Dämonisierung von Künstlern als "Landesverräter"
"Maulwürfe" und "Landesverräter" – so werden manche israelische Künstler und Intellektuelle beschimpft. Die extremen Rechten stört deren Kritik an der Besatzungspolitik und ihr Engagement für Aussöhnung. Die Sängerin Noa hat sogar Morddrohungen erhalten.
"Ich bin keine Person, die sich vor irgendjemandem oder irgendetwas fürchtet. Ich lasse mich nicht von Angst kontrollieren, auch wenn es Menschen gibt, die permanent daran arbeiten, mich zu ängstigen und mich zum Schweigen zu bringen. Und heute ist es schlimmer als je zuvor. "
Im Gespräch gibt sich Achinoam Nini furchtlos. Obwohl sich die Sängerin in den meisten ihrer Lieder nicht politisch äußert, erklären sie ultra-nationalistische Organisationen wie "Im Tirtzu" zur "Landesverräterin". Denn Noa wagt es, die Politik der israelischen Regierung öffentlich zu kritisieren. Sie wird beschimpft – auf Facebook und im Alltag: Bei ihrer Ankunft am Flughafen von Tel Aviv wurde sie etwa von einer wartenden Gruppe als "Israelhasserin" beschimpft. Das Empfangskomitee drohte, ihr würde dasselbe passieren wie dem Autor Yehonatan Geffen. Rechte Aktivisten waren in dessen Haus eingedrungen und hatten ihn attackiert.
"Die Rechten sind sehr vulgär, sehr brutal, was die Wahl ihrer Worte angeht. Sie sagen furchtbare Dinge auf Facebook, das ist üblich, das passiert täglich. Auf meiner Seite stehen noch viel schlimmere Kommentare. Über den Vorfall am Flughafen war ich nicht überrascht. Es war nicht das erste Mal, dass man mir sowas auch ins Gesicht sagt."
Für die Organisation "Im Tirtzu" ist Noa eine "Verräterin"
Noa beschreibt sich selbst als Zionistin, die sich für die Zukunft Israels engagiere. Doch das gehe nur durch politischen Dialog und mit offener Kritik an der Politik der Regierung von Netanjahu. Für Organisationen wie "Im Tirztu" macht sie das zur Verräterin.
"Im Tirtzu" betreibt auch gegen andere Künstler und Intellektuelle eine Verleumdungskampagne. Auf ihrer Liste mit angeblichen "Verrätern" und "Maulwürfen" finden sich auch prominente Schriftsteller wie Amos Oz und David Grossmann. Ihr angebliches Vergehen: Sie sind gegen die Besatzungspolitik und setzen sich für Aussöhnung ein. Auch Folk-Musikerin Chava Alberstein und der Rapper Quami werden als Maulwürfe verunglimpft.
In "Mechashefot" rappt Quami über die Hexenjagd gegen Linke. Er zählt zu den wenigen israelischen Musiker, deren Songs offen politisch sind. Auch Quami wird regelmäßig auf Facebook beschimpft. Sorgen macht er sich aber um andere:
"Ich gehörte nicht zu denen, auf die alle gewartet haben, die von allen geliebt werden, schon allein wegen meiner Texte. Aber was mich beunruhigt, sind die anderen Künstler, die ihre Meinung zwar laut sagen, aber eben nicht in ihrer Musik. Die Karriere dieser Künstler und deren Arbeit ist in Gefahr."
Einschränkung der Meinungsfreiheit in Israel
Amir Fuchs vom israelischen Demokratie-Institut in Jerusalem beobachtet diese Entwicklung mit Sorge.
"Um in Israel berühmt zu werden – und das wissen Künstler, vor allem Sänger – ist es besser, still zu sein. Das ist ein Problem. Es ist zwar ihr gutes Recht, unpolitisch zu sein. Aber es ist für uns als Gesellschaft ein Problem, wenn wir die Meinungsfreiheit unserer Künstler einschränken. Das ist ein echtes Problem für unsere Demokratie. "
Achinoam Nini stand mit Künstlern wie Sting auf der Bühne, sang gemeinsam mit ihm "Fields of Gold". Sie hat über zehn Alben veröffentlicht und tritt regelmäßig in und außerhalb von Israel auf. Doch sie weiß, dass das nicht allen so geht:
"Künstler fürchten sich, ihre Lebensgrundlage und Teile ihres Publikums zu verlieren. Künstler, die sich dazu in welcher Form auch immer äußern, werden dämonisiert. Für Israel ist das eine Tragödie."
Sängerin Noa: "Ich werde weitermachen"
Noa will sich aber den Mund nicht verbieten lassen. Sie tritt weiter mit arabischen Künstlern auf: mit RAI-Star Khaled, der Band Radiodervish und anderen Künstlern hat die Mutter von drei Kindern Lieder aufgenommen, um für eine gemeinsame friedliche Zukunft zu werben.
"Es ist schwierig, weiterhin die Dinge zu sagen, die ich immer gesagt habe. Aber ich werde weitermachen. Ich bin jetzt sogar noch hartnäckiger, eben weil die Situation so kritisch und gefährlich ist. Und wenn Leute wie ich nicht ihre Stimme erheben, ist alles verloren. Und ich sage das, ohne zu dramatisieren."