Die Journalistin und Buchautorin Susanne Gaschke ist seit 1988 Mitglied der SPD. Von 2012 - 2013 war sie Oberbürgermeisterin von Kiel. Seit dem 1. Januar 2015 ist sie Autorin der WELT am Sonntag. Starke Beachtung fand Susanne Gaschke mit ihrem Buch "Erziehungskatastrophe. Kinder brauchen starke Eltern". 2017 veröffentlichte sie "SPD. Eine Partei zwischen Burnout und Euphorie."
Die Angst der SPD vor starken Frauen
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Klara wer? Die meisten Kandidatinnen für die SPD-Doppelspitze verblassen gegenüber ihren männlichen Partnern, findet Susanne Gaschke. Und das ist kein Zufall: Denn echte Gleichberechtigung gebe es in der Arbeiter-, Kumpel- und Mackerpartei SPD nicht.
Die für die Zukunft vorgesehene "Doppelspitze" der SPD war eine Kopfgeburt des Parteivorstandes, die nach Umfragen von der Mehrheit der Basis für falsch gehalten wird. Man kann sicher zugestehen, dass Gesine Schwan, Hilde Mattheis und Simone Lange auf unterschiedliche Weise Kandidatinnen aus eigenem Recht sind. Doch beim Rest des Bewerberfeldes finden sich die Genossinnen – wieder einmal – in einer eindeutig dienenden Rolle.
Wer beispielsweise ahnt, mit welcher Hektik hinter den Kulissen nach einer passenden Partnerin für Olaf Scholz gesucht wurde, der hört die Lobpreisungen auf Klara Geywitz mit gemischten Gefühlen – was für eine supertolle Landespolitikerin auch immer sie sein mag. Und es ist geradezu erschütternd, dass Scholz, der zunächst meinte, neben Vizekanzlerschaft und Finanzministerium keine Zeit für den Parteivorsitz zu haben, seinen Sinneswandel unter anderem damit begründete, dass ausgerechnet die Doppelspitze ihm die Entscheidung leichter gemacht habe. Das heißt doch im Klartext: Mit einer Frau, die ihm den Rücken freihält, könnte es wohl gehen.
SPD überzeugt weibliche Wähler unter 60 nicht mehr
Seit mehr als 30 Jahren ist die SPD die Partei der Doppelnamen, der Frauenbeauftragten, der Quote und der "Vereinbarkeit von Familie und Beruf". Und doch gelingt es den Sozialdemokraten kaum noch, jüngere und mittelalte Frauen als Wählerinnen zu gewinnen. Die jüngsten Landtagswahlanalysen von Infratest-dimap für den Parteivorstand weisen das wieder einmal in erschreckender Klarheit aus. Warum stimmen Frauen unter 60 Jahren lieber für die Partei um Kanzlerin Merkel oder für die Habeck-Baerbock-Grünen?
Es könnte zum Beispiel sein, dass die Arbeiter-, Kumpel-, Männer- und Mackerpartei SPD die Quote einfach nie richtig ernst genommen hat. So etwas musste man eben machen in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts – wie man ja auch über den Ökosozialismus diskutierte, ohne damals ernsthaft an einen Kohleausstieg zu denken. Bei den Willy-Brandt-Enkeln – "Enkel", so nannte man die starken Typen jener Ära tatsächlich – bedeutete feministisches Bewusstsein jedenfalls noch eher Herzensbrechertum als Augenhöhe.
Kanzler Schröder nannte Familienministerium "Gedöns"
Und wenn sich die Quote schon aus Zeitgeistgründen nicht umgehen ließ, so ließ sie sich doch recht gut unterlaufen: nämlich indem die Männerseilschaften ihnen genehme und wenig störende Mädels in ihre Vorstände kooptierten. Viel zu oft haben in der SPD Frauen auf Kosten von Frauen Karriere gemacht – und viel zu selten auf Kosten von Männern.
Kann es sein, dass sich diese tiefgehende Unaufrichtigkeit im Umgang mit der Quotierung den Wählerinnen irgendwie mitgeteilt hat? Und dass sie deshalb ein ums andere Mal eine Kanzlerin bevorzugten, die zwar zunächst auch von einem Mann gefördert worden war, sich dann aber als souveräne Politikerin etablierte und ganz beiläufig, ohne große Thematisierung, erkennbar viel für Frauen tat?
Es ist doch bezeichnend, dass die CDU-Frau Ursula von der Leyen genau jene moderne Familienpolitik umsetzen durfte, die das Land wirklich vorangebracht hat – die aber eigentlich von der Sozialdemokratin Renate Schmidt stammte. Leider konnte Schmidt nicht selbst Ministerin bleiben, die Genossen hatten es 2005 nicht für nötig gehalten, das, Zitat Gerhard Schröder, "Gedöns"-Ministerium wieder für sich zu reklamieren.
Lippenbekenntnisse statt echter Gleichberechtigung
Vielleicht liegt es ja an der latent frauenfeindlichen Unterströmung, dass die Partei so wenige strahlende, fröhliche, elegante, zum "role model" taugende Anführerinnen hervorgebracht hat. Genau das zeigt sich jetzt so schmerzlich bei dem aufwendigen Verfahren zur Kandidatenaufstellung für den Parteivorsitz.
Die Sozialdemokraten können sich vielleicht gar nicht vorstellen, dass das politisch interessierte Publikum bemerkt, wie taktisch sie mittlerweile mit fast allen Themen umgehen – auch mit der Gleichberechtigung. Aber wir merken es. Jedes Mal. Und wir sind dann immer noch ein kleines Stück enttäuschter von unserer guten alten SPD.