Auch Turbokühe machen Mühe
Der Milchpreis ist im Keller und die Bauern protestieren. Sie fordern einen "gerechten Preis". Aber der Preisverfall kommt nicht von ungefähr – er ist die unvermeidliche Folge einer Überproduktion.
Haben die Landwirte heute mehr Kühe im Stall? Im Gegenteil, die Zahl der Rinder ist seit der Einführung der Milchquote im Jahre 1983 um 40 Prozent gesunken – bei gestiegener Milcherzeugung. Eine Kuh liefert heute erheblich mehr Milch – bei den Hochleistungsrindern, den sogenannten Turbokühen hat sich der Milchausstoß in den letzten 50 Jahren sogar verdreifacht.
Was bitte sind Turbokühe? Eine Rinderrasse namens Holstein-Frisian, kurz HF genannt. Wir verdanken sie amerikanischen Züchtern, die haben sie aus unserer Schwarzbunten von der Nordseeküste gezüchtet. Die Milchleistung dieser Rinder ist enorm. 1955 lag sie pro Rind noch bei 4.000 Litern pro Jahr, jetzt sind es bei den HF-Kühen bis zu 15.000 Liter. Im Laufe eines Lebens liefern sie 100.000 Liter und mehr – das sind mehr als drei Sattelzüge Milch. Diese unglaublichen Milchmengen weckten natürlich weltweites Interesse an der Spezialkuh. Da der Lebendtransport ziemlich teuer ist, wird das Sperma der Bullen tief gefroren und in alle Welt verschickt. Auf diese Weise erreicht der züchterische Fortschritt heute auch die letzten Dörfer auf unserem Globus. Sie werden überall eingekreuzt.
Ist die Milch von Turbokühen anders? Nein, Milch bleibt Milch. Die Fütterung hat einen größeren Einfluss auf die Zusammensetzung der Milch als die Rasse. Problematischer ist etwas anderes: Nämlich die Züchtungsziele selbst. Man wollte bei den Maschinen sparen, also hat man die HF-Kühe auf leichte Melkbarkeit gezüchtet, seither plätschert die Milch schneller in den Tank. Aber wo die Milch so leicht herauskommt, kommen ebenso leicht Krankheitskeime ins Euter hinein. Die Folge sind Euterentzündungen. Deshalb kommen viele Tiere schon nach der ersten oder zweiten Laktation zum Schlachter. Also nach den ersten 10.000 Litern.
Sind die HF-Rinder insgesamt krankheitsanfälliger als unsere älteren Rassen? Sie sind wesentlich empfindlicher. HF-Tiere reagieren schnell auf Fütterungsfehler, dann kommt’s beispielsweise zur Labmagenverlagerung, oder die Tiere entwickeln die sogenannte Segelbeinigkeit. Die führt dann dazu, dass die Klauen schief abgelaufen werden, so dass hier regelmäßig die Klauen versorgt werden müssen. Hinzu kommt, dass die extremen Leistungen optimale Haltungsbedingungen erfordern. Beim Rind steigert ein guter persönlicher Kontakt des Halters zum Tier die Milchmenge erheblich. Dazu kommt das richtige Ambiente: Ein moderner Kuhstall ist hoch und hell, die Tiere können sich frei darin bewegen, sie haben Scheuerbürsten, und natürlich viel Platz zum Fressen.
Dann verschwinden endlich die alten, muffigen Ställe, wie es sie früher gab? Ja natürlich, aber auch die alten Ställe hatten ihre Vorteile. Sie waren zwar nicht tiergerecht, aber dafür ökologisch. Denn die Ställe lagen früher vielfach unterhalb der Wohnstube. Die Tiere wurden als Heizung genutzt. Je kleiner die Fenster, je niedriger die Bauweise, desto geringer die Wärmeverluste. Solche Bauernhöfe – oder wenn Sie wollen Energiesparhäuser - können Sie heute noch im Schwarzwald bewundern. Daneben hatten die Rinder aber noch mehr Aufgaben als nur die Milcherzeugung und Heizung. Gleichermaßen war ihr Fleisch wichtig und sie waren vor der Erfindung des Autos als Zugtiere, als Transportmittel unverzichtbar.
Aber die "Abgase" der Rinder stehen heute ebenso in der Kritik wie die von Autos. Beim Wiederkäuen entsteht Methan, das die Kühe ständig abrülpsen. Das ist der Preis dafür, dass sie keine Nahrungskonkurrenten zum Menschen sind. Sie sind in der Lage, in ihrem Pansen auch Stroh und Heu, das heißt Zellulose, aufzuschließen und daraus Milch und Fleisch zu produzieren. Das gilt nebenbei bemerkt nicht nur für Wiederkäuer, die wir essen, sondern auch für Kleinvieh, wie Termiten, die ebenfalls Zellulose zersetzen. Die produzieren gleichermaßen jede Menge Methan. Wenn Sie an Rinder Tiermehl füttern, sinkt der Methanausstoß, weil es leicht verdaulich ist. Es ist immer eine Frage, von welcher Seite man die Dinge betrachtet.
Literatur:
Wetzel S: Ausgemolken: Die Turbokuh. EU.L.E.n-Spiegel 2009; Heft 2: S.1-2 (online abrufbar)
Was bitte sind Turbokühe? Eine Rinderrasse namens Holstein-Frisian, kurz HF genannt. Wir verdanken sie amerikanischen Züchtern, die haben sie aus unserer Schwarzbunten von der Nordseeküste gezüchtet. Die Milchleistung dieser Rinder ist enorm. 1955 lag sie pro Rind noch bei 4.000 Litern pro Jahr, jetzt sind es bei den HF-Kühen bis zu 15.000 Liter. Im Laufe eines Lebens liefern sie 100.000 Liter und mehr – das sind mehr als drei Sattelzüge Milch. Diese unglaublichen Milchmengen weckten natürlich weltweites Interesse an der Spezialkuh. Da der Lebendtransport ziemlich teuer ist, wird das Sperma der Bullen tief gefroren und in alle Welt verschickt. Auf diese Weise erreicht der züchterische Fortschritt heute auch die letzten Dörfer auf unserem Globus. Sie werden überall eingekreuzt.
Ist die Milch von Turbokühen anders? Nein, Milch bleibt Milch. Die Fütterung hat einen größeren Einfluss auf die Zusammensetzung der Milch als die Rasse. Problematischer ist etwas anderes: Nämlich die Züchtungsziele selbst. Man wollte bei den Maschinen sparen, also hat man die HF-Kühe auf leichte Melkbarkeit gezüchtet, seither plätschert die Milch schneller in den Tank. Aber wo die Milch so leicht herauskommt, kommen ebenso leicht Krankheitskeime ins Euter hinein. Die Folge sind Euterentzündungen. Deshalb kommen viele Tiere schon nach der ersten oder zweiten Laktation zum Schlachter. Also nach den ersten 10.000 Litern.
Sind die HF-Rinder insgesamt krankheitsanfälliger als unsere älteren Rassen? Sie sind wesentlich empfindlicher. HF-Tiere reagieren schnell auf Fütterungsfehler, dann kommt’s beispielsweise zur Labmagenverlagerung, oder die Tiere entwickeln die sogenannte Segelbeinigkeit. Die führt dann dazu, dass die Klauen schief abgelaufen werden, so dass hier regelmäßig die Klauen versorgt werden müssen. Hinzu kommt, dass die extremen Leistungen optimale Haltungsbedingungen erfordern. Beim Rind steigert ein guter persönlicher Kontakt des Halters zum Tier die Milchmenge erheblich. Dazu kommt das richtige Ambiente: Ein moderner Kuhstall ist hoch und hell, die Tiere können sich frei darin bewegen, sie haben Scheuerbürsten, und natürlich viel Platz zum Fressen.
Dann verschwinden endlich die alten, muffigen Ställe, wie es sie früher gab? Ja natürlich, aber auch die alten Ställe hatten ihre Vorteile. Sie waren zwar nicht tiergerecht, aber dafür ökologisch. Denn die Ställe lagen früher vielfach unterhalb der Wohnstube. Die Tiere wurden als Heizung genutzt. Je kleiner die Fenster, je niedriger die Bauweise, desto geringer die Wärmeverluste. Solche Bauernhöfe – oder wenn Sie wollen Energiesparhäuser - können Sie heute noch im Schwarzwald bewundern. Daneben hatten die Rinder aber noch mehr Aufgaben als nur die Milcherzeugung und Heizung. Gleichermaßen war ihr Fleisch wichtig und sie waren vor der Erfindung des Autos als Zugtiere, als Transportmittel unverzichtbar.
Aber die "Abgase" der Rinder stehen heute ebenso in der Kritik wie die von Autos. Beim Wiederkäuen entsteht Methan, das die Kühe ständig abrülpsen. Das ist der Preis dafür, dass sie keine Nahrungskonkurrenten zum Menschen sind. Sie sind in der Lage, in ihrem Pansen auch Stroh und Heu, das heißt Zellulose, aufzuschließen und daraus Milch und Fleisch zu produzieren. Das gilt nebenbei bemerkt nicht nur für Wiederkäuer, die wir essen, sondern auch für Kleinvieh, wie Termiten, die ebenfalls Zellulose zersetzen. Die produzieren gleichermaßen jede Menge Methan. Wenn Sie an Rinder Tiermehl füttern, sinkt der Methanausstoß, weil es leicht verdaulich ist. Es ist immer eine Frage, von welcher Seite man die Dinge betrachtet.
Literatur:
Wetzel S: Ausgemolken: Die Turbokuh. EU.L.E.n-Spiegel 2009; Heft 2: S.1-2 (online abrufbar)