Audioarchiv der Meere

Die Sprache der Fische

07:13 Minuten
Der Kopf eines Austernkrötenfisch mit geöffnetem Maul.
Ein Austernkrötenfisch stöhnt fast ein wenig erotisch, wenn er auf sich aufmerksam machen will. © imago / StockTrek / Karen Doody
Von Christine Westerhaus · 01.09.2022
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Es klingt, als würden sie stöhnen, furzen oder klatschen: Stumm sind Fische nicht. Dank neuer Technik können Forscher die Geräusche aufnehmen. Nun soll eine Datenbank dabei helfen, mehr über die Verständigung der Fische zu erfahren.
Klack, klack, klack: So in etwa klingt ein Damselfisch auf der Suche nach einem paarungsbereiten Weibchen. Ein Austernkrötenfisch stöhnt dagegen schon fast ein wenig erotisch, wenn er auf sich aufmerksam machen will.
Selten geht die Paarung unter Wasser jedenfalls in aller Stille vor sich, sagt Bioakustiker Miles Parsons. Sei es um einen Partner anzulocken oder beim eigentlichen Liebesakt, so der Forscher vom Australischen Institut für Meereswissenschaft. „Tief, dunkel und schmutzig: So beschreibe ich den Lebensraum von Fischen, denn Licht breitet sich im Wasser nicht gut aus“, erzählt er. „Selbst, wenn es kristallklar ist, sind es nur zehn, 20 Meter.“ Geräusche hingegen könne man unter Wasser bis zu 500 Meter weit hören. „Weibchen können anhand der Frequenz und Lautstärke der Töne sogar die Größe und die Fitness der Männchen abschätzen.“
Ein Schwarm Kurzkopf-Damselfisch
Auch Damselfische geben zur Paarung Laute von sich.© picture alliance / imageBroker / Dirscherl
Dank moderner Unterwassermikrofone haben Forschende auf der ganzen Welt diese faszinierende Akustik im Meer in den vergangenen Jahren immer weiter erschlossen. Inzwischen lasse sich sogar jedes Smartphone mit einem wasserdichten Mikrofon ausstatten, so Parsons.

Audioaufnahmen aus 500 Metern Tiefe

Aufnahmen zu machen ist also so einfach wie nie, doch die Auswertung wird dadurch komplizierter. Früher seien die Leute mit einem alten Kassettenaufnahmegerät, einem Kopfhörer und einem Unterwassermikrofon rausgegangen, sagt Parsons. „Sie haben ihre Ausrüstung ins Wasser gehängt und damit diese fünf bis zehn Minuten Aufnahmen gemacht, die sie dann manuell ausgewertet haben. Aber heutzutage können Forschende mit moderner Technik Aufnahmen in 500 Metern Wassertiefe über kilometerlange Strecke machen. Sie produzieren jahrelange Mitschnitte und bringen dann Terabytes an Daten zurück."
Oftmals landen die Daten auf lokalen Festplatten und sind so für andere Forschende nur begrenzt zugänglich. Deshalb plant Miles Parsons gemeinsam mit anderen Bioakustikern, eine Online Plattform zu schaffen. Sie soll mit anderen Portalen verknüpft werden, die etwa Geräusche automatisch erkennen können. Ein Online-Forum ist geplant, auf dem sich Forschende über den Ursprung und den Inhalt bestimmter Aufnahmen austauschen können. Und: Auch Laien sollen bei der Analyse der Meeresgeräusche mitmachen.

Eine Online-Datenbank der Geräusche

Zu tun gibt es genug. Denn bei sehr vielen Aufnahmen sei noch völlig unklar, wer die Töne von sich gegeben hat. „Unser langfristiges Ziel ist es, eine globale Bibliothek für Unterwassergeräusche zu schaffen.“ Eine solche Plattform habe viele Anwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel, um Arten zu verwalten oder für Renaturierungsprojekte. „Wir können anhand der Geräusche auch weltweite Landkarten über die Verbreitung bestimmter Arten erstellen – oder darüber, wie sich der Gesang von beispielsweise Walen im Laufe der Zeit oder auch je nach Verbreitungsgebiet variiert.“ Eine Studie habe vor ein paar Jahren zum Beispiel gezeigt, dass sich die Rufe der Buckelwale verändern, wenn sie durch den Pazifischen Ozean wandern.

Stille in den Weltmeeren danke Covid

Auch die Covid-Pandemie lieferte Forschenden eine wahrscheinlich einmalige Gelegenheit für ein Experiment. Weil der Schiffsverkehr einbrach, war es in den Weltmeeren so still, wie selten zuvor. Womöglich zeigt sich bei der Auswertung von Aufnahmen aus dieser Zeit, dass manche Meeresbewohner in dieser Stille ihre Geräusche änderten.
Schon heute ist klar: Fische ändern je nach Gemütszustand ihre Laute. Carolyn Rosten vom norwegischen Institut für Naturforschung in Trondheim hat diese Entdeckung eher zufällig gemacht. Sie belauschte gerade Lachse in einer nahegelegenen Aquakultur, als eine Horde Kinder zu Besuch kam. „Und wie Kinder so sind, liefen sie um die Fischtanks herum, riefen und winkten sich zu. Wir konnten sehen, dass die Lachse wegschwammen und sich an den Rand der Tanks drängten, als ob sie vor den Kindern flüchten wollten. Als wir uns hinterher die Unterwasser- Aufnahmen anhörten, bemerkten wir, dass sich die Frequenz der Fischgeräusche in dem Moment änderte, als die Schulkinder auftauchten.“
Bislang wird der Gemütszustand von Zuchtlachsen vor allem mit Kameras überwacht. Sie zu belauschen, könnte womöglich besser funktionieren, glaubt Carolyn Rosten. „In diesen Fischtanks sind jeweils um die 200.000 Lachse und es ist unmöglich, mit Kameras alle gleichzeitig zu sehen“, sagt sie. Aber mit Mikrofonen höre man alle Tiere. „Es ist ein bisschen wie in einem Stadion. Man braucht die Kommentare des Reporters eigentlich gar nicht, wenn man nur die Akustik der Zuschauer hört. Denselben Ansatz nutzen wir in den Fischtanks: Wir hören an den Änderungen des Geräuschteppichs, wie es der gesamten Gruppe geht.“

Ein Klang wie Blähungen

Solche Beobachtungen sollen in dem neuen Weltarchiv für Unterwassergeräusche ebenfalls ihren Platz finden, findet Miles Parsons. Er selbst beschäftigt sich in seiner Forschung vor allem mit Umberfischen und ihrem eindrucksvollen Lautrepertoire.
Bei dieser Art versetzen die Männchen ihre Schwimmblase in Schwingungen, um Weibchen anzulocken. Für das menschliche Ohr klingen die Laute übrigens nicht anziehend, sondern signalisieren eher: Achtung – Abstand halten! „Als ich das erste Mal auf einem Fluss unterwegs war, um Umberfische aufzunehmen, saß ich mit einem anderen Forscher im Boot. Die Laute der Umberfische sind sehr laut und klingen, als hätte jemand Blähungen, und als wir beide dort saßen und sich diese Geräusche über den Rumpf im ganzen Boot verteilten, mussten wir beide laut lachen“, erzählt Parsons. „Es hörte sich wirklich so an, als würde einer von uns beiden die ganze Zeit laut furzen.“ 

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