Auch Priester brauchen Liebe
"W imie"... – "Im Namen des…" ist der Titel des polnischen Wettbewerbsbeitrags von Malgoska Szumowska. Es geht darin um einen jungen katholischen Priester, der mit seiner Homosexualität kämpft.
Holger Hettinger: "Malgoska Szumowska, ich erinnere mich noch gut an unser letztes Interview, fünf Jahre ist das her, über ihren Film "33 Szenen aus dem Leben". Auch da ging es um Grenzerfahrungen, um Menschen vor einschneidenden Situationen ihres Lebens, um die Auswirkungen des Privaten ins große Ganze. Wie ist das Thema der unterdrückten Homosexualität von Priestern zu Ihnen gekommen?"
Malgoska Szumowska: "Ich bin immer auf der Suche nach spannenden Grundkonstellationen. Und ich wollte schon lange einen Film machen über jemanden, der einsam ist und nicht geliebt wird, der eine Sehnsucht hat, die sich nicht erfüllen läßt. Das klingt erst mal banal, aber Regisseure beschäftigen sich im Kino mit solchen Dingen. Von allen Ideen fand ich schließlich die, einen Film über Priester in einer solchen Rolle zu machen, am spannendsten, weil Liebe und Sexualität bei Priestern nicht erlaubt, weil es eine Sünde ist. Auf der einen Seite glaubt er an Gott, auf der anderen Seite hat er die Sehnsucht nach Nähe. Er will seine Sexualität leben – verschärfend kommt hinzu, dass er homosexuell ist. Die katholische Kirche bezeichnet Homosexualität als unnatürlich und sogar der Natur des Menschen zuwiderlaufend, wie es Ratzinger sagte. Das ist eine dramatische Situation für die es keine gute Lösung gibt. Darum mag ich die Geschichte. Die Situation ist beinahe klaustrophobisch. Ein weiterer Grund, warum ich diesen Film machen wollte, liegt übrigens in der Tatsache, dass es in Polen bisher keine Filme über dieses Thema gibt: keinen Film über Homosexualität, keinen Film über Priester. Jetzt haben wir endlich einen und vielleicht regen wir ja damit eine Diskussion an."
Hettinger: "Wie haben Sie die Balance gefunden zwischen der Innerlichkeit, dem Kräftespiel innerhalb der Personen - die ja zerrissen ist - und dem Thema?"
Szumowska: "Ich wollte den Priester als Menschen zeigen. Ich wollte ihn verstehen und ihn gleichzeitig beschützen - ein Paradox. Deshalb habe ich keinen Film über Missbrauch, sondern über Liebe gemacht – oder besser über fehlende Liebe. Als ich mit dem Schauspieler gearbeitet habe, wollte ich diesen Charakter ganz menschlich anlegen – Ich wollte ihn nicht in erster Linie als Priester sehen. Deshalb habe ich Andschej und Mateusch, meine beiden Haupthelden, auch gebeten, keine Homosexuellen zu spielen. Sie sollten Liebe verkörpern, Verlangen – nicht Homosexualität. Völlig unideologisch, verstehen Sie? Wenn der Film am Ende eine Ideologie oder eine Position hat, dann war die während der Arbeit daran nicht zu spüren. Wir haben uns auf die kleinen menschlichen Dinge konzentriert."
Hettinger: "Das eindrucksvolle an diesem Film ist die extreme Bebilderung, diese Wucht. Das hat schon was symphonisches, erinnert an die großen Passionsmusiken. War dieser protoreligiöse Aspekt beabsichtigt?"
Szumowska: "Pawel Mykietyn, der den Großteil der Musik komponiert hat, der ist wirklich beinahe so berühmt wie Penderezki. Wir haben noch eine Gitarremusik von einem anderen Komponisten. Sie ist das musikalische Thema für die Beziehung zwischen dem Priester und Humpty, für ihre kleine Welt.
Die symphonische Musik von Pawel Mykietyn symbolisiert – im Kontrast dazu - den Glauben, die Religion. Deshalb wollte ich zwei unterschiedliche Musiken."
Hettinger: "In Deutschland ist man immer gleich in einer gewissen Schiene, wenn man über katholische Kirche und Homosexualität spricht. Da hat man direkt Anklänge an die Missbrauchsdebatte. Ihr Film verhandelt dieses Thema ganz unaufgeregt: katholische Priester und Homosexualität. Wird dieser Diskurs in Polen anders geführt?"
Szumowska: "Nein, es ist genauso aggressiv, vielleicht nicht so stark wie hier, da wir sehr konservativ sind, aber hier ist es ja ein Riesenthema. Ich wollte auch keinen Film über Pädophilie machen. Ich wollte keinen Film über solche populären Debattenthemen machen, verstehen Sie? Es sollte ein kunstvoller, kein populärer Film werden, der nur existiert solange ein Problem vorliegt und dann in der Versenkung verschwindet. Das Thema ist sehr problematisch, aber ich stelle mich der Diskussion. In diesem Film geht es nicht um Belästigung oder Missbrauch."
Hettinger: "Was erzählt ihr Film über das heutige Polen?"
Szumowska: "Er zeigt, dass es uns immer noch schwer fällt, Andersartigkeit zu akzeptieren. Das zeigen die Leute im Film, die andere als Schwule oder Juden bezeichnen – oder was auch immer. Umgang mit Andersartigkeit fällt uns immer noch schwer, ob das nun ein Homosexueller ist oder sonst was, auch Feministinnen werden gern angefeindet. In Polen wird man gefragt: Oh, Sie sind Feministin. Wie kommt’s, dass Sie nicht alt und hässlich sind? Das böse Klischee existiert nach wie vor, aber ich hoffe, dass sich das ändert. Ich habe diesen Film gemacht, um irgendwie dieses Anderssein zu beschützen – und, um zu zeigen, dass ich keine Angst davor habe, genau das in Polen zu thematisieren."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Subtile Form der Erpressung
Theologe David Berger kritisiert Umgang der Kirche mit homosexuellen Priestern
Malgoska Szumowska: "Ich bin immer auf der Suche nach spannenden Grundkonstellationen. Und ich wollte schon lange einen Film machen über jemanden, der einsam ist und nicht geliebt wird, der eine Sehnsucht hat, die sich nicht erfüllen läßt. Das klingt erst mal banal, aber Regisseure beschäftigen sich im Kino mit solchen Dingen. Von allen Ideen fand ich schließlich die, einen Film über Priester in einer solchen Rolle zu machen, am spannendsten, weil Liebe und Sexualität bei Priestern nicht erlaubt, weil es eine Sünde ist. Auf der einen Seite glaubt er an Gott, auf der anderen Seite hat er die Sehnsucht nach Nähe. Er will seine Sexualität leben – verschärfend kommt hinzu, dass er homosexuell ist. Die katholische Kirche bezeichnet Homosexualität als unnatürlich und sogar der Natur des Menschen zuwiderlaufend, wie es Ratzinger sagte. Das ist eine dramatische Situation für die es keine gute Lösung gibt. Darum mag ich die Geschichte. Die Situation ist beinahe klaustrophobisch. Ein weiterer Grund, warum ich diesen Film machen wollte, liegt übrigens in der Tatsache, dass es in Polen bisher keine Filme über dieses Thema gibt: keinen Film über Homosexualität, keinen Film über Priester. Jetzt haben wir endlich einen und vielleicht regen wir ja damit eine Diskussion an."
Hettinger: "Wie haben Sie die Balance gefunden zwischen der Innerlichkeit, dem Kräftespiel innerhalb der Personen - die ja zerrissen ist - und dem Thema?"
Szumowska: "Ich wollte den Priester als Menschen zeigen. Ich wollte ihn verstehen und ihn gleichzeitig beschützen - ein Paradox. Deshalb habe ich keinen Film über Missbrauch, sondern über Liebe gemacht – oder besser über fehlende Liebe. Als ich mit dem Schauspieler gearbeitet habe, wollte ich diesen Charakter ganz menschlich anlegen – Ich wollte ihn nicht in erster Linie als Priester sehen. Deshalb habe ich Andschej und Mateusch, meine beiden Haupthelden, auch gebeten, keine Homosexuellen zu spielen. Sie sollten Liebe verkörpern, Verlangen – nicht Homosexualität. Völlig unideologisch, verstehen Sie? Wenn der Film am Ende eine Ideologie oder eine Position hat, dann war die während der Arbeit daran nicht zu spüren. Wir haben uns auf die kleinen menschlichen Dinge konzentriert."
Hettinger: "Das eindrucksvolle an diesem Film ist die extreme Bebilderung, diese Wucht. Das hat schon was symphonisches, erinnert an die großen Passionsmusiken. War dieser protoreligiöse Aspekt beabsichtigt?"
Szumowska: "Pawel Mykietyn, der den Großteil der Musik komponiert hat, der ist wirklich beinahe so berühmt wie Penderezki. Wir haben noch eine Gitarremusik von einem anderen Komponisten. Sie ist das musikalische Thema für die Beziehung zwischen dem Priester und Humpty, für ihre kleine Welt.
Die symphonische Musik von Pawel Mykietyn symbolisiert – im Kontrast dazu - den Glauben, die Religion. Deshalb wollte ich zwei unterschiedliche Musiken."
Hettinger: "In Deutschland ist man immer gleich in einer gewissen Schiene, wenn man über katholische Kirche und Homosexualität spricht. Da hat man direkt Anklänge an die Missbrauchsdebatte. Ihr Film verhandelt dieses Thema ganz unaufgeregt: katholische Priester und Homosexualität. Wird dieser Diskurs in Polen anders geführt?"
Szumowska: "Nein, es ist genauso aggressiv, vielleicht nicht so stark wie hier, da wir sehr konservativ sind, aber hier ist es ja ein Riesenthema. Ich wollte auch keinen Film über Pädophilie machen. Ich wollte keinen Film über solche populären Debattenthemen machen, verstehen Sie? Es sollte ein kunstvoller, kein populärer Film werden, der nur existiert solange ein Problem vorliegt und dann in der Versenkung verschwindet. Das Thema ist sehr problematisch, aber ich stelle mich der Diskussion. In diesem Film geht es nicht um Belästigung oder Missbrauch."
Hettinger: "Was erzählt ihr Film über das heutige Polen?"
Szumowska: "Er zeigt, dass es uns immer noch schwer fällt, Andersartigkeit zu akzeptieren. Das zeigen die Leute im Film, die andere als Schwule oder Juden bezeichnen – oder was auch immer. Umgang mit Andersartigkeit fällt uns immer noch schwer, ob das nun ein Homosexueller ist oder sonst was, auch Feministinnen werden gern angefeindet. In Polen wird man gefragt: Oh, Sie sind Feministin. Wie kommt’s, dass Sie nicht alt und hässlich sind? Das böse Klischee existiert nach wie vor, aber ich hoffe, dass sich das ändert. Ich habe diesen Film gemacht, um irgendwie dieses Anderssein zu beschützen – und, um zu zeigen, dass ich keine Angst davor habe, genau das in Polen zu thematisieren."
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Subtile Form der Erpressung
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