Ohne Schafe keine Kulturlandschaft
Ausgerechnet in Baden-Württemberg gibt es immer weniger Schafe. Waren es vor 150 Jahren noch knapp eine Million, werden heute noch 200.000 gezählt. Immer mehr Schäfer hören auf. Eine Gefahr auch für die Landschaft.
Seit Tagen ist es bitterkalt. Schnee liegt auf den Wiesen und Feldern. Minusgrade in der Nacht, tagsüber scheint die Sonne, doch sie wärmt nicht. Noch nicht. Harald Höfels Tagwerk beginnt. Er schickt die Hunde raus: Whisky, Ben, Mohr. Hütehunde. Jeden Tag zieht der Schäfer ein paar Kilometer weiter Richtung Bodensee. Das Klima im Hinterland ist gemäßigt, trotz des Schnees finden die Tiere ausreichend zu fressen.
Unter seinem schwarzen Schäferhemd trägt Harald Höfel einen dicken Pullover. Der Schäfer ist grippekrank, wie viele zurzeit. Im Bett kann er nicht bleiben, die Schafe brauchen ihn.
Schäfer Höfel baut Elektronetze ab. 300 Meter. Der dünne Zaun hat die Nacht über gehalten.
„Also da ist schon viel gewonnen, wenn du morgens kommst, und es sind noch alle Schafe da. wenn sie dann alle rauslaufen und alle sind gesund dann ist das schon einmal ein gutes Zeichen.“
Früher blieben die Schäfer bei ihrer Herde auch über Nacht, im Schäferkarren. Das gibt es heute fast nirgendwo mehr auf der Schwäbischen Alb. Heutzutage werden die Schafe über Nacht mit einem Elektronetz eingezäunt, der Schäfer läuft oder fährt nach Hause.
„Bloß warten, bis die richtigen vorne sind, irgendwann kommt dann Berta, das ist unser Leitschaf. Die hat auch ein Glöckle dran und dann kommt noch einmal eine, die hat so einen blauen Strich, das war früher einmal die 29/27, jetzt hat sie eine andere Nummer. Der könnten wir jetzt eigentlich einmal einen Namen geben, weil Schaf die so toll kommen, und die so führig sind, die darf man nicht schlachten.“
„Mohr, komm kehr.“
„Die Gesamtherde reagiert schon auch, wenn es einmal eng wird, ist es einfach wichtig, dass du auch so ein paar spezielle Schafe hast, die einfach noch einmal einen besonderen Draht zum Schäfer haben.“
Berta und das Schaf ohne Namen haben den besonderen Draht, sie stehen jetzt vor Höfel. Es geht los in Richtung Wald. Alle Schafe haben ein beiges Fell, nur ein einziges Schaf ist dunkelbraun. Der Schäfer im schwarzem Schäferhemd und der Schäferschippe in der Hand zieht schweigend voran. Seine Schafe folgen ihm, unaufgeregt, fast fröhlich.
Die Hunde hören aufs Wort
Der Weg ist schmal, hier zeigt sich, was es heißt, mit 900 Schafen von A nach B zu kommen. Der Zug will und will nicht enden. Immer noch kommen Schafe nach. Zwei Hütehunde führt Schäfer Höfel bei sich an der Leine, der dritte läuft am Ende der Herde. Schäfer und Hunde, das gehört seit jeher zusammen.
„Wir haben gewisse Absprachen: Acker ist tabu, bestimmtes Gras ist tabu, da geht man nicht rein, Raps und sonst was, und solche Regeln hat man einfach. Oder an der Straße, das muss ja funktionieren, sonst kannst Du ja nicht mit so einer riesigen Herde hier überall über Straßen, über Bahnen, Autobahnen vorbei, egal, wo wir überall durchkommen, sehr eng besiedeltes Gebiet. Es muss funktionieren.“
Harald Höfel ist Wanderschäfer. Gemeinsam mit seinem Partner, Ralf Braun, betreiben die beiden Männer eine Wanderschäferei. Sie wechseln sich bei der Reise, dem Umherziehen mit der Herde, ab. Wer nicht bei den Schafen ist, kümmert sich um das Drumherum. Das ist nicht wenig, denn allein von der Schafzucht kann ein Schäfer mehr leben. Kommen noch Familien hinzu, wird es richtig knapp. Und beide, Schäfer Höfel und sein Partner Braun, haben Familien.
„Mir können nur überleben, solange wir die öffentlichen Gelder kriegen. Das sind einfach verschiedene Fördermaßnahmen, also ich wehre mich gegen Subventionen, sondern es sind einfach Ausgleichszahlungen, die mir kriegen. Teilweise auch für Dienstleistungen, also was in den Pflegebereich hineingeht und die anderen Gelder sind einfach die Gelder, die wir von der EU ausgeglichen kriegen.“
Keine Maschine kann Schafe ersetzen
Geld für Dienstleistungen im Pflegebereich. Tatsächlich kann keine Maschine die Arbeit von Schafen ersetzen. Wo regelmäßig Schafe weiden, gibt es keine Versteppung oder Verbuschung. Wacholderheiden zählen zu den artenreichsten Biotopen in Mitteleuropa, gerade die Wacholderheiden auf der Schwäbischen Alb sind durch jahrhundertelange Beweidung entstanden.
Überall auf der Welt tragen umherziehende Schafe zur Artenvielfalt bei. Schafe transportieren in ihrem Fell und mit dem Kot Samen und Insekten von einem zum anderen Ort. Im Kot eines einzigen Schafes fanden Experten bis zu 6000 Samen, die an einem Tag ausgeschieden werden. Auf den alten Wanderouten der Schäfer hat sich über Jahrhunderte hinweg eine einzigartige Flora und Fauna entwickelt.
Höfel bleibt kurz stehen und schaut bis ans Ende seiner Schafherde. Allein die Wolle eines einzigen Schafes wiegt zwischen 3,5 bis 5 Kilogramm. Etwa 3600 Kilogramm Wolle sind das allein bei dieser Herde:
„Mir haben das vorher über die Lämmer und über die Wolle verdient. Heute ist die Wolle nichts mehr wert und der Lammfleischpreis, der ist, der ist so, dass eigentlich die Lammproduktion nicht abgedeckt ist, also selbst da brauchen wir noch Gelder um unsere Produktion abzudecken. Das ist eigentlich ein trauriges Spiel. Mir wäre es lieber, wir könnten von unserem Produkt leben, das wäre einfach ehrlicher, dann müsste man den Lammfleischpreis verdoppeln und verdreifachen. Und das ist ja bei den anderen landwirtschaftlichen Produkten genauso.“
Höfel hat mit seinen Schafen den Berg überquert. Überall schneebedeckte Wiesen.
„Mir ist das zu viel Schnee hier.“
Unter dem Strich bleiben fünf Euro Stundenlohn
Eine Weile zieht er auf dem Bergkamm entlang, dann kommen auf der Südseite Wiesenflächen mit ein paar grünen Flecken. Die Schafe verteilen sich:
„Wenn man bedenkt, dass wir keinen acht Stunden Tag haben, dass wir fast keinen Urlaub haben, dass wir 365 Tage im Jahr das Ganze machen, dann umgerechnet auf einen Stundenlohn von … nicht einmal fünf Euro kommen. Ja, es muss einem einfach auch Spaß machen, sonst würde man es ja nicht machen. Es ist für mich, und ich denke auch für meinen Partner einer der schönsten Berufe, die wir uns vorstellen können. Weil, wer ist so draußen? Wer kann zum Beispiel ein Kind so mitnehmen wie wir? Das man sagen kann, wir können sie in unseren Alltag integrieren, sie können morgens mit in den Stall gehen, das ist doch ein Segen, oder?“
„Wenn man unsere Umsatzzahlen sehen, da denken wir: oh, mein Gott, eigentlich drehen wir einen Haufen Geld um. Und unterm dem Strich bleibt nichts.“
Noch vor wenigen Jahren halfen Aushilfskräfte aus dem Ausland beim Hüten. Das ist seit der Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro kaum noch zu bezahlen:
„Es war schon so, dass unsere Rumänen bei uns im Grund mehr verdient haben, unter dem Strich, mehr gehabt haben als wir selbst.“
„Ich gehe zurzeit eigentlich gar nicht mehr so gerne in Schäferkreise. Weil jedes Mal, wenn ich nach Hause komme, bin ich deprimiert. Weil, wir singen keine lustigen Lieder mehr oder erzählen Witze, sondern wenn man zusammen ist, es wird nur geklagt, wie schwierig der Alltag ist, wie schwer es ist rumzukommen: Winterweide wieder weniger geworden, Herbstweide wieder weniger, bei mir haben sie wieder alles zugegüllt, ich weiß nicht, wohin mit den Schafen, die Herden werden immer größer. Es ist deprimierend!“
Höfel, ein Mann mittleren Alters, sonnengegerbte Haut, Brille, hütet schon seit Jahrzehnten Schafe. Er kommt aus dem badischen Landesteil, die Gegend um den Bodensee und der Schwäbischen Alb hat ihm so gut gefallen, dass er sich bei den Schwaben niederließ.
Zuhause das ist für ihn jetzt Meßtetten, auf der Südwest-Alb, etwa 100 Kilometer südlich von Stuttgart entfernt.
Er holt sein Vesper heraus: Vollkornbrot und Kohlrabi, in einer Thermoskanne Tee. Die Tagesration. Die Hunde balgen miteinander, irgendwo in der Ferne ist der Bodensee zu erahnen. Die Sonne scheint, unten im Tal läutet die Mittagsglocke. Die Schafe scharren den Schnee weg und fressen das Gras darunter.
„Unsere Schafe sind verwöhnt, weil man ihnen jetzt auf der Reise… ja, wenn sie auf der einen Wiese nicht fressen, dann geht man auf die nächste. Und deswegen sind sie jetzt schon schleckig. Aber das ist auch egal, wir müssen ja sowieso jeden Tag unsere Tour machen, dann läuft man halt zu, irgendwann kommt dann halt eine Wiese, wo es ihnen besser schmeckt.“
Schäfer mit 900 Schafen - ein biblisches Bild
Keine Wanderer sind unterwegs, keine Mountainbiker, keine Hundespaziergänger. Ein Schäfer, seine Hunde und 900 Schafe. Der Hirte hütet seine Schafe, ein biblisches Bild. Unten im Tal rasen Autos auf der Landstraße. Sinnentleert scheint von dort oben die Hektik da unten.
„Ich bin kein Wissenschaftler, aber die Vorstellung, dass der Mensch das irgendwo auch genetisch drin hat, weil man ja fast über Millionen von Jahren mit dieser Natur aufgewachsen ist.. Ich glaube, es ist schon richtig, dass irgendwann der Mensch erkennt, dass Geld alleine nicht glücklich macht und dass das Materielle, das krampfhafte Festhalten am Materiellen eigentlich uns nichts bringt.“
Nach einer Stunde zieht der Schäfer mitsamt der Herde ein paar Hundert Meter den Berg hinunter. Dann steht er wieder und hütet. Die Schafe verteilen sich, die Hunde sind beim Schäfer. Trifft er auf Menschen, stellen sie ihm immer die gleichen Fragen, erzählt Höfel: Ist es nie kalt? Wie viele Schafe sind das? Ist der Job nicht irgendwann einmal langweilig?
„Nee, nee, ich glaube, es war mir noch nie langweilig. Vielleicht kann ich mich auch einfach nur mit mir beschäftigen. Es ist ja auch kein Tag wie der andere. Guck einfach einmal um dich herum, der Himmel ist schon anders, du siehst einfach viele neue Sachen, jeden Tag. Langeweile? Nee!“
„Geh in die Furch!“
Hund Mo verhindert, dass die Schafe zu weit auf ein Feld geraten. Wie ferngesteuert läuft der Hund nun auf einer Strecke von etwa 500 Metern auf und ab. Kein Schaf traut sich über diese vom Hund vorgegebene Linie: die Furch.
„Ich muss sie anleiten. Wenn sie dann wissen, ah, der Hund, da ist eine Grenze, da ist der andere Hund und da steht der Schäfer, aha, gut, das ist jetzt die Wiese, auf der könnten wir fressen. Dann ist das klar, dann gehen sie auseinander und fressen in aller Seelen Ruhe, bis ich mich wieder bewege, oder bis ich sie wieder raus locke.“
Je länger man mit den Schafen unterwegs ist, desto genauer lassen sich irgendwann einmal Unterschiede erkennen. Doch nicht alle haben das gleiche beige Fell, manche schauen frech, andere traurig. Einige suchen den Kontakt zu Menschen, andere laufen schon bei der kleinsten Handbewegung davon. Immer wieder schauen sie in Richtung Schäfer. Rituale seien wichtig, erklärt dieser und stützt sich dabei auf seine Schäferschippe.
„Die sind unheimlich wichtig, damit die Schafe ein gewisses Vertrauen kriegen. Damit sie … Ben! Heimat! … damit sie eine gewisse Sicherheit kriegen. Je geregelter die Abläufe sind …. Ben! Komm her! Da kannst nicht schwätzen. Je sicherer werden die Schafe, je vertrauter werden sie. Vertrauen auch mir gegenüber, auch dass sie sich auf mich verlassen, deswegen kommen sie auch, wenn ich locke und springen nicht davon.“
Schafe hüten ist, wie eine Firma zu leiten
Mittlerweile hat Höfel Hütehund Ben an die Leine genommen. Er hat angefangen, die Schafe zusammenzutreiben, obwohl die Tiere noch fressen sollten. Konzentriert fährt jetzt Höfel mit seinen Überlegungen fort:
„Das kann man eigentlich auch auf eine Firma übertragen. Wenn du lauter Angestellte hast, die eigentlich nur in Angst und Schrecken vor dem Chef leben, das Ganze wird nie ruhig ablaufen. Es wird sehr sehr hohe Fehlerquoten geben, weil wenn Du Angst hast und unsicher bist, machst du einfach mehr Fehler, sprich, die Leistung wird nie 100 Prozent sein. Genauso ist es bei den Schafen. Je ruhiger wir miteinander umgehen, je vertrauter das ist, desto besser ist auch ihre Leistung, die sie nachher wieder bringen. Was man bei den Schafen merkt: sobald du anfängst Druck auszuüben, geht oftmals gar nichts. Wenn Du ruhig lockst und Du hast noch ein paar Leitschafe, die ruhig vorgehen, die hast du immer, auch in einer Firma, die die anderen dann wieder mitziehen, dann ist das besser, wie wenn du von hinten einen Hund drauf lässt, der anfängt zu beißen, weil solche Leute haben wir auch in manchen Firmen, die dann beißen und machen und dann mehr Schaden anrichten, wie das eigentlich gut ist: vorne locken, Vertrauen schaffen, gucken, dass man auch ein paar Leute hat, die andere wieder mitreißen können, die andere irgendwo wieder aufpeppen können. Dann geht es eigentlich viel einfacher.“
Der Schäfer redet, die Schafe fressen, Ben und die anderen beiden Hunde sind ruhig geworden. Irgendwann spürt man die Kälte nicht mehr. Man denkt nach über das eigene Leben. Welche Rolle spielt man selbst in der Herde? Was für ein Typ Schaf ist man in der Firma? Mitläufer? Leitschaf? Wie oft kommt im eigenen Alltag der Hund von hinten. Zeit zum Nachdenken bleibt nicht mehr. Plötzlich geht alles ganz schnell.
Der Schäfer ist mit der Herde den Berg hinunter gezogen, er muss die Straßenseite wechseln. Fast alle Autofahrer rasen mit mindestens 80 Sachen an der Herde vorbei. Einige wenige bleiben stehen, Fotos werden gemacht. Höfel stellt sich in die Straße und hält den Verkehr an.
„Komm, Ben! Mensch!“
In schnellem Tempo lässt er die Schafe die Straße überqueren. Er muss jetzt auf die Herde, die Hunde aber auch auf die wartenden Autos achten. Manchmal erzählt er, manchmal fahren ungeduldige Autofahrer quer durch die Herde. Dann haben die Hunde richtig Stress. Heute geht alles gut.
Schäfer und Hunde sind hörbar erleichtert. Höfel streichelt dem schwarzfelligen Mo übers Fell, der Hund schmiegt sich an den Schäfer.
„Das ist ja schon so ein Knuddel - jeder auf seine Art, irgendwie toll. Ja, gell, das ist auch so etwas, ohne die Kameraden, da würden wir gar nirgends hinkommen. Vielleicht hört es sich manchmal ein bisschen grob an, wenn ich ein lautes Kommando gebe, muss aber einfach sein. Im Grunde mögen wir uns ja richtig.“
Wanderschäfer haben es immer schwerer. Die zur Verfügung stehende Fläche wird weniger, der bürokratische Aufwand ist groß. Bleibt heute irgendwo Schafmist auf der Straße liegen, gibt es oft genug Ärger. Noch vor ein paar Jahrzehnten war Schafmist ein begehrtes Düngemittel. Der Lammfleischpreis ist im Keller, die Lammwolle nichts mehr wert . Also müssen die Schäfer andere Ideen haben, um durchzukommen.
Ein besseres Marketing wird von den Schäfern gefordert. Doch der Schäfer, der Hirte, gehört vom Naturell her eben nicht zum wortgewaltigen Selbstverkäufer. Höfel und sein Partner Braun versuchen in der irdischen Welt mitzuhalten.
„Wir probieren es, wir sind dran. Wir hoffen jetzt auf die neuen Medien, auf Internet und Facebook und Twitter, ja klar, wir spielen überall irgendwo ein bisschen mit. Und trotzdem ist es einfach so, die Herde, die wir haben, wenn man so will: vier Erwachsene und vier kleine Kinder, so viel Spiel bleibt dir da gar nicht, dass du da alles noch nebenher machen kannst.“
Schäfer Höfel hat eine Wiese gefunden, wo die Schafe über Nacht bleiben können. Meter um Meter baut er nun ein Elektronetz um die Herde.
Wie lange wird es sie noch geben, die Schäfer?
In den vergangenen zwölf Jahren hat nahezu jeder zweite Schafhalter in Baden-Württemberg seinen Job an den Nagel gehängt. Der Landesschafzuchtverband schlägt Alarm: Sollten sich die Rahmenbedingungen nicht ändern, gibt es in zehn Jahren keine Wanderschäfer mehr auf der Alb. Zusammen mit dem Naturschutzbund fordert der Verband vom Land eine Weideprämie für Schäfer.
Das Ende wurde bereits eingeläutet. Jüngst kündigte der baden-württembergische Landwirtschaftsausschuss die Schließung einer der renommiertesten Schäferschulen in ganz Deutschland an. Die Fachrichtung Schäferei an der Landwirtschaftlichen Schule Hohenheim gibt es im kommenden Schuljahr nicht mehr. Laut Ausschuss sind in den vergangenen sechs Jahren pro Jahr jeweils zwischen zwei und sechs neue Ausbildungsverträge abgeschlossen worden. Zu wenig. Wer in Baden-Württemberg Schäferin oder Schäfer werden möchte, muss künftig in Sachsen-Anhalt oder in Bayern die Berufsschule besuchen.
„Schade! Damit geht eine Ära zu Ende. In Hohenheim sowieso. Hohenheim, die Stammmutter der Merino, Hochburg der Schäferei, und jetzt haben wir nicht einmal eine Ausbildungsschule dort. Sagt doch eigentlich alles, wie es weniger wird.“
Das Thermometer ist mittlerweile wieder unter null Grad gesunken.
Schafe frieren nicht, erklärt Schäfer Höfel und lässt zum Beweis ins zentimeterdicke Fell von Berta greifen. Kuschelig warm! Noch ein paar Wochen dürfen die Schafe auf den Wiesen rund um den Bodensee fressen, dann geht es wieder in Richtung Heimatstall über die Donau. Schäfer Höfel schließt eine Batterie an den Zaun an und schaltet den Strom ein. Noch einmal blickt er über die Herde. Es ist dunkel, doch die Schafe sind noch gut zu erkennen. Werden jetzt die Schafe gezählt?
„Nein, jetzt gehen wir einfach davon aus, dass alle da sind. Ansonsten habe ich den ganzen Tag keine Auffälligen gesehen, die irgendwo krank gewesen wären, oder auch schon heute Morgen beim Hochziehen. Wenn du siehst, da lauft eine nicht richtig sich ab oder beim Hüten oder liegt immer nur rum oder sondert sich ab, aber war ja jetzt alles gut. Ich denke, dass auch alle da sind. Das passt schon.“
Sagt der Schäfer und stapft nach über zwölf Stunden Arbeit mit seiner Herde und den Hunden in Richtung Auto.