Auf dem Weg zu einem friedlichen Miteinander

Von Hakan Turan |
Die Zeichen zwischen türkischer Regierung und kurdischen Rebellen stehen auf Annäherung. Eine Versöhnung wäre ein Meilenstein, meint Hakan Turan. Sollten die Verhandlungen jedoch scheitern, bedeute das Krieg.
Die Türken beginnen, ihren Frieden mit den Kurden zu machen, und die Kurden mit den Türken - das könnte die Botschaft des diesjährigen Newroz-Festes zum Frühlingsbeginn sein.

Türken und Kurden suchen schon lange den Weg für ein friedliches Miteinander, haben aneinander gelitten, sich gegenseitig enttäuscht und immer wieder neuen Anlauf genommen. Doch diesmal könnte es gelingen, weil Recep Tayyip Erdoğan, Ministerpräsident in Ankara, und sein Gegenspieler Abdullah Öcalan, inhaftierter Chef der kurdischen PKK, einige mutige und politisch riskante Schritte aufeinander zu gemacht haben.

Seit ihrer Gründungszeit tolerierte die türkische Republik die Minderheit der Kurden - jedoch unter der Bedingung, dass sie ihre kurdische gegen eine türkische Identität tauschen. Kurdische Sprache und Kultur wurden bis vor wenigen Jahren noch gewaltsam unterdrückt, Organisationen und Parteien verboten. Noch in den 90ern wurden mutmaßliche Helfer der PKK in Staatsgefängnissen gefoltert, ganze Dörfer evakuiert und vernichtet.

Viele Türken erfuhren aus den Medien nur vom Terror kurdischer Rebellen, nicht jedoch vom Ausmaß des großen Leids der Kurden.

Von 1978 an hatte sich der Konflikt zugespitzt, als sich die PKK gründete, um für ein autonomes Kurdengebiet im Südosten der Türkei zu kämpfen. Politisch brisant war dies auch deswegen, weil in den benachbarten Regionen Irans, Iraks und Syriens ebenfalls Kurden leben, die an Autonomie interessiert waren. Die PKK verübte seitdem Terroranschläge auf staatliche und bisweilen auch zivile Ziele in der Türkei, und ging drastisch gegen Kritiker aus kurdischen Kreisen vor.

Doch nach 30 Jahren des Krieges und über 40.000 Toten hat sich einiges verändert. Abdullah Öcalan, der Chef der PKK, sitzt zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt im türkischen Gefängnis. Und Recep Tayyip Erdoğan, Vorsitzender der konservativen Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) ist seit zehn Jahren ein starker, zuweilen reformfreudiger Premierminister, der die Assimilation der Kurden verurteilte, ganz so, wie er die Versöhnung mit anderen Minderheiten einleitete.

Und er hatte damit Erfolg. Mittlerweile wählt mehr als die Hälfte der kurdischen Landsleute, selbst in kurdisch-dominierten Gebieten, die Regierungspartei AKP. Sie wurde der prokurdischen Partei für "Frieden und Demokratie" (BDP), die der PKK nahesteht, zur Gegnerin und Rivalin.

Und nicht nur das. Seit dem Jahre 2011 verhandelt der Staat mit der PKK - neuerdings sogar vor den Augen der Öffentlichkeit. Dies war für die Türkei ein außerordentlicher Tabubruch. Seit kurzem dürfen Öcalan auch Oppositionspolitiker der BDP besuchen. Sie überbrachten der PKK Friedenspläne ihres inhaftierten Führers. Darauf ließ die PKK türkische Geiseln frei, was als Zeichen des Aussöhnungswillens der Rebellen verstanden wurde.

Kritiker unterstellen Erdoğan, die Gespräche mit Öcalan zielten auch darauf ab, kurdische Abgeordnete für den Plan zu gewinnen, ein Präsidialsystem einzuführen. Jedenfalls geben sich Politiker der Regierungspartei wie der kurdischen Opposition größte Mühe die übliche Polemik zu vermeiden, positive Signale zu senden und die jeweilige Basis vom neuen Kurs zu überzeugen.

Beiden Seiten scheint klar zu sein, dass ein Scheitern der Friedensverhandlungen zu einem noch brutaleren Krieg führen würde. Demgegenüber könnte die Botschaft zum Newroz-Fest sein, dass die PKK einem Waffenstillstand zustimmt und sich vollständig aus der Türkei zurückzieht, während die Kurden im Lande endlich als vollwertige Bürger mit eigener kultureller Identität behandelt werden. Das wäre ein Meilenstein für die Türkei.

In diesem Sinne bleibt nur, einen frohen Frühlingsanfang zu wünschen: nevruzunuz kutlu olsun – newroz pîroz be!

Hakan Turan, Jahrgang 1979, studierte Diplom-Physik, Mathematik und Philosophie in Stuttgart und Tübingen, ging in den Schuldienst und arbeitet derzeit als Studienrat in Stuttgart.
Er engagiert sich für die Themen "Integration" und "interkulturelle Öffnung", unter anderem im Stuttgarter Projekt "Migranten machen Schule".
Als Autor schreibt er für Lehrerzeitschriften und verfasst Essays über "Islam und Moderne" auf seinem Blog www.andalusian.de.
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Hakan Turan© privat