Globalisierungskritiker feiern in der Paulskirche
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Ihr 20. Jubiläum feiert die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation Attac mit einer Podiumsdiskussion in der Frankfurter Paulskirche. Manche ärgert das, denn Attac hatte die Kirche im Jahr 2018 besetzt.
Vor anderthalb Jahren besetzte Attac die Paulskirche in Frankfurt am Main. Dabei berief sich die globalisierungskritische Nichtregierungsorganisation in einer "Paulskirchen-Erklärung" auf die Werte des Grundgesetzes. Attac forderte das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Mitbestimmung, den Schutz der Demokratie und die Einhaltung des Sozialstaatsprinzips.
Damals beging Attac Hausfriedensbruch. Heute feiert die Organisation – ganz legal – ihren 20. Geburtstag in der Paulskirche. "Wir freuen uns sehr, dass wir in der Paulskirche feiern", sagt Attac-Pressesprecherin Frauke Distelrath. "Wir halten sie auch für den richtigen Ort. Wobei 'feiern' ja sehr nach Party klingt."
Zivilgesellschaft und Demokratie
Nein, eine Party wolle man heute in der Paulskirche nicht feiern, betont Distelrath. "Wir feiern heute in der Paulskirche mit einer sehr ernsthaften Diskussionsveranstaltung zum Thema shrinking spaces."
Es geht also um sich verengende Spielräume für Zivilgesellschaft, für bürgerschaftliches Engagement, um das Verhältnis von Zivilgesellschaft und Demokratie.
"Letztendlich um die Frage: In welcher Demokratie wollen wir leben? Und wie können wir diese Demokratie stärken? Auch ganz klar gegen Rechts, gegen Rechtsextremisten. Da sind wir auf jeden Fall richtig in der Paulskirche", sagt Distelrath.
Der CDU-Bürgermeister hält nichts von der Feier
Uwe Becker findet das nicht. Der CDU-Bürgermeister und Stadtkämmerer der Main-Metropole kritisiert, dass der SPD-Oberbürgermeister, Peter Feldmann, die Paulskirche für die 20-Jahr-Feier der NGO zur Verfügung gestellt hat.
"Ich glaube nicht, dass der Weg in die Paulskirche über die Hausbesetzung gehen sollte", sagt Becker. "Das Thema, die Diskussion, ist sicherlich richtig und wichtig. Der Ort ist es nicht und eben nicht jetzt für Attac. Wobei es mir da nicht um die inhaltliche Bewertung von Attac geht, sondern egal, welche Gruppe sich einen solchen Zutritt verschafft – sie gehören anschließend nicht mehr zu den Veranstaltern in der Paulskirche."
Doch das Hausrecht hat eben nicht der CDU-Bürgermeister, sondern der SPD-Oberbürgermeister von Frankfurt am Main. Und der wird heute beim zwanzigsten Attac-Geburtstag in der Paulskirche dabei sein.
Attac stand von Anfang an für den Protest gegen eine sozial ungezügelte Globalisierung. Vor allem gegen die Deregulierung der Finanzmärkte und für die Einführung einer internationalen Steuer auf Finanztransaktion. Heute hat Attac nach eigenen Angaben rund 90.000 Mitglieder in 50 Ländern. In Deutschland gibt es rund aktive 170 Regionalgruppen.
Kontrolle der Finanzmärkte
Pressesprecherin Frauke Distelrath: "Das Thema der demokratischen Kontrolle der Finanzmärkte und auch der Schrumpfung der Finanzmärkte ist nach wie vor ein ganz zentrales Thema. Gerade wenn wir uns anschauen - beim Thema Klimawandel, Klimagerechtigkeit - ganz viel von dem, was an CO2- Emissionen entsteht, entsteht hier durch Transporte, unnötige Transporte zwischen Konzernen hin und her. Da hat gar niemand etwas davon. Sondern da geht es nur darum, dass Kapital sozusagen Anlagemöglichkeiten sucht, Profit sucht, weil alles auf ein Wachstum ausgerichtet ist. Und da haben die Finanzmärkte und ganz zentralen Anteil dran."
Zu den prominenten Attac-Unterstützern der ersten Stunde gehörten auch CDU-Sozialpolitiker wie Heiner Geißler. Das weiß auch der Unionspolitiker Uwe Becker, der zugleich der Antisemitismus-Beauftragte des Landes Hessen ist. Kritik an unsozialer Globalisierung hält auch Becker nach wie vor für wichtig:
"Da ist sicherlich vor 20 Jahren Attac eine der Organisationen gewesen, die das sehr früh sehr stark thematisiert hatten. Insofern würde ich nach wie vor der Attac auch eine Bedeutung zumessen." Eine Bedeutung – die Attac heute trotz aller Widerstände in der Paulskirche zeigen kann.