Auf den Spuren Jesu im heiligen Land

Von Ita Niehaus |
Nazareth – hier erfuhr dem Lukas-Evangelium zufolge Maria vom Erzengel Gabriel, dass sie ein Kind empfangen würde, und hier verbrachte Jesus seine Kindheit. Dass man im gelobten Land auch sehr schöne Wanderungen unternehmen kann, ist den meisten Israel-Touristen aber neu.
Heute ist Nazareth mit über 66.000 Einwohnern die größte arabische Stadt Israels. Und schon lange wohnen in Nazareth mehr Muslime als Christen.Nur wenige Schritte entfernt von der Verkündigungskirche mitten im Souk, im arabischen Marktviertel, liegt eine 200 Jahre alte renovierte Villa: das Fauzi Azar Inn, ein Gästehaus für Rucksacktouristen. Ein romantischer Ort. Im Innenhof Blumen in Terrakotta Töpfen, Wasser, Säulen.

Zwei Männer haben es sich in Korbstühlen bequem gemacht. Die Wanderkarten liegen ausgebreitet auf dem Tisch, die Rucksäcke sind gepackt, die Wasserflaschen gefüllt. Gideon Mazor ist ein erfahrener Wanderer.

"I like to walk […] Ich wandere gerne. Ich mag die Natur, die Menschen. Du triffst immer Menschen unterwegs, interessante Menschen, gute Menschen aus der ganzen Welt. Das ist sehr interessant."

Der 67 Jahre alte pensionierte Landwirt wurde in Israel geboren.

"”My field is about ten meters from the Arabic village…[…] Mein Feld ist ungefähr zehn Meter von einem arabischen Dorf entfernt. Wir leben zusammen. Im Fernsehen in Europa bekommt man den Eindruck, es sei sehr gefährlich in Israel zu leben, überall werde geschossen. Wir fühlen uns sehr sicher. Der Konflikt ist da, aber nicht bei uns.""

Gideon Mazor wandert zusammen mit seinem alten Schulfreund Yariv Katz, einem Tischler aus West Galiläa auf dem Jesus Trail. Von Nazareth soll es in drei Tagen über Kana, wo dem Johannes-Evangelium zufolge Jesus auf einer Hochzeit Wasser in Wein verwandelte, nach Kapernaum am nördlichen Ufer des Sees Genezareth gehen.

"”I do not believe in God, […] Ich glaube nicht an Gott. Aber für jemanden, der nicht daran glaubt, denke ich viel darüber nach. Ich bin nicht religiös, ich bin jüdisch, aber praktiziere meinen Glauben nicht.""

Worauf sich Yariv Katz am meisten freut?

"”To finish it. [...] Den Weg zu beenden. (Lachen) Worauf es ankommt – zu wandern, der Weg.""

"”To walk here […] Dort zu wandern, wo alles angefangen hat, wo Jesus gewandert ist, seine Familie, seine Gemeinde. Wenn Sie nach Magdala gehen, sehen Sie eine Synagoge genau aus der Zeit. Und Sie sehen die Landschaft, die sich nicht verändert hat. Sie haben das Gefühl, Sie gehen zurück in die Vergangenheit. Das ist ein Gefühl, das Sie in keiner Kirche bekommen. Und die Geschichte wird wieder lebendig.""

"”I am a Christian and I am a catholic also […] Ich bin ein katholischer Christ. Ich bin in einem Dorf in Galiläa aufgewachsen. Wenn ich zu den heiligen Stätten gehe, ich bin nicht religiös, ich glaube an Gott, aber nicht sehr stark. Aber ich denke, es ist sehr wichtig, nicht nur zu essen, sondern auch dem Spirituellen, dem Selbst dieses Gefühl zu geben. Und ich habe immer ein ganz besonderes Gefühl an diesen Orten. Sie geben mir Energie, Kraft und Hoffnung, wenn ich dort wandere.""

Unterwegs mit Amir Moran, Projektmanager des Gospel Trails, und Ronny Eid, dem Leiter des Tourismusbüros in Nazareth. Gemeinsam laufen wir den Mount Precipice, dem Berg des Abgrunds, hoch.

Rund 60 Kilometer lang ist der Gospel Trail, der Evangeliums-Weg. Im September wird er offiziell eröffnet. Die Hauptroute ist ähnlich wie beim Jesus Trail. Vom Berg des Abgrunds in der Nähe von Nazareth geht es über Kafr Kanna, Magdala und den Berg der Seligpreisungen bis nach Kapernaum am See Genezareth. Von dort können die Wanderer mit sogenannten Jesusbooten, Holzschiffen, deren Gebrauch zumindest von den Römern überliefert ist, auf dem See Genezareth fahren.

"”This project is from the government from the Ministry of Tourism. […] Dieses Projekt ist von der Regierung, vom Ministerium für Tourismus. Wir verdienen kein Geld damit. Anders als bei Projekten wie dem Jesus Trail, wo Privatleute entschieden haben, einen Wanderweg zu machen und ihm den Namen Jesus Trail zu geben.""

Mehr als 400.000 Euro hat der Staat Israel in den Pilgerweg investiert. Wege wurden geebnet, manche auch neu angelegt, wie etwa der vom Berg des Abgrunds hinunter ins Tal. Geländer sichern steile Wegstrecken. Es gibt Steinbänke, Picknickplätze und Tafeln mit Informationen. Wegweiser aus Basalt mit gelbem Anker auf grün-blauem Hintergrund markieren die Route.

"”Now we see a typical part of the trail, it´s very modest trail. We want to keep the environment as far as we can. Das ist ein typischer Teil des Wanderwegs. Er ist sehr einfach. Wir möchten die Natur so weit wie möglich erhalten.""

Ob Jesus tatsächlich diesen Weg durch Galiläa genommen hat, weiß man nicht. Denn es ist nicht immer einfach, nach biblischer Überlieferung die Wirkungsstätten exakt zu bestimmen. Sicher aber ist: der Evangeliumsweg ist nicht nur etwas für Wanderer und Pilger auf den Spuren Jesu. Auch wer sich für Kulturgeschichte interessiert, findet hier bedeutsame Schauplätze. Wie zum Beispiel die Hörner von Hittim, wo die Armeen der Kreuzritter und der Muslime unter Saladin aufeinanderprallten.

Bereits vor 15 Jahren begann die Israelische Regierung damit, den Gospel Trail zu planen. Doch dann brach die so genannte "Al-Aqsa-Intifada” aus, der palästinensische Aufstand gegen die israelische Besatzung. Alle Tourismusprojekte wurden gestoppt. Vor über fünf Jahren wurden die Planungen dann wieder aufgenommen. Projektmanager Amir Moran holte sich auch Anregungen von Pilgerwegen in anderen Ländern, wie etwa dem Jakobsweg in Spanien. Eine Erfahrung machte er immer wieder, wenn er Wanderern und Experten das Israelische Projekt vorstellte.

"”All of them said, it´s great. [...] Alle sagten, das ist fantastisch. Aber ein Teil von ihnen, ein großer Teil, fragte: ist es auch sicher? Und das ist sehr wichtig. Als wir die Planungen gemacht haben, da haben wir das immer berücksichtigt. Indem wir den Weg sehr, sehr sicher angelegt haben. Galiläa ist sicher, es gibt keinen Terror oder was auch immer. Die Menschen können sich sicher fühlen, wo auch immer sie wandern auf dem Weg.""

Doch der Konflikt zwischen Arabern und Juden ist auch in Galiläa allgegenwärtig. Es brauchte viel Zeit, alle Beteiligten ins Boot zu holen. Nicht nur die verschiedenen Regionalverwaltungen mussten überzeugt werden. Auch Gastwirte, Bauern und Inhaber von arabischen Gästehäusern waren zunächst skeptisch.

"It´s a little bit difficult […] Es ist schon ein bisschen schwierig und auch eine große Herausforderung, aber die Menschen sehen das Potenzial. Inzwischen gibt es keine großen Einwände. Manchmal jedoch, besonders wenn die Spannungen irgendwo zunehmen, sind sie pessimistisch. Und am Anfang haben sie gesagt, das wird nicht funktionieren, die Regierung wird das nicht machen. Aber jetzt ist es fertig."

Zurück im Fauzi Azar Inn in Nazareth. Maoz Inon, jüdischer Israeli und Mitinitiator des Jesus Trails, eröffnete das Gästehaus bereits 2005, kurz nach dem Ende der "Al-Aqsa-Intifada”. Die 25 jährige Marwa arbeitet an der Rezeption. Die arabische Christin lebt mit ihrer Familie in Nazareth und kann sich noch gut daran erinnern, wie das damals war. Die Touristen hatten Angst, nach Nazareth zu kommen.

"Because it´s an Arabic city. […] Weil es eine arabische Stadt ist. Und während der Intifada kamen keine Touristen aus Israel. Als Maoz hier im Souk von Nazareth anfing, hatten alle Angst vor ihm. Ein Jude in einer arabischen Stadt – jüdisch und arabisch und muslimisch – das geht nicht zusammen. Aber Maoz ist ein guter Mensch und er wollte, dass Araber und Juden friedlich zusammen leben. Er hat hart gearbeitet und heute ist er ein berühmter Mann in Nazareth – wir kennen ihn alle."

Nach und nach kamen immer mehr Touristen nach Nazareth. Das Fauzi Azar Inn ist inzwischen oft ausgebucht. Und noch etwas hat sich verändert im Laufe der Jahre.

"”It´s very good relation in Fauzi, because muslim, and christian and jewish work together. [...] Wir haben alle eine gute Beziehung zueinander im Fauzi Gästehaus. Weil Muslime, Christen und Juden zusammenarbeiten. Das klappt sehr gut, wir haben einen guten Schritt in eine gemeinsame Zukunft, Richtung Frieden gemacht.""

Auch Amir Moran, der Projektleiter des Gospel Trails, blickt optimistisch in die Zukunft.

"”It´s a very, very sophisticated bridgeing […] Es ist eine hochentwickelte Art, Brücken zu bauen. Der Wanderweg ist wie eine Perlenkette. Der Erfolg hängt von jeder einzelnen Perle ab. Deshalb sind alle interessiert daran, dass es funktioniert. Sie sind keine Konkurrenten. Wenn ich mit den Beteiligten spreche, ob es jetzt Verantwortliche in den Gemeindeverwaltungen sind oder Landwirte, dann sehe ich, dass sie alle voller Hoffnung sind, dass es ihnen wirtschaftlich weiterhilft. Aber auch dass Zusammenarbeit entsteht zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Also nicht nur über Frieden reden, sondern auch tatsächlich Geschäfte miteinander machen.""

Mittags in Nazareth. Zahlreiche Touristen stehen in Schlangen vor der Verkündigungskirche. Basil und Vivianne Soundy sind mit dem Bus auf Pilgerreise. Sie sind Christen und leben auf den Seychellen. Und: sie können sich gut vorstellen, das nächste Mal auch zu wandern. Auf dem Gospel Trail.

Sie:

"”The experience would be a spiritual experience on top of the emotional experience. Probably we would feel a little bit closer to Jesus Christ, what he has been through. Die Erfahrung würde eine spirituelle Erfahrung sein zusätzlich zur emotionalen Erfahrung. Sehr wahrscheinlich würden wir uns Jesus Christus ein bisschen näher fühlen, seinem Leiden.""

Er:

"And I am sure, we would enjoy that. Ich bin mir sicher, wir würden viel Freude daran haben."

Sie:

"Yes. Ja"