Auf den Kopf gestellt

Von Alexandra Gerlach |
Das Albertinum in Dresden wird nach mehrjähriger Schließzeit wieder eröffnet. Der aus Sachsen stammende Künstler Georg Baselitz besuchte schon vorher das Museum, um die Hängungen seiner Bilder in seinem Saal zu begleiten.
Eine halbe Stunde mit Georg Baselitz im Albertinum. Eine seltene Gelegenheit, den etwas unnahbaren, selbstbewussten Künstler aus der Nähe zu erleben. Dunkel gekleidet mit Hut kommt er schwungvoll um die Ecke in "seinen" Saal spaziert, schaut freundlich nickend auf den einen oder anderen Journalisten, lüftet mehrfach den Hut für die im Pulk aufgestellten Kameras der Fotografen und dann geht es los. Wie es ihm denn gefalle in seinem neuen Saal, im Albertinum, lautet die erste Frage?

"Euh, das ist aber eine schwierige Frage. Großartig! Oder was erwarten Sie?"

Seit 54 Jahren kenne er das Albertinum. Er bewundere die Leistung, die beim Umbau des Museums erbracht worden sei, sagt Georg Baselitz und glaubt offenbar doch nicht recht an den gewünschten Erfolg, den dieses Haus künftig neben all den Sammlungen Barocker Kunst als Dresdner Haus der Moderne haben soll:

"Weil ich weiß nicht ob Dresden sich überhebt oder das ganze Land sich überheblich glaube, es gibt wenig Tourismus für zeitgenössische Kunst."

Georg Baselitz, der 1938 als Hans-Georg Kern in Deutschbaselitz in der Oberlausitz geboren wurde, macht keinen Hehl daraus, dass er ein schwieriges Verhältnis zu Dresden hat:

"Ich habe mich immer zugehörig gefühlt zur Oberlausitz, Dresden war mir immer fremd, aber ich habe so tolle Dinge hier erlebt, und ich erzähle es nicht noch einmal mein Geschichte, also ich hab Ziegen gehütet in Dresden, und das kann nicht jeder von sich sagen."

Baselitz, der ab 1956 an der Ostberliner Hochschule für bildende und angewandte Kunst studierte, wurde nach nur zwei Semestern mit der Begründung der "gesellschaftlichen Unreife" des Studienplatzes verwiesen. Er siedelte über nach Westberlin und setzte dort bis 1964 sein Studium an der Hochschule für bildende Künste fort. Seither hat er Karriere im Westen der Republik gemacht, seit 1961, dem Jahr des Mauerbaus unter dem Namen "Baselitz." Und so schwierig sein Verhältnis zu Dresden auch sein mag, in seinem künstlerischen Wirken habe die Stadt immer wieder eine wichtige Rolle gespielt, sagt Baselitz:

"Ich hab hier ganz, ganz schwere, tiefe Erlebnisse gehabt und reise mit dieser Vergangenheit nun schon 50 Jahre durch den Westen und habe das eben nie vergessen und nie verlassen, sondern habe den Stoff, den ich damals hier aufgeladen habe, das Material immer noch bei mir."

Gleich mehrere Bilder und Skulpturen habe er geschaffen, die einen direkten Bezug zur Stadt haben, im Titel und im Modell. Beispielsweise die Dresdner Frauen, als Skulpturen, von denen eine nun im neuen Baselitz-Saal im Albertinum steht. 12 Werke von Georg Baselitz werden künftig in der Dauerausstellung zu sehen sein. Sichtlich Stolz steht Baselitz an diesem Nachmittag vor dem Hauptbild, mit dem Titel "The Rich Ghost Supper". Dies ist keine Leihgabe, sondern konnte vom Museum erworben werden. Darauf ist er besonders stolz, dass das gelungen ist. Der Traum eines Künstlers sei es doch, dauerhaft im Museum zu hängen, sagt er und lacht. Anders verhält es sich bei den fünf Kopf-über-gemalten Porträts an einer der langen Seiten des Saales. Diese sind unverkäuflich:

"Das sind die ersten umgekehrten Bilder, die ich gemacht habe, 1969. Und die Absicht war eine Malerei vorzuführen, ein Bildmodell vorzuführen, was inhaltlich frei sein sollte, nicht im Sinne von abstrakt, sondern frei von Dramaturgie, frei von Pathos frei von Last. Deshalb habe ich meine Frau gemalt, meinen Händler gemalt, meinen anderen Händler gemalt, meinen Interpreten gemalt und einen Sammler, die hängen jetzt alle auf der Wand."

Im Albertinum wird Georg Baselitz nun Wand an Wand mit dem gleichfalls berühmten Gerhard Richter, mit ausgewählten Werken residieren. Privat verbindet die beiden wenig, wenngleich Baselitz neidlos anerkennt, dass Richter der erfolgreichere von ihnen beiden sei. Doch große Verbundenheit der beiden Sachsen gibt es nicht:

"Weil zum Beispiel diese Zugehörigkeit zum Westen, zur Westkultur, zur Popart, zu Amerika, die habe ich immer vermieden. Richter nicht. Also, so sind unsere Beziehungen. Wir sind natürlich vollständig getrennt, jeder macht seine Sachen, wir sitzen nie zusammen, es gibt keine Korrespondenz."