Zahi Hawass: Auf den Spuren Tutanchamuns
Aus dem Englischen von Wilfried Seipel
Theiss Verlag, Darmstadt 2015,
gebunden, 264 Seiten, rund 400 farbige Abbildungen, 29,95 Euro
Ägyptens Geschichte packend erzählt
Hautnah schildert Zahi Hawass in "Auf den Spuren Tutanchamuns" die Geschichte des Alten Ägyptens. Mit dem beeindruckenden Bildband und der dazugehörigen Ausstellung will der weltberühmte Ägyptologe seinen Beitrag leisten, das bedrohte Kulturerbe zu retten.
Seit den Museumsplünderungen Anfang 2011 sind die Kulturschätze Ägyptens massiv gefährdet. Der beeindruckende Bildband "Auf den Spuren Tutanchamuns" von Zahi Hawass und die dazu gehörende Ausstellung mit Repliken der echten Funde sollen helfen, ein Publikum, Öffentlichkeit und internationale Gelder zu mobilisieren, um von den alten Schätzen zu retten, was zu retten ist.
Zahi Hawass, ein Mann mit streitbarem Temperament, weltberühmter Ägyptologe und einflussreicher einstiger Generalsekretär der ägyptischen Altertümerverwaltung, kennt sein Sujet bis in die feinsten Details und weiß Jahrtausende alte Geschichte so packend zu erzählen, als hätte das alles gerade eben stattgefunden. Hautnah berichtet er, was man heute über das Leben des Tutanchamun weiß.
Im Alter von neuen Jahren den Thron bestiegen
Der Pharao der 18. Dynastie von 1332 bis 1323 vorchristlicher Zeitrechnung und Träger der berühmten goldenen Totenmaske, wurde wahrscheinlich im elften Regierungsjahr seines Vaters Echnaton geboren, jenes berühmten Religionsreformers und Sonnenanbeters. Er wuchs in behüteten Verhältnissen auf, bestiegt mit nur neun Jahren den Thron und starb bereits mit 19.
Von hier aus erkundet Zahi Hawass in Text und hunderten farbiger Abbildungen die Wechselspiele der damaligen Politik, das künstlerische Schaffen und die geheimnisvolle religiöse Vorstellungswelt. Mit detektivischer Akribie setzt er sich auf die Spur all der Grabräuber, die in Ägypten ihr Unwesen trieben, und interessiert sich intensiv für die neuesten archäologischen Forschungsmethoden. Lange habe er gezögert, erzählt der Autor, die Mumien der Pharaonenfamilien einer DNA-Analyse zu unterziehen. Schließlich sei selten auch verwertbare DNA zu finden, das Risiko einer weiteren Beschädigung hingegen groß. Als er schließlich seine Einwilligung gab, konnten die Wissenschaftler mit vielen neuen Erkenntnissen überraschen.
Aufklärung der komplizierten Verwandtschaft
Nicht nur klärten sie die komplizierten Verwandtschaftsbeziehungen der Pharaonenfamilie weiter auf. Sie konnten auch zeigen, dass die Königsfamilie keineswegs unter einer erblichen genetischen Anomalie litt, dem Marfan-Syndrom, wie Forscher lange mutmaßten. Die auffallend lang gezogene, feminine Darstellung des Echnaton hatte rein religiöse Gründe: Sie spiegelte das Gottesideal wider, galt doch Aton als Vater wie Mutter aller Schöpfung.
Was kann ein Buch wie dieses, was können Ausstellungen mit Repliken zur Bewahrung des altägyptischen Erbes beitragen? Beide gehören zur Vision von Zahi Hawass, denn nicht nur politische Wirren, auch die Touristenströme setzen den Kunstschätzen zu. Erschreckende Fotos im Buch zeigen, wie stark viele Mumien seit ihrer Entdeckung verfallen sind. Auch wenn Zahi Hawass von Fachkollegen kritisiert wird, er betreibe zu viel Sensationsmache um seine Arbeit: Seine Idee, Liebhaber des Alten Ägypten in fulminante Ausstellungen mit Repliken zu locken und dafür die Original-Grabanlagen einem strikten Besucherreglement zu unterwerfen, wird möglicherweise die einzige Chance des einzigartigen Kulturerbes vom Nil sein, auch das 21. Jahrhundert noch zu überdauern.