Friedensforscher Malte Göttsche

Schlechte Zeiten für atomare Abrüstung

06:25 Minuten
Zum Auftakt einer Friedensaktion im März 2018 am Fliegerhorst Büchel haben sich Demonstranten an dem Fliegerhosrt versammelt. Im Vordergrund ein schematisch nachgebaute Rakete. Im Hintergrund stehen Menschen, zum Teil halten sie Friedensymbole wie die Regenbogenfahne.
Demonstration im März 2018 am Fliegerhorst Büchel: Proteste gegen Atomwaffen haben dort eine lange Tradition. Malte Göttsche hält das Anliegen der Aktivisten, deren Protestwoche nun beginnt, auch in Zeiten des Kriegs in der Ukraine nicht für naiv. © picture alliance / dpa / Thomas Frey
Malte Göttsche im Gespräch mit Nicole Dittmer |
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Der Krieg in der Ukraine hat in Deutschland die Möglichkeit eines Atomkriegs wieder bewusst werden lassen, Atomwaffen sind wieder Thema. Der Physiker Malte Göttsche ist gegen mehr nukleare Waffen in Deutschland, er weiß aber, dass sie kommen werden.
In Büchel in Rheinland-Pfalz hat am Dienstag eine Protestwoche gegen Atomwaffen in Deutschland begonnen – in einer Zeit, in der wieder ein Krieg in Europa mit einer Atommacht im Gang ist und in der der russische Präsident und sein Umfeld mehrfach mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht haben.
Malte Göttsche, Juniorprofessor für Nukleare Verifikation und Abrüstung an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen (RWTH), hält den Protest an dem US-Stützpunkt Büchel, auf dem US-Atomwaffen gelagert werden, dennoch nicht für naiv.
Vor einer Woche habe sich in Wien die große Staatengemeinschaft zur ersten Überprüfungskonferenz zum Atomwaffenverbotsvertrag getroffen, sagt der Physiker, "weil die große Mehrheit der Staaten weltweit sich entschieden hat, dass Atomwaffen geächtet werden sollen“. Dies sei auch ein Verdienst einiger der Organisationen, die an der Demonstration an dem US-Standort beteiligt seien.

Gefahr der nuklearen Eskalation

Die NATO setze angesichts des Ukrainekriegs auf Abschreckung und daran sei Deutschland beteiligt – gegebenenfalls würden Bundeswehrpiloten die US-Atomwaffen abwerfen müssen. „Ich halte nukleare Abschreckung für gefährlich – im Übrigen nicht nur in Kriegszeiten, sondern auch in Friedenszeiten, weil es nämlich immer die Gefahr einer nicht intendierten Eskalation hin zu einem Nuklearkrieg gibt", sagt Göttsche. "Insofern finde ich auch weiterhin die Forderung zum Abzug der Atomwaffen aus Deutschland sinnvoll.“
Anders sei es mit der konventionellen Abschreckung:

Da bin ich fest davon überzeugt, dass wir die Karte jetzt ganz massiv spielen müssen gegenüber Putin.

Malte Göttsche

Göttsche ist dabei Realist und räumt ein, dass die Zahl der Atomwaffen in Deutschland gewiss steigen werde und jedenfalls die vorhandenen nicht abgezogen werden: „Es ist in der NATO gerade mit Blick auf die Staaten im Osten Europas nicht durchsetzbar, aus dieser nuklearen Teilhabe auszusteigen.“ Durch den Ukraine-Krieg sei die Gefahr der Nutzung der Atomwaffen wieder in den Diskussionen der breiten Öffentlichkeit angekommen – welche Rolle Atomwaffen haben und welche sie haben sollen.

Rüstungskontrolle leidet an fehlendem Vertrauen

Auch für die Rüstungskontrolle, wie sie Russlands Präsident Putin ins Spiel gebracht hat, sei heute nicht die beste Zeit: "Ich glaube nicht, dass wir in den nächsten Jahren zur erfolgreichen Rüstungskontrolle zurückkehren werden, weil Rüstungskontrolle ein Grundvertrauen in den möglichen Vertragspartner voraussetzt“, sagt Göttsche. Und dieser sei mit Putin nicht gegeben.
Andererseits komme das Konzept der Rüstungskontrolle aus dem Kalten Krieg. „Es ist also nicht nur ein Mittel der Schönwetterpolitik, sondern durchaus auch der harten Machtpolitik“, sagt Göttsche. Es gebe technische Methoden, um solche Verträge der Rüstungskontrolle zu verifizieren. „Diese Verifikation basiert dann etwa auf Inspekteuren, die in die jeweiligen Länder reisen, dort Messungen durchführen, sich die Trägersysteme – also die Raketen oder die Bomber – angucken, um sicherzustellen, dass der Staat sich tatsächlich an seine Verpflichtung hält.“
Aber auch diese Maßnahmen setzten ein Grundvertrauen voraus, sagt Göttsche. Insbesondere während des Krieges könne er sich eine erfolgreiche Rüstungskontrolle nicht vorstellen.
(mfu)

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