Neuer Castortransport, altes Spiel
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Nach neun Jahren Pause wird wieder Atommüll aus Großbritannien nach Hessen transportiert. Dabei ist trotz der Pandemie mit viel Protest zu rechnen. Und auch die Polizei steht wie immer bereit.
André Hatting: Deutschland steigt ja bekanntlich aus der Atomenergie aus. Was bleibt, ist der Atommüll. Jetzt soll es wieder einen Castortransport mit radioaktivem Material geben – und zwar von Großbritannien nach Hessen. Das ist der erste nach neun Jahren.
Eigentlich war der fürs Frühjahr geplant, das ist dann verschoben worden. Aber heute Vormittag hat das hessische Umweltministerium auf einer Pressekonferenz bestätigt: Ja, das Schiff mit den sechs Atommüllbehältern ist bereits auf dem Weg nach Deutschland.
Nach dieser Schiffsreise werden die Behälter dann auf Eisenbahnwaggons umgeladen. Und dann geht es durch Niedersachsen nach Hessen. Auf das Gelände des stillgelegten Atomkraftwerks Biblis.
Jede Menge Geheimhaltung
Ludger Fittkau ist unser Landeskorrespondent in Hessen und hat die Informationsveranstaltung heute Morgen für uns verfolgt. Wurde gesagt, wann und wo das Schiff mit dem Atommüll anlegt?
Ludger Fittkau: Nein, das wurde explizit nicht gesagt. Aus Sicherheitsgründen. Bestätigt wurde nur: Das Schiff hat mit sechs Castorbehältern den britischen Hafen tatsächlich verlassen. An welchem Seehafen es ankommt, wird geheimgehalten. Die Atomkraftkritiker gehen von Nordenham aus und bereiten dort Aktionen vor. Aber es kann auch woanders sein. Das hat den Grund, dass man Blockaden auf dem Wasser verhindern will.
Hatting: Castortransporte bedeuten immer auch Proteste. Deswegen war ja bereits ein Termin im Frühjahr verschoben worden. Die Polizeigewerkschaften sind auch von dem neuen Termin nicht gerade begeistert. Wie soll die Polizei den Transport mit den angekündigten Protesten coronagemäß sichern?
Fittkau: Das ist nicht einfach, das wurde heute bei dieser Veranstaltung klar. Das war eine Online-Pressekonferenz, wo verschiedene Polizeibeamte aus Niedersachsen und aus Hessen zugeschaltet waren. Virginie Wegner ist die Einsatzleiterin des Landeskriminalamtes in Wiesbaden und wurde dann gefragt, wie das mit der Abwägung von Hygienevorschriften geht. Ihre Antwort war, dass sie im Zweifel das Demonstrationsrecht gewährleisten müssen.
Es könnte aber auf der Strecke vom Hafen aus gerichtliche Verfügungen geben, dass man nur an bestimmten Stellen und mit bestimmten Abständen demonstrieren darf. Man will ja auch verhindern, dass zu viele Polizisten zusammenkommen. Man will auch möglichst keine Sammelunterkünfte anbieten, sondern Einzelzimmer. Das ist also alles sehr kompliziert unter Corona-Bedingungen.
Angst vor beschädigten Castoren
Hatting: Die Umweltschützer sagen: Wenn die Castoren beschädigt sind, also zum Beispiel undicht sind, dann gäbe es keine Möglichkeiten, sie in Biblis zu reparieren. Was sagen denn die Verantwortlichen dazu?
Fittkau: Dazu hat sich heute Burkhard Rosen geäußert. Er ist derjenige, der für eine Bundesgesellschaft, die zum Bundesumweltministerium gehört, die Zwischenlager aufbaut. Er sagt, in Biblis könne man auf eine andere Art reparieren.
Das Problem sei nur: Wenn der Behälter eben nicht dicht verschlossen ist, sondern beim Transport etwas kaputt geht, dann sei eben keine sogenannte heiße Zelle da. Das hatte der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland gefordert und deswegen auch geklagt. Diese Klage ist allerdings abgewiesen worden.
Seehofer besteht auf den Transporten
Hatting: Warum kann der Castor-Transport nicht noch mal verschoben werden, so wie es Niedersachsen will?
Fittkau: Bundesinnenminister Seehofer ist dagegen. Er sagt, wir müssten das durchziehen. Wir hätten noch weitere Transporte. Es kämen noch welche aus La Hague in Frankreich. Wir müssten diesen Atommüll zurücknehmen, und er wolle das jetzt nicht verschieben – trotz Corona.