Auch beim 100. Mal noch spannend
Dass Kinderbücher großen Ansprüchen genügen müssen, weiß Martin Baldschuh. Er gehört zu den erfolgreichen Kinder- und Jugendbuchautoren. Seine Bücher und Theaterstücke sind preisprämiert und überzeugen immer wieder - jetzt auch in Braunschweig.
Der Wolf, der so wunderbar wohlklingend das Schafe-Maria singt und von allen Schafen als einer der Ihren anerkannt wird – ist kein Schaf. Er ist - eben – ein Wolf. Die Tierparabel "Die besseren Wälder" erzählt von kinderlosen Schafeltern, die einen Wolf adoptieren und ihn zum perfekten Schaf erziehen. Er gerät in eine Identitätskrise und macht sich auf in die Welt, sucht sich selbst. In der Laudatio zum "Deutschen Jugendtheaterpreis" heißt es, man könne dieses Stück als "brandaktuellen Kommentar zur Debatte um Zuwanderung und Integration" lesen.
Martin Baltscheit: "Bei den 'Besseren Wäldern' ist es so, dass es gelungen ist, so eine Art Spiegel zu schreiben, das ist bei diesem Stück total faszinierend. Natürlich hatte ich `ne Meinung und hatte auch was im Hinterkopf, aber die Form der Fabel hilft einem dabei, diesen Spiegel zu zaubern, dass hier jeder sich selbst darin sieht. Das ist frappierend."
Martin Baltscheit sitzt, die Beine übereinander geschlagen, bei Freunden in Potsdam vor einer großen Bücherwand. Er kommt aus Düsseldorf, ist mit seiner Familie in Potsdam zu Besuch. Eine große Kinderschar vertilgt krakeelend in der Küche Fischstäbchen. Baltscheidt ist erfrischend direkt und herzlich. Man merkt ihm seine Schauspielernatur an. Denn unter dem Witz lauert die Tiefe. 46 Jahre ist er alt. Er weiß, was er kann und tut auch genau das, was er kann. Aber das war nicht immer so.
"Ich habe mit 18 mal ein Hörspiel an den WDR geschickt und da haben die mir freundlicher Weise die interne Rezension zugeschickt, das waren drei Sätze und da stand drin: Schlechte Idee, mangelhafte Charaktere, miese Dramaturgie, am Ende bleibt die Frage, wird der Autor es je schaffen. Und das hat mich so erschrocken, da habe ich fünf Jahre kein Wort mehr geschrieben, nicht mal mehr eine Postkarte geschrieben."
Stattdessen verlegt sich Martin Baltscheit zunächst auf’s Zeichnen. Er studiert Kommunikationsdesign an der Folkwangschule Essen, illustriert Comics und Kinderbücher, auch für sein erstes Kind, das inzwischen schon 22 Jahre alt ist. Verdient sein Geld als Fernseh- und Hörfunk-Sprecher. Irgendwann fasst er doch wieder Mut.
"Ich wollte immer schreiben. Und das hat auch einen einfachen Grund. Meine Mutter hat viel gelesen. Also jeden Tag ein Buch eigentlich. Das war ihre große Rückzugsmöglichkeit und vielleicht habe ich als Kind schon immer gedacht, das musst Du machen, damit Mama immer genug zu lesen hat."
Am liebsten erzählt Martin Baltscheit für junge Menschen, von denen er auch weiterhin umgeben ist: Seine Zwillingssöhne Ben und Matti sind dreieinhalb und gehören zu der Fischstäbchen-Bande in der Küche. Wer allerdings meint, Kinder seien ein einfach glücklich zu machendes Publikum, der irrt.
"Die hören die Geschichten nicht nur einmal. Wir Erwachsenen lesen einen Krimi, am Ende war der Mörder der Gärtner, und zack - der nächste Krimi! So ein Bilderbuch, das wird 100 Mal gelesen, wird variiert, wird gelesen mit Oma und Opa, wird auswendig gelernt, das heißt, das ist eine Schule."
Und deshalb, sagt Baltscheit, während er seine Augen unter seinem kühn vom Kopf abstehenden grauen Haarschopf angriffslustig blitzen lässt, deshalb ist es wichtig, dass so ein Kinderbuch Qualität und Gehalt hat.
"Lillifee – das ist so, als würde ich meinen Kindern jeden Tag Pommes zu essen geben. Keinen Apfel, kein Gemüse, keine raffinierten Gerichte, kein liebevolles Essen, das ist Junkfood, schnell gemacht, billig, auf den schnellen Erfolg, der macht satt – ist aber nicht nahrhaft, da bleibt nichts übrig."
Anders ist das bei Tomi Ungerer, bei Astrid Lindgren, bei Janosch – alles Autoren, die Martin Baltscheidt bewundert.
"Wenn ich jetzt Janosch-Geschichten lese, dann habe ich das Gefühl, der hat die für mich 46-Jährigen geschrieben. Als ich die als Kind gelesen hab, da dachte ich der hat die nur für mich geschrieben! Und das ist das Wunder und das ist etwas, das hat keine andere Literaturform, so wie die Kinder und Jugendliteratur – und das ist eine besondere Kunst, eine Fähigkeit."
Und wie seine Vorbilder, so hat Martin Baltscheit diese Fähigkeit auch.
In seinem Theaterstück "Die besseren Wälder" zittern die Kinder mit dem Schafs-Wolf, der seine Wolfsfähigkeiten verleugnen muss, weil er ja zum Schaf erzogen wird. Und die Erwachsenen fragen sich: Wie die Talente eines Kindes fördern? Welche Freiheiten ihm lassen? Und: Wie die eigenen Fehleinschätzungen erkennen?
Wie aber erwirbt man die Fähigkeit, generationenübergreifend zu schreiben?
"Ich glaube, wir leben mit den verschiedenen Zeiten, ich lebe mit dem Baby Martin, dem Kleinkind Martin, dem heranwachsenden Martin, die leben alle noch in mir drin"
Inzwischen ist es still geworden in der Küche. Zeit für den Mittagsschlaf. Martin Baltscheit lässt den Blick über die Bücher auf dem Regal schweifen, schweigt. Dann sagt er:
"Was ich aber auch gelernt habe in den letzten 20 Jahren ist, dass man total Geduld haben muss. Mit 18 zu glauben, der WDR veröffentlicht mit großem Pomp eine Geschichte von mir, das war total naiv. Naja, war vielleicht auch ein Dämpfer. Aber es hat mich auf lange Sicht nicht abgehalten."
Der junge Wolf findet im Stück "Die besseren Wälder" zum Schluss die Freunde die zu ihm passen. "Es kommt doch nicht darauf an, wo du herkommst", heißt es im Text. "Es kommt darauf an, wohin du gehst und mit wem." Martin Baltscheidt lächelt leise.
"Man findet heraus, wie man gemeint ist. Man findet das. Man findet seinen optimalen Platz."
Martin Baltscheit: "Bei den 'Besseren Wäldern' ist es so, dass es gelungen ist, so eine Art Spiegel zu schreiben, das ist bei diesem Stück total faszinierend. Natürlich hatte ich `ne Meinung und hatte auch was im Hinterkopf, aber die Form der Fabel hilft einem dabei, diesen Spiegel zu zaubern, dass hier jeder sich selbst darin sieht. Das ist frappierend."
Martin Baltscheit sitzt, die Beine übereinander geschlagen, bei Freunden in Potsdam vor einer großen Bücherwand. Er kommt aus Düsseldorf, ist mit seiner Familie in Potsdam zu Besuch. Eine große Kinderschar vertilgt krakeelend in der Küche Fischstäbchen. Baltscheidt ist erfrischend direkt und herzlich. Man merkt ihm seine Schauspielernatur an. Denn unter dem Witz lauert die Tiefe. 46 Jahre ist er alt. Er weiß, was er kann und tut auch genau das, was er kann. Aber das war nicht immer so.
"Ich habe mit 18 mal ein Hörspiel an den WDR geschickt und da haben die mir freundlicher Weise die interne Rezension zugeschickt, das waren drei Sätze und da stand drin: Schlechte Idee, mangelhafte Charaktere, miese Dramaturgie, am Ende bleibt die Frage, wird der Autor es je schaffen. Und das hat mich so erschrocken, da habe ich fünf Jahre kein Wort mehr geschrieben, nicht mal mehr eine Postkarte geschrieben."
Stattdessen verlegt sich Martin Baltscheit zunächst auf’s Zeichnen. Er studiert Kommunikationsdesign an der Folkwangschule Essen, illustriert Comics und Kinderbücher, auch für sein erstes Kind, das inzwischen schon 22 Jahre alt ist. Verdient sein Geld als Fernseh- und Hörfunk-Sprecher. Irgendwann fasst er doch wieder Mut.
"Ich wollte immer schreiben. Und das hat auch einen einfachen Grund. Meine Mutter hat viel gelesen. Also jeden Tag ein Buch eigentlich. Das war ihre große Rückzugsmöglichkeit und vielleicht habe ich als Kind schon immer gedacht, das musst Du machen, damit Mama immer genug zu lesen hat."
Am liebsten erzählt Martin Baltscheit für junge Menschen, von denen er auch weiterhin umgeben ist: Seine Zwillingssöhne Ben und Matti sind dreieinhalb und gehören zu der Fischstäbchen-Bande in der Küche. Wer allerdings meint, Kinder seien ein einfach glücklich zu machendes Publikum, der irrt.
"Die hören die Geschichten nicht nur einmal. Wir Erwachsenen lesen einen Krimi, am Ende war der Mörder der Gärtner, und zack - der nächste Krimi! So ein Bilderbuch, das wird 100 Mal gelesen, wird variiert, wird gelesen mit Oma und Opa, wird auswendig gelernt, das heißt, das ist eine Schule."
Und deshalb, sagt Baltscheit, während er seine Augen unter seinem kühn vom Kopf abstehenden grauen Haarschopf angriffslustig blitzen lässt, deshalb ist es wichtig, dass so ein Kinderbuch Qualität und Gehalt hat.
"Lillifee – das ist so, als würde ich meinen Kindern jeden Tag Pommes zu essen geben. Keinen Apfel, kein Gemüse, keine raffinierten Gerichte, kein liebevolles Essen, das ist Junkfood, schnell gemacht, billig, auf den schnellen Erfolg, der macht satt – ist aber nicht nahrhaft, da bleibt nichts übrig."
Anders ist das bei Tomi Ungerer, bei Astrid Lindgren, bei Janosch – alles Autoren, die Martin Baltscheidt bewundert.
"Wenn ich jetzt Janosch-Geschichten lese, dann habe ich das Gefühl, der hat die für mich 46-Jährigen geschrieben. Als ich die als Kind gelesen hab, da dachte ich der hat die nur für mich geschrieben! Und das ist das Wunder und das ist etwas, das hat keine andere Literaturform, so wie die Kinder und Jugendliteratur – und das ist eine besondere Kunst, eine Fähigkeit."
Und wie seine Vorbilder, so hat Martin Baltscheit diese Fähigkeit auch.
In seinem Theaterstück "Die besseren Wälder" zittern die Kinder mit dem Schafs-Wolf, der seine Wolfsfähigkeiten verleugnen muss, weil er ja zum Schaf erzogen wird. Und die Erwachsenen fragen sich: Wie die Talente eines Kindes fördern? Welche Freiheiten ihm lassen? Und: Wie die eigenen Fehleinschätzungen erkennen?
Wie aber erwirbt man die Fähigkeit, generationenübergreifend zu schreiben?
"Ich glaube, wir leben mit den verschiedenen Zeiten, ich lebe mit dem Baby Martin, dem Kleinkind Martin, dem heranwachsenden Martin, die leben alle noch in mir drin"
Inzwischen ist es still geworden in der Küche. Zeit für den Mittagsschlaf. Martin Baltscheit lässt den Blick über die Bücher auf dem Regal schweifen, schweigt. Dann sagt er:
"Was ich aber auch gelernt habe in den letzten 20 Jahren ist, dass man total Geduld haben muss. Mit 18 zu glauben, der WDR veröffentlicht mit großem Pomp eine Geschichte von mir, das war total naiv. Naja, war vielleicht auch ein Dämpfer. Aber es hat mich auf lange Sicht nicht abgehalten."
Der junge Wolf findet im Stück "Die besseren Wälder" zum Schluss die Freunde die zu ihm passen. "Es kommt doch nicht darauf an, wo du herkommst", heißt es im Text. "Es kommt darauf an, wohin du gehst und mit wem." Martin Baltscheidt lächelt leise.
"Man findet heraus, wie man gemeint ist. Man findet das. Man findet seinen optimalen Platz."