Auf den Spuren des eigenen Vaters
Aris Fioretos ist Wissenschaftler und als solcher auch mit seinen Büchern bekannt geworden. Bereits in seinem vorigen Roman "Der letzte Grieche" hat er sich mit der eigenen Geschichte befasst - in "Die halbe Sonne" erzählt er nun die seines Vaters.
Die Muttersprache von Aris Fioretos ist Schwedisch. Seine Mutter allerdings ist Österreicherin, und sein Vater, wie der Name bereits verrät, Grieche. Man könnte also meinen, er sei der ideale europäische Autor, ein Gesamteuropäer – doch er hat in den USA studiert und dort auch schon lange Zeit als Gastprofessor gearbeitet. Englisch beherrscht er wie Schwedisch, und Griechisch wie auch Deutsch hat er bereits früh in Schweden gelernt. Sind diese Sprachen nur kleine Fußnoten, Arabesken innerhalb der Globalisierung? Was entsteht hier für eine Identität?
Fioretos hat glänzende Essays und wissenschaftliche Texte verfasst, und als Autor begann er furios mit Romanen, die auf der Höhe wissenschaftlicher Erkenntnisse von Wissenschaft handelten und dabei immer gezielter in Grauzonen vorstießen, die sich nur noch literarisch erklären ließen, nicht mehr diskursiv. Autobiografisches Schreiben konnte man sich bei diesem Autor kaum vorstellen.
Dann erschien der Roman "Der letzte Grieche" (auf deutsch 2011), und hier verarbeitete er zum ersten Mal eigene Erfahrungen. Es ging anhand einer halbfiktiven, halbauthentischen Figurenkonstellation um das Spannungsfeld zwischen Schweden und Griechenland, um die Besichtigung zweier europäischer Extreme. "Die halbe Sonne" führt nun anscheinend mitten ins Zentrum: Es geht, ohne die Gattungsbezeichnung Roman oder Erzählung, um Fioretos Vater.
Auf der Flucht vor dem Obristenregime in Griechenland, der Militärdiktatur, kam der Vater nach Schweden und blieb dort 30 Jahre. Dann kehrte er nach Griechenland zurück und baute sich in der Nähe seines Heimatdorfes ein Haus. Aris Fioretos unternimmt eine Spurensuche, die vom Totenbett des Vaters ausgeht und sich dabei chronologisch immer weiter in die Vergangenheit vorarbeitet. Doch da dieser Autor sich intensiv mit den Schreibweisen und formalen Möglichkeiten der Moderne und der Nachmoderne beschäftigt hat, ist der Text gleichzeitig ein Experiment – ohne dabei etwas von seiner leichten Lesbarkeit und seinem poetischen Ton zu verlieren. Wie kann es gelingen, seinen eigenen Vater durch Sprache "noch einmal zu machen"?
Fioretos entwickelt leichthändig eine Schreibweise, die zwei Pole umfasst. Da ist zum einen ein distanzierter, sachlicher, das Sujet fernrückender und sorgsam wieder heranzoomender Ton, zum anderen aber die sinnliche Aufladung scheinbar nebensächlicher Details. Dabei entsteht eine Art nüchterner Poesie, die vor allem durch ihre kleinen, von innen heraus leuchtenden Bilder lebt. "Die halbe Sonne" etwa: Das geht von einer geteilten Orange aus, entfaltet aber eine große metaphorische Wirkung. Oder das 30er-Jahre-Design früher schwedischer Streichholzschachteln: Es verschmilzt untrennbar mit der Aura des Vaters. Die Sprache dieses Autors hat oft etwas verblüffend Einfaches, aber man weiß in jedem Moment, dass man sich dabei nie zu sicher fühlen sollte. Dass Paul Berf das in ein makelloses Deutsch überführt, ist ein weiterer Vorzug dieses Buches.
Besprochen von Helmut Böttiger
Aris Fioretos: Die halbe Sonne. Ein Buch über einen Vater
Aus dem Schwedischen von Paul Berf
Carl Hanser Verlag, München 2013
191 Seiten, 14,99 Euro
Fioretos hat glänzende Essays und wissenschaftliche Texte verfasst, und als Autor begann er furios mit Romanen, die auf der Höhe wissenschaftlicher Erkenntnisse von Wissenschaft handelten und dabei immer gezielter in Grauzonen vorstießen, die sich nur noch literarisch erklären ließen, nicht mehr diskursiv. Autobiografisches Schreiben konnte man sich bei diesem Autor kaum vorstellen.
Dann erschien der Roman "Der letzte Grieche" (auf deutsch 2011), und hier verarbeitete er zum ersten Mal eigene Erfahrungen. Es ging anhand einer halbfiktiven, halbauthentischen Figurenkonstellation um das Spannungsfeld zwischen Schweden und Griechenland, um die Besichtigung zweier europäischer Extreme. "Die halbe Sonne" führt nun anscheinend mitten ins Zentrum: Es geht, ohne die Gattungsbezeichnung Roman oder Erzählung, um Fioretos Vater.
Auf der Flucht vor dem Obristenregime in Griechenland, der Militärdiktatur, kam der Vater nach Schweden und blieb dort 30 Jahre. Dann kehrte er nach Griechenland zurück und baute sich in der Nähe seines Heimatdorfes ein Haus. Aris Fioretos unternimmt eine Spurensuche, die vom Totenbett des Vaters ausgeht und sich dabei chronologisch immer weiter in die Vergangenheit vorarbeitet. Doch da dieser Autor sich intensiv mit den Schreibweisen und formalen Möglichkeiten der Moderne und der Nachmoderne beschäftigt hat, ist der Text gleichzeitig ein Experiment – ohne dabei etwas von seiner leichten Lesbarkeit und seinem poetischen Ton zu verlieren. Wie kann es gelingen, seinen eigenen Vater durch Sprache "noch einmal zu machen"?
Fioretos entwickelt leichthändig eine Schreibweise, die zwei Pole umfasst. Da ist zum einen ein distanzierter, sachlicher, das Sujet fernrückender und sorgsam wieder heranzoomender Ton, zum anderen aber die sinnliche Aufladung scheinbar nebensächlicher Details. Dabei entsteht eine Art nüchterner Poesie, die vor allem durch ihre kleinen, von innen heraus leuchtenden Bilder lebt. "Die halbe Sonne" etwa: Das geht von einer geteilten Orange aus, entfaltet aber eine große metaphorische Wirkung. Oder das 30er-Jahre-Design früher schwedischer Streichholzschachteln: Es verschmilzt untrennbar mit der Aura des Vaters. Die Sprache dieses Autors hat oft etwas verblüffend Einfaches, aber man weiß in jedem Moment, dass man sich dabei nie zu sicher fühlen sollte. Dass Paul Berf das in ein makelloses Deutsch überführt, ist ein weiterer Vorzug dieses Buches.
Besprochen von Helmut Böttiger
Aris Fioretos: Die halbe Sonne. Ein Buch über einen Vater
Aus dem Schwedischen von Paul Berf
Carl Hanser Verlag, München 2013
191 Seiten, 14,99 Euro