Auch beim Tod achtet man auf die Kosten
Es wird in den Industrienationen immer mehr Menschen geben, die sich kein Begräbnis leisten können, sagt Gerold Eppler vom Museum für Sepulkralkultur in Kassel. In New York würden heute schon Menschen, deren Begräbnis niemand bezahlen will, von Strafgefangenen auf der Insel Hart Island beigesetzt.
Liane von Billerbeck: Da verschwindet ein Transporter mit zwölf eingesargten Leichen darin, die eigentlich von Berlin ins Krematorium nach Meißen gebracht werden sollten, vermutlich, weil das Einäschern dort billiger ist. Nun wurden das Fahrzeug, die Särge und auch drei der Diebe in Polen gefasst. Die Leichen müssen zuerst identifiziert werden, um sie dann endlich einäschern und bestatten zu können. Was dieser Diebstahl über die heutige Bestattungskultur aussagt, darüber will ich jetzt mit Gerold Eppler sprechen, dem stellvertretenden Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel. Herr Eppler, ich grüße Sie!
Gerold Eppler: Ja, guten Tag, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Was dachten Sie, als Sie von dem Diebstahl hörten?
Eppler: Na gut, diese Verfahrensweise ist ja Fachleuten bekannt, es war nur eine Frage der Zeit, dass so etwas einmal passiert.
von Billerbeck: Sie kennen sich aus mit Bestattungsriten. Früher war so ein Begräbnis ja ein gesellschaftliches Ereignis, im Aufwand und Umfang einer Hochzeit oder Taufe vergleichbar. Wie ist das heute?
Eppler: Im Grunde kommt es heute darauf an, was die Beteiligten in einem Leichnam sehen, ob sie den Menschen sehen oder ob sie ein Ding sehen. Und das hängt einfach damit zusammen, dass sich die Einstellungen zum Tod verändert haben, dass sich unsere Lebensbedingungen geändert haben, die Form des Zusammenlebens und, und, und. Das sind viele Faktoren, die dazu beitragen, dass wir so mit Verstorbenen umgehen, wie wir zurzeit mit Verstorbenen umgehen. Und da gehören auch solche pragmatischen Verfahrensweisen dazu.
von Billerbeck: Das heißt, unser Verhältnis zum Tod sagt eher etwas über unser Leben aus?
Eppler: Das sagt bestimmt etwas über unser Leben aus, ja. Denn die Lebensvollzüge, die schlagen sich natürlich auch im Umgang mit den letzten Dingen nieder.
von Billerbeck: Was sagt es denn über unser Leben?
Eppler: Ja, also, wie gesagt: Je nachdem, was ich in einem Leichnam sehe, ob ich einen Menschen im Leichnam sehe, ja, oder eine Sache, die irgendwie problematisch ist und die irgendwie gehandelt werden muss, ja, dementsprechend gehe ich dann auch mit den Verstorbenen um. Und was sich darin zeigt, ist einfach die Beziehung, die man zum Verstorbenen hat. Ein weiterer Aspekt kommt aber auch hinzu, denn je nachdem, was man anstrebt bei einem Begräbnis, ja, muss man sich natürlich auch überlegen, ob man sich das, was man möchte, auch leisten kann. Auch wirtschaftliche Faktoren spielen in dem Zusammenhang eine wichtige Rolle.
von Billerbeck: Ist das nun eine speziell deutsche Mentalität, alles immer billiger, möglichst zum Discountpreis haben zu wollen? Oder ist das eine Tendenz, die Sie auch international beobachten?
Eppler: Ja, aber das sind Dinge, die betreffen vermutlich alle westlichen Industrienationen. Also, wir haben eine ähnliche Verfahrensweise in den Vereinigten Staaten, in New York gibt es eine Insel, Hart Island, dort werden die Menschen von Strafgefangenen beigesetzt, deren Angehörige kein Begräbnis bezahlen wollen oder die keine Angehörigen haben.
von Billerbeck: Werden wir künftig mehr solche Begräbnisse erleben, weil es eben viele Menschen gibt, die - sagen wir - keine Kinder haben und dann irgendwann alleine dastehen?
Eppler: Ja, also, das Problem der sozialen Entmischung, das kennt man ja auch aus anderen Lebensbereichen und das zeigt sich dann auch in der Bestattung. Und es wird immer mehr Menschen geben, die sich ein Begräbnis nicht leisten können und natürlich, ja, die Vereinsamung im Alter trägt dazu bei, dass der Tod eines Menschen von anderen nicht mehr mit großer Anteilnahme wahrgenommen wird. Das Sterben in Institutionen und, und, und. Also, es sind einfach viele Dinge.
von Billerbeck: Nun ist es ja so, dass wir sehr alt werden, viel älter als in früheren Generationen. Das heißt, wir haben lange genug Zeit, uns eigentlich auf das Sterben vorzubereiten, auch auf das Sterben unserer Angehörigen. Wie hat das den Umgang mit dem Tod und mit den Beerdigungen verändert?
Eppler: Das ist natürlich, ja, das ist die Kehrseite der Medaille. Die medizinischen Errungenschaften, die haben, wie gesagt, dazu beigetragen, dass wir sehr, sehr alt werden, und die Wahrscheinlichkeit ist eben auch sehr groß, dass wir alt werden. Nur haben sich dadurch natürlich auch die Todesursachen verändert, und die überwiegende Todesursache in den westlichen Industrienationen ist natürlich, sind natürlich die degenerativen Leiden. Das heißt, es sind Krankheiten, die sich ankündigen und die natürlich auch den Angehörigen deutlich machen, dass über einen längeren Zeitraum hinweg ihr Familienangehöriger sterben wird. Und auf diese Verlusterfahrung bereitet man sich unwillkürlich vor. Das heißt, die Trauer wird vorgezogen. Und in dem Augenblick, in dem der Tod eintritt, dann wiegt die Verlusterfahrung vielleicht doch nicht mehr so schwer wie in einer Situation, in der ein Mensch plötzlich aus dem Leben gerissen wird.
von Billerbeck: Das heißt, man will das ganze Theater - in Anführungsstrichen - dann schnell hinter sich bringen?
Eppler: Ja, man hat sich auf dieses The ... Ja, genau, einerseits das. Aber ich würde es nicht so abwertend sagen ...
von Billerbeck: Das war jetzt auch in Anführungsstrichen und ironisch gemeint natürlich!
Eppler: Ja, ja. Es ist so, die Beerdigungen, Beisetzungen finden ja in der Regel immer häufiger im engsten Familienkreis statt. Und in dem Zusammenhang ist es auch nicht mehr nötig, jetzt alle Beteiligten durch ein aufwendiges Begräbnis zu beeindrucken. Also hält man sich da im Hinblick auf den Aufwand zurück. Und das, denke ich, ist eine Ursache dafür, dass man eben auch, dass man sich auch Gedanken macht, was einem diese Sache wert ist und was man sich dafür ... was man sich leisten möchte.
von Billerbeck: Sind das nun eigentlich nur die Angehörigen, die da nach Einsparmöglichkeiten suchen, weil sie die Trauer, wie Sie es eben geschildert haben, schon vorgezogen haben und der Trauerfall dann vielleicht gar nicht mehr so schlimm ist? Oder sind das auch die Bestattungsunternehmen, die in großer Konkurrenz sich befinden und da eben nach Einsparmöglichkeiten suchen, und dann passiert eben so was wie jetzt mit diesen Särgen, dass da eben Leichen in Särgen durch die halbe Republik oder gar ins Ausland gekarrt werden?
Eppler: Ja, das ist natürlich ein Markt, das ist ein Marktphänomen. Und es ist klar, die steigende durchschnittliche Lebenserwartung, die führt natürlich auch dazu, dass die Sterbefälle sich nicht in dem Maße häufen, wie man es in diesem Bereich sich vielleicht wirtschaftlich erhofft. Also, mit anderen Worten: Man muss natürlich, um konkurrenzfähig zu sein, eventuell auch darüber nachdenken, wo man Kosten einsparen kann. Und das sind die Gesetze des Marktes. Und da sucht man natürlich nach solchen Möglichkeiten.
von Billerbeck: Nun bringen Sie ja in Ihrem Museum die Bestattungsrituale an die Menschheit, das ist das einzige Museum zur Sepulkralkultur in Deutschland. Was präsentieren Sie da eigentlich, und wenn Sie diese neuen Entwicklungen sehen, wie werden die sich bei Ihnen im Museum niederschlagen?
Eppler: Gut, wir weisen natürlich auf diese neuen Entwicklungen hin, aber ...
von Billerbeck: Wie machen Sie das?
Eppler: Im Rahmen von Führungen, im Rahmen von Veranstaltungen. Wir haben auch Vorträge, im Rahmen von Ausstellungen, von Sonderausstellungen werden diese Themen dann mit behandelt. Unser Weg ist aber im Grunde ein anderer: Wir beweisen ... Also, wir versuchen, die Brüche und Kontinuitäten im Umgang mit den letzten Dingen dahingehend zu veranschaulichen, indem wir deren Qualität herausarbeiten. Und die Gegenstände, die man im Zusammenhang mit einer Bestattung verwendet, diese Gegenstände haben im Grunde einen sehr geringen praktischen Nutzen. Aber der symbolische Wert dieser Gegenstände, der ist bedeutend.
Denn es ist klar: In dem Augenblick, in dem ein Mensch gestorben ist, können Sie die Situation technisch nicht mehr bewältigen. Das heißt, alles, was Sie tun, bringt den Menschen nicht mehr zurück. Und der Mensch ist ja im Grunde gar nicht weg, sondern er ist ja noch anwesend als Leichnam. Und was Sie dann im Leichnam sehen, wenn Sie im Leichnam diesen Menschen sehen, dann möchten Sie diese Situation auflösen, Sie möchten etwas für ihn tun. Und das drückt sich im Umgang mit dem Verstorbenen aus, in rituellen Handlungen und symbolhaften Handlungen. Letztendlich ist der Umgang mit Verstorbenen dann natürlich aber auch ein Gradmesser, inwieweit die Beziehung der Beteiligten ... wie die Beziehung der Beteiligten zu dem Verstorbenen gestaltet ist. Und wenn jemand in Institutionen stirbt, in einem Altenheim beispielsweise und ...
von Billerbeck: Krankenhaus ...
Eppler: ... oder Krankenhaus, und es gibt niemanden, der sich um die Bestattung kümmert, dann sind es die Sozialämter, die die Verfahren in die Wege leiten. Und die stehen natürlich auch unter einem enormen Kostendruck. Die kennen die Verstorbenen nicht und sehen dann natürlich auch zu, dass sie möglichst günstige Angebote einholen, um eben auch hier Kosten zu sparen.
von Billerbeck: Wenn man sich wie Sie, Herr Eppler, jeden Tag mit dem Tod und mit dem Bestatten beschäftigt, hat man da für die eigene Bestattung vorgesorgt, und wenn ja, wie sollte die aussehen?
Eppler: Das ist eine gute Frage! Es ist natürlich ... Ich selbst habe nicht vorgesorgt.
von Billerbeck: Interessant!
Eppler: Ja, das liegt einfach damit zusammen, dass ich mit meinem Tod ein ganz anderes Problem habe, nämlich ich muss mich auf meinen Tod innerlich vorbereiten ...
von Billerbeck: Ihr ganzes Leben lang, sozusagen!
Eppler: Ja, genau, aber mit der Bestattung haben meine Angehörigen und meine Freunde ein Problem. Und die müssen nach einer Lösung finden. Also, ich möchte da nicht unbedingt vorgreifen und sagen, das und das möchte ich, wenn das vielleicht nicht den Vorstellungen meiner Angehörigen entspricht. Das heißt aber nicht, dass wir uns in der Familie, im Freundeskreis über solche Dinge nicht unterhalten. Ich glaube, das ist entscheidend: Man muss sich rechtzeitig darüber Gedanken machen, was einem wichtig ist. Ein paar kleine Vorgaben hätte ich da schon, aber im Großen und Ganzen.
von Billerbeck: Was sind das für kleine Vorgaben, wenn ich mal unter uns fragen darf? Keine bestimmte Blumensorte aufs Grab?
Eppler: Genau, keine bestimmte, nein so weit geht es nicht. Es sollte ein möglichst schlichter Sarg sein, damit bin ich einverstanden, im Hinblick auf Feuerbestattung bin ich eigentlich, bin ich eigentlich leidenschaftslos. Meine Frau dagegen, die sagt klipp und klar, dass sie sich auf keinen Fall einäschern lassen möchte, diese Verfahrensweise ist ihr einfach zu technisch und zu unpersönlich.
Na ja, gut, ich würde sagen, die Totenkleidung könnte ein Problem werden. Und das, was auf dem Markt angeboten wird, das, was auf dem Markt angeboten wird, das, vom Bestatter, das entspricht nicht meinen Vorstellungen. Und ein Anzug im Sarg, ich weiß nicht, ob das ... Am wohlsten fühle ich mich eigentlich in meinem Judo-Anzug. Also, das wäre noch ein Kleidungsstück, da könnte man drüber nachdenken, ob man mir das mit auf die letzte Reise gibt!
von Billerbeck: Das sagt Gerold Eppler vom Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Ich danke Ihnen!
Eppler: Bitte, auf Wiederhören, Frau von Billerbeck!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Die Reportage - "Sternenkinder"
Gerold Eppler: Ja, guten Tag, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Was dachten Sie, als Sie von dem Diebstahl hörten?
Eppler: Na gut, diese Verfahrensweise ist ja Fachleuten bekannt, es war nur eine Frage der Zeit, dass so etwas einmal passiert.
von Billerbeck: Sie kennen sich aus mit Bestattungsriten. Früher war so ein Begräbnis ja ein gesellschaftliches Ereignis, im Aufwand und Umfang einer Hochzeit oder Taufe vergleichbar. Wie ist das heute?
Eppler: Im Grunde kommt es heute darauf an, was die Beteiligten in einem Leichnam sehen, ob sie den Menschen sehen oder ob sie ein Ding sehen. Und das hängt einfach damit zusammen, dass sich die Einstellungen zum Tod verändert haben, dass sich unsere Lebensbedingungen geändert haben, die Form des Zusammenlebens und, und, und. Das sind viele Faktoren, die dazu beitragen, dass wir so mit Verstorbenen umgehen, wie wir zurzeit mit Verstorbenen umgehen. Und da gehören auch solche pragmatischen Verfahrensweisen dazu.
von Billerbeck: Das heißt, unser Verhältnis zum Tod sagt eher etwas über unser Leben aus?
Eppler: Das sagt bestimmt etwas über unser Leben aus, ja. Denn die Lebensvollzüge, die schlagen sich natürlich auch im Umgang mit den letzten Dingen nieder.
von Billerbeck: Was sagt es denn über unser Leben?
Eppler: Ja, also, wie gesagt: Je nachdem, was ich in einem Leichnam sehe, ob ich einen Menschen im Leichnam sehe, ja, oder eine Sache, die irgendwie problematisch ist und die irgendwie gehandelt werden muss, ja, dementsprechend gehe ich dann auch mit den Verstorbenen um. Und was sich darin zeigt, ist einfach die Beziehung, die man zum Verstorbenen hat. Ein weiterer Aspekt kommt aber auch hinzu, denn je nachdem, was man anstrebt bei einem Begräbnis, ja, muss man sich natürlich auch überlegen, ob man sich das, was man möchte, auch leisten kann. Auch wirtschaftliche Faktoren spielen in dem Zusammenhang eine wichtige Rolle.
von Billerbeck: Ist das nun eine speziell deutsche Mentalität, alles immer billiger, möglichst zum Discountpreis haben zu wollen? Oder ist das eine Tendenz, die Sie auch international beobachten?
Eppler: Ja, aber das sind Dinge, die betreffen vermutlich alle westlichen Industrienationen. Also, wir haben eine ähnliche Verfahrensweise in den Vereinigten Staaten, in New York gibt es eine Insel, Hart Island, dort werden die Menschen von Strafgefangenen beigesetzt, deren Angehörige kein Begräbnis bezahlen wollen oder die keine Angehörigen haben.
von Billerbeck: Werden wir künftig mehr solche Begräbnisse erleben, weil es eben viele Menschen gibt, die - sagen wir - keine Kinder haben und dann irgendwann alleine dastehen?
Eppler: Ja, also, das Problem der sozialen Entmischung, das kennt man ja auch aus anderen Lebensbereichen und das zeigt sich dann auch in der Bestattung. Und es wird immer mehr Menschen geben, die sich ein Begräbnis nicht leisten können und natürlich, ja, die Vereinsamung im Alter trägt dazu bei, dass der Tod eines Menschen von anderen nicht mehr mit großer Anteilnahme wahrgenommen wird. Das Sterben in Institutionen und, und, und. Also, es sind einfach viele Dinge.
von Billerbeck: Nun ist es ja so, dass wir sehr alt werden, viel älter als in früheren Generationen. Das heißt, wir haben lange genug Zeit, uns eigentlich auf das Sterben vorzubereiten, auch auf das Sterben unserer Angehörigen. Wie hat das den Umgang mit dem Tod und mit den Beerdigungen verändert?
Eppler: Das ist natürlich, ja, das ist die Kehrseite der Medaille. Die medizinischen Errungenschaften, die haben, wie gesagt, dazu beigetragen, dass wir sehr, sehr alt werden, und die Wahrscheinlichkeit ist eben auch sehr groß, dass wir alt werden. Nur haben sich dadurch natürlich auch die Todesursachen verändert, und die überwiegende Todesursache in den westlichen Industrienationen ist natürlich, sind natürlich die degenerativen Leiden. Das heißt, es sind Krankheiten, die sich ankündigen und die natürlich auch den Angehörigen deutlich machen, dass über einen längeren Zeitraum hinweg ihr Familienangehöriger sterben wird. Und auf diese Verlusterfahrung bereitet man sich unwillkürlich vor. Das heißt, die Trauer wird vorgezogen. Und in dem Augenblick, in dem der Tod eintritt, dann wiegt die Verlusterfahrung vielleicht doch nicht mehr so schwer wie in einer Situation, in der ein Mensch plötzlich aus dem Leben gerissen wird.
von Billerbeck: Das heißt, man will das ganze Theater - in Anführungsstrichen - dann schnell hinter sich bringen?
Eppler: Ja, man hat sich auf dieses The ... Ja, genau, einerseits das. Aber ich würde es nicht so abwertend sagen ...
von Billerbeck: Das war jetzt auch in Anführungsstrichen und ironisch gemeint natürlich!
Eppler: Ja, ja. Es ist so, die Beerdigungen, Beisetzungen finden ja in der Regel immer häufiger im engsten Familienkreis statt. Und in dem Zusammenhang ist es auch nicht mehr nötig, jetzt alle Beteiligten durch ein aufwendiges Begräbnis zu beeindrucken. Also hält man sich da im Hinblick auf den Aufwand zurück. Und das, denke ich, ist eine Ursache dafür, dass man eben auch, dass man sich auch Gedanken macht, was einem diese Sache wert ist und was man sich dafür ... was man sich leisten möchte.
von Billerbeck: Sind das nun eigentlich nur die Angehörigen, die da nach Einsparmöglichkeiten suchen, weil sie die Trauer, wie Sie es eben geschildert haben, schon vorgezogen haben und der Trauerfall dann vielleicht gar nicht mehr so schlimm ist? Oder sind das auch die Bestattungsunternehmen, die in großer Konkurrenz sich befinden und da eben nach Einsparmöglichkeiten suchen, und dann passiert eben so was wie jetzt mit diesen Särgen, dass da eben Leichen in Särgen durch die halbe Republik oder gar ins Ausland gekarrt werden?
Eppler: Ja, das ist natürlich ein Markt, das ist ein Marktphänomen. Und es ist klar, die steigende durchschnittliche Lebenserwartung, die führt natürlich auch dazu, dass die Sterbefälle sich nicht in dem Maße häufen, wie man es in diesem Bereich sich vielleicht wirtschaftlich erhofft. Also, mit anderen Worten: Man muss natürlich, um konkurrenzfähig zu sein, eventuell auch darüber nachdenken, wo man Kosten einsparen kann. Und das sind die Gesetze des Marktes. Und da sucht man natürlich nach solchen Möglichkeiten.
von Billerbeck: Nun bringen Sie ja in Ihrem Museum die Bestattungsrituale an die Menschheit, das ist das einzige Museum zur Sepulkralkultur in Deutschland. Was präsentieren Sie da eigentlich, und wenn Sie diese neuen Entwicklungen sehen, wie werden die sich bei Ihnen im Museum niederschlagen?
Eppler: Gut, wir weisen natürlich auf diese neuen Entwicklungen hin, aber ...
von Billerbeck: Wie machen Sie das?
Eppler: Im Rahmen von Führungen, im Rahmen von Veranstaltungen. Wir haben auch Vorträge, im Rahmen von Ausstellungen, von Sonderausstellungen werden diese Themen dann mit behandelt. Unser Weg ist aber im Grunde ein anderer: Wir beweisen ... Also, wir versuchen, die Brüche und Kontinuitäten im Umgang mit den letzten Dingen dahingehend zu veranschaulichen, indem wir deren Qualität herausarbeiten. Und die Gegenstände, die man im Zusammenhang mit einer Bestattung verwendet, diese Gegenstände haben im Grunde einen sehr geringen praktischen Nutzen. Aber der symbolische Wert dieser Gegenstände, der ist bedeutend.
Denn es ist klar: In dem Augenblick, in dem ein Mensch gestorben ist, können Sie die Situation technisch nicht mehr bewältigen. Das heißt, alles, was Sie tun, bringt den Menschen nicht mehr zurück. Und der Mensch ist ja im Grunde gar nicht weg, sondern er ist ja noch anwesend als Leichnam. Und was Sie dann im Leichnam sehen, wenn Sie im Leichnam diesen Menschen sehen, dann möchten Sie diese Situation auflösen, Sie möchten etwas für ihn tun. Und das drückt sich im Umgang mit dem Verstorbenen aus, in rituellen Handlungen und symbolhaften Handlungen. Letztendlich ist der Umgang mit Verstorbenen dann natürlich aber auch ein Gradmesser, inwieweit die Beziehung der Beteiligten ... wie die Beziehung der Beteiligten zu dem Verstorbenen gestaltet ist. Und wenn jemand in Institutionen stirbt, in einem Altenheim beispielsweise und ...
von Billerbeck: Krankenhaus ...
Eppler: ... oder Krankenhaus, und es gibt niemanden, der sich um die Bestattung kümmert, dann sind es die Sozialämter, die die Verfahren in die Wege leiten. Und die stehen natürlich auch unter einem enormen Kostendruck. Die kennen die Verstorbenen nicht und sehen dann natürlich auch zu, dass sie möglichst günstige Angebote einholen, um eben auch hier Kosten zu sparen.
von Billerbeck: Wenn man sich wie Sie, Herr Eppler, jeden Tag mit dem Tod und mit dem Bestatten beschäftigt, hat man da für die eigene Bestattung vorgesorgt, und wenn ja, wie sollte die aussehen?
Eppler: Das ist eine gute Frage! Es ist natürlich ... Ich selbst habe nicht vorgesorgt.
von Billerbeck: Interessant!
Eppler: Ja, das liegt einfach damit zusammen, dass ich mit meinem Tod ein ganz anderes Problem habe, nämlich ich muss mich auf meinen Tod innerlich vorbereiten ...
von Billerbeck: Ihr ganzes Leben lang, sozusagen!
Eppler: Ja, genau, aber mit der Bestattung haben meine Angehörigen und meine Freunde ein Problem. Und die müssen nach einer Lösung finden. Also, ich möchte da nicht unbedingt vorgreifen und sagen, das und das möchte ich, wenn das vielleicht nicht den Vorstellungen meiner Angehörigen entspricht. Das heißt aber nicht, dass wir uns in der Familie, im Freundeskreis über solche Dinge nicht unterhalten. Ich glaube, das ist entscheidend: Man muss sich rechtzeitig darüber Gedanken machen, was einem wichtig ist. Ein paar kleine Vorgaben hätte ich da schon, aber im Großen und Ganzen.
von Billerbeck: Was sind das für kleine Vorgaben, wenn ich mal unter uns fragen darf? Keine bestimmte Blumensorte aufs Grab?
Eppler: Genau, keine bestimmte, nein so weit geht es nicht. Es sollte ein möglichst schlichter Sarg sein, damit bin ich einverstanden, im Hinblick auf Feuerbestattung bin ich eigentlich, bin ich eigentlich leidenschaftslos. Meine Frau dagegen, die sagt klipp und klar, dass sie sich auf keinen Fall einäschern lassen möchte, diese Verfahrensweise ist ihr einfach zu technisch und zu unpersönlich.
Na ja, gut, ich würde sagen, die Totenkleidung könnte ein Problem werden. Und das, was auf dem Markt angeboten wird, das, was auf dem Markt angeboten wird, das, vom Bestatter, das entspricht nicht meinen Vorstellungen. Und ein Anzug im Sarg, ich weiß nicht, ob das ... Am wohlsten fühle ich mich eigentlich in meinem Judo-Anzug. Also, das wäre noch ein Kleidungsstück, da könnte man drüber nachdenken, ob man mir das mit auf die letzte Reise gibt!
von Billerbeck: Das sagt Gerold Eppler vom Museum für Sepulkralkultur in Kassel. Ich danke Ihnen!
Eppler: Bitte, auf Wiederhören, Frau von Billerbeck!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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Die Reportage - "Sternenkinder"