der ganzen Welt nicht und die Suche in Deutschland gestaltet sich bekanntermaßen auch äußerst schwierig.
Wie das Vorhaben trotzdem gelingen kann, das bespreche ich jetzt mit Patrizia Nanz, Professorin für politische Theorie an der Universität Bremen. Denn die Suche nach einem Endlager ist nicht vor allem eine technische oder geologische Frage, sondern eine gesellschaftliche. Guten Morgen, Frau Nanz!
Patrizia Nanz: Guten Morgen!
Welty: Ihr Zauberwort, das das Problem mit der Endlagersuche löst, heißt Zukunftsrat. Was kann dieses Gremium leisten, was alle anderen bisher nicht haben leisten können?
Nanz: Ja, ob das eine Zauberformel ist, weiß ich nicht. Die Idee ist, dass wir auf jeden Fall für die Endlagersuche viel Common Sense brauchen und dass eigentlich alle Parteien sich im Augenblick dem Problem verweigern und eigentlich sich das Problem vom Hals halten wollen und damit auch nicht weiterkommen, dass auch in der Bevölkerung es einfach große Widerstände gibt, dass das Vertrauen in die politischen Eliten einfach vollständig erschüttert ist und auch wissenschaftliche Autorität eigentlich nicht mehr anerkannt wird.
Und so kamen wir eigentlich auf die Idee, dass Bürgerbeteiligung zwar eine schwierige Ausgangsposition hätte bei der Frage, weil eben die Parteien und eben die verschiedenen Lager so zerstritten sind, aber dass man es auf jeden Fall versuchen sollte, auf verschieden Ebenen eine Konzeption durchzuführen, wo ein möglichst großer gesellschaftlicher Konsens dahinterstehen könnte am Ende.
Welty: Wie muss ich mir vorstellen, dass dieser Zukunftsrat arbeitet?
Nanz: Also, es geht zunächst darum, dass ein solcher Zukunftsrat – es muss ja neu konzipiert werden - auf jeden Fall nach demokratischen Kriterien konzipiert wird. Das heißt zum Beispiel, dass die beteiligten Bürger per Zufallsverfahren und nach soziodemografischen Kriterien wie Alter, Geschlecht und Bildung sich so zusammensetzen, dass sie ungefähr den Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Das ist eines der Kriterien, die man ansetzen könnte. Dann geht es eben auch darum, wie zum Beispiel auf der nationalen Ebene eine Ratsversammlung rückgekoppelt wird, mit den lokalen Gremien, die sozusagen diskutieren, ob ein Standort vorstellbar wäre oder nicht. Die Ratsversammlung auf der nationalen Ebene würde dann versuchen, die Ergebnisse dieser einzelnen lokalen Gremien zu bündeln und zu bewerten.
Welty: Die Zeit drängt ja, die Europäische Union hat eine Frist gesetzt bis 2015, bis dahin muss eine Lösung her. Wie passt das zusammen mit dem Erkundungsstopp für Gorleben, den Umweltminister Altmaier bis zur Bundestagswahl erlassen hat?
Nanz: Ja, die Zeit drängt in der Tat und bis 2015 wird es wirklich sehr schwierig sein, dass wir das alles hinbekommen in Deutschland. Es ist wirklich so, dass jetzt der Umweltminister Altmaier das Ganze noch mal verschoben hat, nach der Niedersachsen-Wahl möchte er anfangen, den Konsens zwischen den Parteien wieder auf den Weg zu bringen, also zwischen ...
Welty: Die ist am 20. Januar.
Nanz: Genau, und ab Februar bis zur Bundestagswahl soll dann dieser Konsens hergestellt werden. Wie, das ist noch wirklich in den Sternen.
Welty: Hat er Sie noch nicht angerufen?
Nanz: Nein, das wäre jetzt eigentlich an der Zeit. Also, wir haben sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, aber was wirklich zählen würde, wäre, dass Herr Altmaier sich meldet.
Welty: Gorleben, der Salzstock, dann diskutiert man noch über Granit oder Ton und von drei Geologen hört man vier Meinungen. Ist diese Diskussion weniger geologisch denn ideologisch und ist das vielleicht der Webfehler der ganzen Angelegenheit?
Nanz: Ja, man muss sich erst mal vorstellen, um was für Zeiträume es da geht. Wenn wir von Prognosenzeiträumen von einer Million Jahren sprechen, dann kann man sich schnell vorstellen, dass es wirklich absurd ist: So Langzeitsicherheitsnachweis - aus erkenntnistheoretischen Gründen ist es einfach sinnlos. Insofern hat es auf jeden Fall auch ideologische Komponenten, nicht nur rein wissenschaftliche.
Welty: Sie haben es gerade schon angesprochen: Ein Endlager muss so beschaffen sein, dass eine Million Jahre keine Gefahr von ihm ausgeht. Wer kann denn eine solche Garantie geben, ist das überhaupt menschenmöglich?
Nanz: Nein, das ist nicht menschenmöglich. Und insofern zeigt das auch erstens auf der einen Seite die Brisanz des Themas und, dass wir wirklich handeln müssen und es nicht vor uns herschieben können, auf der anderen Seite, dass man eben nicht nur auf Expertenwissen vertrauen kann, weil es bei so einem Zeitraum einfach nicht möglich ist.
Welty: Im Laufe des Monats will der Umweltminister nach Gorleben fahren, es dürfte für ihn wie für seine Vorgänger ein heikler Termin werden, denn niemand will natürlich ein Endlager in seinem Vorgarten oder Hinterhof. Aber irgendwen wird es am Ende ja treffen. Wie müsste eine entsprechende Überzeugungsarbeit bei den Menschen aussehen?
Nanz: Ja, das ist eine gute Frage. Es gab gerade eine Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach im Auftrag des Deutschen Atomforums, wo 40 Prozent der Bundesbürger gesagt haben, dass, wenn ein Atomendlager in ihrer Nähe sich befinden würde oder sozusagen dann da entstehen würde, dass sie sich zur Wehr setzen würden und dass sie demonstrieren würden. Das heißt, der Widerstand ist in der Tat sehr, sehr groß.
Es geht eigentlich um eine Verteilung, um eine möglichst gerechte, weil, es wird nie gerecht sein bis auf den letzten, wie soll ich sagen, bis auf das letzte Komma. Aber es geht eigentlich um eine Lastenverteilung, und wie eben so etwas aussehen kann, das muss ausgehandelt werden. Deswegen könnte man sich vorstellen, dass es eben lokale Gremien sind an den Standorten, die infrage kommen, die das sozusagen für sich einfach besprechen und wie ein Standort dann sozusagen langfristiger Lebensqualität haben könnte.
Welty: Haben Sie denn Hoffnung, dass sich dieser geforderte Kommunikationsprozess in Gang setzt?
Nanz: Die Frage ist, wer sich jetzt wirklich dahinterklemmt. Von den Parteien ist es natürlich auch ein undankbares Thema, sich jetzt nach vorne zu preschen, gerade im Bundestagswahlkampf. Es könnte eigentlich nur von den Umweltministern der Länder kommen oder eben von Umweltminister Altmaier selber, oder zum Beispiel, dass ein Schirmherr wie Bundespräsident Gauck sich dem Thema annimmt, der einfach überparteilich das Ganze betrachtet.
Welty: Ein Zukunftsrat wäre von Vorteil bei der Endlagersuche, das sagt Patrizia Nanz, Professorin für politische Theorie an der Universität Bremen im Interview der "Ortszeit", das wir aufgezeichnet haben und für das ich herzlich danke!
Nanz: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wie das Vorhaben trotzdem gelingen kann, das bespreche ich jetzt mit Patrizia Nanz, Professorin für politische Theorie an der Universität Bremen. Denn die Suche nach einem Endlager ist nicht vor allem eine technische oder geologische Frage, sondern eine gesellschaftliche. Guten Morgen, Frau Nanz!
Patrizia Nanz: Guten Morgen!
Welty: Ihr Zauberwort, das das Problem mit der Endlagersuche löst, heißt Zukunftsrat. Was kann dieses Gremium leisten, was alle anderen bisher nicht haben leisten können?
Nanz: Ja, ob das eine Zauberformel ist, weiß ich nicht. Die Idee ist, dass wir auf jeden Fall für die Endlagersuche viel Common Sense brauchen und dass eigentlich alle Parteien sich im Augenblick dem Problem verweigern und eigentlich sich das Problem vom Hals halten wollen und damit auch nicht weiterkommen, dass auch in der Bevölkerung es einfach große Widerstände gibt, dass das Vertrauen in die politischen Eliten einfach vollständig erschüttert ist und auch wissenschaftliche Autorität eigentlich nicht mehr anerkannt wird.
Und so kamen wir eigentlich auf die Idee, dass Bürgerbeteiligung zwar eine schwierige Ausgangsposition hätte bei der Frage, weil eben die Parteien und eben die verschiedenen Lager so zerstritten sind, aber dass man es auf jeden Fall versuchen sollte, auf verschieden Ebenen eine Konzeption durchzuführen, wo ein möglichst großer gesellschaftlicher Konsens dahinterstehen könnte am Ende.
Welty: Wie muss ich mir vorstellen, dass dieser Zukunftsrat arbeitet?
Nanz: Also, es geht zunächst darum, dass ein solcher Zukunftsrat – es muss ja neu konzipiert werden - auf jeden Fall nach demokratischen Kriterien konzipiert wird. Das heißt zum Beispiel, dass die beteiligten Bürger per Zufallsverfahren und nach soziodemografischen Kriterien wie Alter, Geschlecht und Bildung sich so zusammensetzen, dass sie ungefähr den Querschnitt der Bevölkerung abbilden. Das ist eines der Kriterien, die man ansetzen könnte. Dann geht es eben auch darum, wie zum Beispiel auf der nationalen Ebene eine Ratsversammlung rückgekoppelt wird, mit den lokalen Gremien, die sozusagen diskutieren, ob ein Standort vorstellbar wäre oder nicht. Die Ratsversammlung auf der nationalen Ebene würde dann versuchen, die Ergebnisse dieser einzelnen lokalen Gremien zu bündeln und zu bewerten.
Welty: Die Zeit drängt ja, die Europäische Union hat eine Frist gesetzt bis 2015, bis dahin muss eine Lösung her. Wie passt das zusammen mit dem Erkundungsstopp für Gorleben, den Umweltminister Altmaier bis zur Bundestagswahl erlassen hat?
Nanz: Ja, die Zeit drängt in der Tat und bis 2015 wird es wirklich sehr schwierig sein, dass wir das alles hinbekommen in Deutschland. Es ist wirklich so, dass jetzt der Umweltminister Altmaier das Ganze noch mal verschoben hat, nach der Niedersachsen-Wahl möchte er anfangen, den Konsens zwischen den Parteien wieder auf den Weg zu bringen, also zwischen ...
Welty: Die ist am 20. Januar.
Nanz: Genau, und ab Februar bis zur Bundestagswahl soll dann dieser Konsens hergestellt werden. Wie, das ist noch wirklich in den Sternen.
Welty: Hat er Sie noch nicht angerufen?
Nanz: Nein, das wäre jetzt eigentlich an der Zeit. Also, wir haben sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, aber was wirklich zählen würde, wäre, dass Herr Altmaier sich meldet.
Welty: Gorleben, der Salzstock, dann diskutiert man noch über Granit oder Ton und von drei Geologen hört man vier Meinungen. Ist diese Diskussion weniger geologisch denn ideologisch und ist das vielleicht der Webfehler der ganzen Angelegenheit?
Nanz: Ja, man muss sich erst mal vorstellen, um was für Zeiträume es da geht. Wenn wir von Prognosenzeiträumen von einer Million Jahren sprechen, dann kann man sich schnell vorstellen, dass es wirklich absurd ist: So Langzeitsicherheitsnachweis - aus erkenntnistheoretischen Gründen ist es einfach sinnlos. Insofern hat es auf jeden Fall auch ideologische Komponenten, nicht nur rein wissenschaftliche.
Welty: Sie haben es gerade schon angesprochen: Ein Endlager muss so beschaffen sein, dass eine Million Jahre keine Gefahr von ihm ausgeht. Wer kann denn eine solche Garantie geben, ist das überhaupt menschenmöglich?
Nanz: Nein, das ist nicht menschenmöglich. Und insofern zeigt das auch erstens auf der einen Seite die Brisanz des Themas und, dass wir wirklich handeln müssen und es nicht vor uns herschieben können, auf der anderen Seite, dass man eben nicht nur auf Expertenwissen vertrauen kann, weil es bei so einem Zeitraum einfach nicht möglich ist.
Welty: Im Laufe des Monats will der Umweltminister nach Gorleben fahren, es dürfte für ihn wie für seine Vorgänger ein heikler Termin werden, denn niemand will natürlich ein Endlager in seinem Vorgarten oder Hinterhof. Aber irgendwen wird es am Ende ja treffen. Wie müsste eine entsprechende Überzeugungsarbeit bei den Menschen aussehen?
Nanz: Ja, das ist eine gute Frage. Es gab gerade eine Meinungsumfrage des Instituts für Demoskopie in Allensbach im Auftrag des Deutschen Atomforums, wo 40 Prozent der Bundesbürger gesagt haben, dass, wenn ein Atomendlager in ihrer Nähe sich befinden würde oder sozusagen dann da entstehen würde, dass sie sich zur Wehr setzen würden und dass sie demonstrieren würden. Das heißt, der Widerstand ist in der Tat sehr, sehr groß.
Es geht eigentlich um eine Verteilung, um eine möglichst gerechte, weil, es wird nie gerecht sein bis auf den letzten, wie soll ich sagen, bis auf das letzte Komma. Aber es geht eigentlich um eine Lastenverteilung, und wie eben so etwas aussehen kann, das muss ausgehandelt werden. Deswegen könnte man sich vorstellen, dass es eben lokale Gremien sind an den Standorten, die infrage kommen, die das sozusagen für sich einfach besprechen und wie ein Standort dann sozusagen langfristiger Lebensqualität haben könnte.
Welty: Haben Sie denn Hoffnung, dass sich dieser geforderte Kommunikationsprozess in Gang setzt?
Nanz: Die Frage ist, wer sich jetzt wirklich dahinterklemmt. Von den Parteien ist es natürlich auch ein undankbares Thema, sich jetzt nach vorne zu preschen, gerade im Bundestagswahlkampf. Es könnte eigentlich nur von den Umweltministern der Länder kommen oder eben von Umweltminister Altmaier selber, oder zum Beispiel, dass ein Schirmherr wie Bundespräsident Gauck sich dem Thema annimmt, der einfach überparteilich das Ganze betrachtet.
Welty: Ein Zukunftsrat wäre von Vorteil bei der Endlagersuche, das sagt Patrizia Nanz, Professorin für politische Theorie an der Universität Bremen im Interview der "Ortszeit", das wir aufgezeichnet haben und für das ich herzlich danke!
Nanz: Danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.