Atticus Lish: Vorbereitung auf das nächste Leben
Aus dem Amerikanischen von Michael Kellner
Arche Verlag, Hamburg 2015
539 Seiten, 25,50 Euro
Liebe in Zeiten der Hoffnungslosigkeit
Zwei Menschen in einem Land, das den Gott des Krieges anbetet: Ein Irak-Heimkehrer trifft in der US-Metropole New York auf eine illegale Einwanderin. Doch die Umstände sind schlecht im Roman "Vorbereitung auf das nächste Leben" von Atticus Lish – der Showdown ist unvermeidlich.
Falls noch irgendjemand an die Mär des American Dream geglaubt hatte, so zerbarst dieser endgültig in jenem Moment, als am 11. September 2001 die beiden Flugzeuge in die Twintower rasten. Amerika erwachte aus der Blase, in der es sich befunden hatte – und fand sich wieder in einem Krieg, der sich als allumfassend erweisen sollte: Das Land zog nicht nur in den Krieg – der Krieg zog auch ein in die Herzen der Menschen. Von diesem inneren Krieg in einem seelisch verwüsteten Land handelt Atticus Lishs Roman "Vorbereitung auf das nächste Leben", der in einem Amerika spielt, das fast nicht wieder zu erkennen ist: Brachlandschaften, Billiglohnreviere, die Ödnis des Heruntergekommenen und der Odor der Hoffnungslosigkeit verstrahlen eine beklemmende Düsternis.
Der Krieg gegen den Terror ist im vollen Gange, amerikanische Truppen sind bereits im Irak einmarschiert. Und inmitten dieser Düsternis lässt Lish zwei Menschen aufeinandertreffen, die auf den ersten Blick nicht unterschiedlicher nicht sein könnten: Er heißt Brad Skinner, ist soeben von seinem dritten Einsatz im Irak zurückgekehrt nach New York – und schwer traumatisiert von all den Toten und zerfetzten Körpern, die zu seinem Alltag gehörten. Sie heißt Zou Lei, ist Uigurin, kam illegal in die Staaten und schlägt sich mit schlecht bezahlten Jobs in Restaurants und Food-Counters durch, wenn sie nicht gerade bei Razzien aufgegriffen und wieder einmal um das wenige Hab und Gut gebracht wird, das die harte Arbeit ihr einbringt.
Jeder Fremde ist verdächtig
Als sie sich bei ihren Streifzügen durch den Unterleib der Stadt zum ersten Mal begegnen, ist es nicht Liebe auf den ersten Blick: Eher schweißt sie allmählich das Wissen zusammen, dass sie beide einander brauchen. Schritt für Schritt öffnen sie sich dem anderen – und wagen, von einem Leben in Frieden zu träumen, jenseits der Behörden, jenseits des Krieges. Doch die Zeiten sind schlecht: Im amerikanischen Fernsehen verteidigt man die Folter, der Patriot Act macht jeden Fremden zum Verdächtigen, das geringste Vergehen kann einen rechtlos hinter Gitter bringen.
Früh ahnt man, dass es nicht gut ausgehen kann mit den beiden – allemal, da Skinner in dem gewalttätigen Sohn seiner Vermieterin, einem mehrfach verurteilten Kleinkriminellen, einen Erzfeind gefunden hat. Die Spannung zwischen ihnen ist mit Händen zu greifen – wie der Roman, obwohl er sich viel Zeit für seine Geschichte nimmt, überhaupt ein Buch der Unruhe ist: Der Bericht aus einem Leben, in dem keiner mehr eine Heimat findet, sondern getrieben ist von den Geistern, die das Land rief. Seitenweise folgt man den beiden Liebenden, wie sie die Stadt durchstreifen; Schlag auf Schlag reihen sich die Sätze und mit ihnen die Impressionen aneinander.
Eine Sprache wie ein Trommelfeuer
Lishs Duktus ist hart wie ein Maschinengewehr, seine Sprache ein Trommelfeuer des nüchternen Realismus. Streiflichtartig erfasst er, wie das Land sich allmählich selbst zerstört: die Soldaten, die es verheizt ohne Anerkennung der seelischen Schäden; die Muslime, die sich abwenden von ihrer Heimat Amerika, da sie plötzlich als Feinde gelten; der wachsende Fundamentalismus und Fremdenhass, der moralische Ausverkauf eines ganzen Landes an den Gott des Krieges. Dass "Vorbereitung auf das nächste Leben" am Ende mit einem verzweifelten Showdown schließt, verwundert insofern nicht.