Attica Locke: "Pleasantville"

Ausverkauf der Mittelklasse

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Das Cover des Krimis von Attica Locke, "Pleasantville". Es zeigt eine schmutzige US-Flagge, die mit anderen Motiven verschwimmt, darunter Gesichter und Symbole. Das Buch ist auf der Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur.
© Polar

Attica Locke

Übersetzt von Andrea Stumpf

Pleasantville Polar, Stuttgart 2022

452 Seiten

26,00 Euro

Von Sonja Hartl |
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Attica Lockes Krimi "Pleasantville" erzählt von einem politisch brisanten Mord in einem von Schwarzen bewohnten Viertel von Houston - und wirft einen genauen Blick auf die Anfänge der bis heute anhaltenden Spaltung der US-amerikanischen Gesellschaft.
Texas 1996. Axel Hawthorne könnte der erste Schwarze Bürgermeister von Houston werden. Am Wahlabend wartet Alicia Nowell an einer Straßenecke in Pleasantville – und verschwindet. Sie ist die dritte junge Frau innerhalb von zwei Jahren, die plötzlich weg ist. Die anderen Frauen wurden sechs Tage nach ihrem Verschwinden ermordet aufgefunden. Damit bleibt nicht viel Zeit, um Alicia zu finden.

Ein Wahlkampfmanager als Hauptverdächtiger

„Pleasantville“ ist Titel und Handlungsort von Attica Lockes zweitem Kriminalroman mit dem Anwalt Jay Porter, der zuletzt in „Black Water Rising“ einen Ölkonzern nahezu in die Knie gezwungen hatte. Seither sind gut 15 Jahre vergangen. Porter hat sich einen Namen als Anwalt gemacht, der sich auch mit Konzernen anlegt.
Aber seit vor gut einem Jahr seine Frau gestorben ist, ist er ausgebrannt, traurig und müde. Doch Alicia Nowells Verschwinden weckt sein Interesse – zumal die Polizei schnell einen Hauptverdächtigen präsentiert: den Wahlkampfmanager von Hawthorne, Mitglied einer einflussreichen Familie aus Pleasantville.
Attica Locke nimmt sich viel Zeit, die Figuren und ihre Beziehungen zu schildern. Dadurch erfährt man viel über die Geschichte von Pleasantville. Das Viertel ist Ende der 1940er-Jahre entstanden, es war eines der ersten, in denen Schwarze legal ein Haus besitzen durften. Dadurch ist eine Schwarze Mittelschicht entstanden, die es gewohnt ist, sich um die Dinge selbst zu kümmern. Einige Anwohner haben Jay Porter beauftragt, mit einer Chemiefirma zu verhandeln, die das Abwasser verschmutzt. Auch er ist verwoben mit und in dieser Gemeinde – man kennt einander.

Krimi oder politische Erzählung?

Sicherlich sind manche Krimi-Elemente in Attica Lockes „Pleasantville“ recht konventionell: Jay Porter gerät mehrmals in Gefahr, Alicia Nowells Mörder ist recht offensichtlich.
Aber der Krimi-Plot ist auch nur ein Vorwand. Attica Locke erzählt in diesem politischen und wichtigen Buch, wie es zu der ideologischen Spaltung der USA gekommen ist – und dass die Anzeichen dafür schon 1996 zu erkennen waren.
Am Beispiel von Pleasantville zeigt Locke, wie es zum Ausverkauf der Schwarzen Mittelklasse und der Ideale der Bürgerrechtsära kam. Politische Entscheidungsprozesse verändern sich, die Republikaner haben längst erkannt, dass es für sie zukünftig in Wahlen auf jede Stimme ankommt.
Attica Locke baut darauf, dass ihre Leserschaft weiß, was in der Zukunft passieren wird: sei es der Enron-Skandal oder dass George W. Bush mit einem der knappsten Wahlergebnisse in der Geschichte der USA Präsident werden wird. Zwischen diesem Blick auf Pleasantsvilles Vergangenheit und Gegenwart sowie der Zukunft des Landes entsteht eine hochinteressante Reibung - ein kluger Kriminalroman.
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