Auf der Suche nach der verlorenen Sammlung
Ausgerechnet 1933 - im Jahr von Hitlers Machtergreifung - wurde in Berlin ein Jüdisches Museum eröffnet. Jetzt zeigt eine Ausstellung Bilder von damals und dokumentiert religiöse Gegenstände, die einst zu sehen waren.
Wer das Haus betrat, traf gleich in der Eingangshalle auf eine David-Skulptur des Münchner Künstlers Arnold Zadikow: ein nackter kraftdurchdrungener Jüngling. Das war zu Zeiten, als durch den "Stürmer" und andere Blätter Karikaturen vom hässlichen, raffgierigen Juden gingen, als Juden erst gedemütigt und dann verfolgt wurden. Der Künstler Arnold Zadikow selbst betrachtete die Skulptur als "Antwort auf Hitler und die Nazis". Chana Schütz, die stellvertretende Direktorin des Centrum Judaicum:
"Er entspricht nicht dem Bild, das die Antisemiten sich von den Juden gemacht haben. Der Krummbeinige mit der Riesennase und den herunterhängenden Augen und Mundwinkeln. Das ist eigentlich der selbstbewusste, gesunde Jude."
Der schlanke David mit der Steinschleuder in der Hand unterschied sich auch deutlich von den muskelbepackten Männerskulpturen von Nazikünstlern. Wer die David-Geschichte kennt, versteht den Hintersinn der Skulptur: David gewinnt durch Intelligenz gegen Goliath, nicht durch überbordende Muskelkräfte.
Ein nackter David von Zadikow empfängt auch die Besucher der jetzigen Ausstellung gleich am Anfang. Zwar ist die Skulptur aus dem alten Jüdischen Museum verschollen, aber das Centrum Judaicum konnte sich aus dem Tel Aviv Museum of Modern Art eine ähnliche ausleihen. Um ihn herum sieht man in Reproduktion dieselben Gemälde wie einst am Eingang des Jüdischen Museums: biblische Motive gemalt von Lesser Ury – sonst bekannt als Berliner Landschaftsmaler.
Das einstige Jüdische Museum zeigte eine Ausstellung über Max Liebermann, eine Schau "Unsere Ahnen" zum Beispiel mit Porträts von Berliner Rabbinern, stellte die Religionsphilosophen Moses Maimonides, Don Jizchak Abravanel und Akiba Eger vor. Zwar reichte die Konzeption des Hauses weit vor die Nazizeit zurück. Doch ab 1933 war es Absicht des Hauses, den Nazis etwas entgegenzusetzen, sagt der Direktor des Centrum Judaicum Hermann Simon.
"Mit dem Jahr 1933 hat sich auch die Konzeption ändern müssen, dass man ein Zufluchtsort war für Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, dass man sich der Wurzeln besann, dann zeigen wir doch auch mal, dass wir hier eine Tradition haben, das ist das eine. Und zum anderen ging es auch um die Größe der jüdischen Geschichte, um einfach das Selbstbewusstsein zu stärken. Also die Akiba Eger-Ausstellung oder auch die Don Yizchak Abravanel-Ausstellung, beide im Jahr 1937, die hatten schon sicher diese Zielstellung."
Nach Hitlers Machtergreifung wurden Juden schrittweise aus dem öffentlichen Leben verdrängt: Sie durften keine Kinos und Theater besuchen, keine öffentlichen Bibliotheken und Museen. Auf Parkbänken waren oft Schilder angebracht: "Nur für Arier." So war das Jüdische Museum einer der wenigen Orte, den Juden überhaupt noch besuchen konnten.
Berichten zufolge war das Haus sehr beliebt.
"Ich habe auch in den Tagebüchern meines Großvaters gefunden: Ich war im Jüdischen Museum. Leider nicht mehr."
Oft besuchten jüdische Schulklassen das Museum. Viele Künstler konnten in der Nazizeit nicht mehr in staatlichen Museen ausstellen, verdienten sich Geld, indem sie für das Jüdische Museum arbeiteten.
1938 wurde das Jüdische Museum geschlossen: nur fünf Jahre nach seiner Gründung, bei den Novemberpogromen – der sogenannten Reichskristallnacht. Die SA versiegelte die Räume. Doch Zerstörungsversuche gab es nicht, sagt Hermann Simon.
"Die hat es nicht gegeben, sage ich mal, wenngleich wir immer wieder finden in der Literatur, das Gemälde sei in der Nacht auf den 9. zum 10. November verwüstet worden. Dafür gibt es keinen Beleg und keinen Beweis. Im Gegenteil, wir haben ein Zeugnis eines Angestellten der jüdischen Gemeinde Berlin, ich ging noch einmal durch das Gebäude Oranienburger Straße 31, das war doch irgendwo mein Zuhause, die Türen zur Kunstsammlung waren versiegelt. Die Werke somit geraubt, sie gehörten uns nicht mehr. Und dann verblieben sie aber noch eine Weile im Haus."
Wahrscheinlich wollten die Nazis aus den geraubten Gemälden noch Kapital schlagen und sie verkaufen. Im Keller der einstigen Reichskulturkammer sind im Februar 1946 250 Bilder aus der Sammlung gefunden worden. Im Zuge von Restitutionsverfahren wurden diese Bilder über die Welt verteilt. Wichtige Werke aus der Sammlung sind jetzt in der Berliner Ausstellung zu sehen: von Max Liebermann, Lesser Ury und Leonid Pasternak.
Abgeschlossen ist die "Suche nach der verlorenen Sammlung" für Herrmann Simon aber nicht. Denn bislang hat niemand die jüdischen Kultgegenstände und die Gemälde im Großformat gefunden. Während viele wichtige Gemälde von Liebermann und Lesser Ury im Original zu sehen sind, ist ein großformatiges Bild nur als Reproduktion zu sehen. Ein Bild, das bei Generationen von Juden große Gefühle auslöste, das oft auf Postkarten abgedruckt wurde und in der riesigen Reproduktion beeindruckt. "Sie wandern" von Samuel Hirszenberg: eine große Gruppe von Juden, die durch den Schnee laufen und die ihre bisherige Heimat verlassen. Chana Schütz:
"Wenn man sich diese Gruppe anschaut, ist es eigentlich ein Querschnitt durch die ostjüdische Gesellschaft, es sind nicht nur ganz Arme dabei, sondern vielleicht auch ein Fabrikbesitzer, hinten sieht man einen Zylinder, und rechts eben auch jemanden mit einer Nickelbrille, der vielleicht der Dorfschullehrer ist. Und dieses Bild, 1904 entstanden, ist sozusagen ein zionistischer Aufruf, Osteuropa zu verlassen, um nach Palästina zu gehen."
"Er entspricht nicht dem Bild, das die Antisemiten sich von den Juden gemacht haben. Der Krummbeinige mit der Riesennase und den herunterhängenden Augen und Mundwinkeln. Das ist eigentlich der selbstbewusste, gesunde Jude."
Der schlanke David mit der Steinschleuder in der Hand unterschied sich auch deutlich von den muskelbepackten Männerskulpturen von Nazikünstlern. Wer die David-Geschichte kennt, versteht den Hintersinn der Skulptur: David gewinnt durch Intelligenz gegen Goliath, nicht durch überbordende Muskelkräfte.
Ein nackter David von Zadikow empfängt auch die Besucher der jetzigen Ausstellung gleich am Anfang. Zwar ist die Skulptur aus dem alten Jüdischen Museum verschollen, aber das Centrum Judaicum konnte sich aus dem Tel Aviv Museum of Modern Art eine ähnliche ausleihen. Um ihn herum sieht man in Reproduktion dieselben Gemälde wie einst am Eingang des Jüdischen Museums: biblische Motive gemalt von Lesser Ury – sonst bekannt als Berliner Landschaftsmaler.
Das einstige Jüdische Museum zeigte eine Ausstellung über Max Liebermann, eine Schau "Unsere Ahnen" zum Beispiel mit Porträts von Berliner Rabbinern, stellte die Religionsphilosophen Moses Maimonides, Don Jizchak Abravanel und Akiba Eger vor. Zwar reichte die Konzeption des Hauses weit vor die Nazizeit zurück. Doch ab 1933 war es Absicht des Hauses, den Nazis etwas entgegenzusetzen, sagt der Direktor des Centrum Judaicum Hermann Simon.
"Mit dem Jahr 1933 hat sich auch die Konzeption ändern müssen, dass man ein Zufluchtsort war für Mitglieder der Jüdischen Gemeinde, dass man sich der Wurzeln besann, dann zeigen wir doch auch mal, dass wir hier eine Tradition haben, das ist das eine. Und zum anderen ging es auch um die Größe der jüdischen Geschichte, um einfach das Selbstbewusstsein zu stärken. Also die Akiba Eger-Ausstellung oder auch die Don Yizchak Abravanel-Ausstellung, beide im Jahr 1937, die hatten schon sicher diese Zielstellung."
Nach Hitlers Machtergreifung wurden Juden schrittweise aus dem öffentlichen Leben verdrängt: Sie durften keine Kinos und Theater besuchen, keine öffentlichen Bibliotheken und Museen. Auf Parkbänken waren oft Schilder angebracht: "Nur für Arier." So war das Jüdische Museum einer der wenigen Orte, den Juden überhaupt noch besuchen konnten.
Berichten zufolge war das Haus sehr beliebt.
"Ich habe auch in den Tagebüchern meines Großvaters gefunden: Ich war im Jüdischen Museum. Leider nicht mehr."
Oft besuchten jüdische Schulklassen das Museum. Viele Künstler konnten in der Nazizeit nicht mehr in staatlichen Museen ausstellen, verdienten sich Geld, indem sie für das Jüdische Museum arbeiteten.
1938 wurde das Jüdische Museum geschlossen: nur fünf Jahre nach seiner Gründung, bei den Novemberpogromen – der sogenannten Reichskristallnacht. Die SA versiegelte die Räume. Doch Zerstörungsversuche gab es nicht, sagt Hermann Simon.
"Die hat es nicht gegeben, sage ich mal, wenngleich wir immer wieder finden in der Literatur, das Gemälde sei in der Nacht auf den 9. zum 10. November verwüstet worden. Dafür gibt es keinen Beleg und keinen Beweis. Im Gegenteil, wir haben ein Zeugnis eines Angestellten der jüdischen Gemeinde Berlin, ich ging noch einmal durch das Gebäude Oranienburger Straße 31, das war doch irgendwo mein Zuhause, die Türen zur Kunstsammlung waren versiegelt. Die Werke somit geraubt, sie gehörten uns nicht mehr. Und dann verblieben sie aber noch eine Weile im Haus."
Wahrscheinlich wollten die Nazis aus den geraubten Gemälden noch Kapital schlagen und sie verkaufen. Im Keller der einstigen Reichskulturkammer sind im Februar 1946 250 Bilder aus der Sammlung gefunden worden. Im Zuge von Restitutionsverfahren wurden diese Bilder über die Welt verteilt. Wichtige Werke aus der Sammlung sind jetzt in der Berliner Ausstellung zu sehen: von Max Liebermann, Lesser Ury und Leonid Pasternak.
Abgeschlossen ist die "Suche nach der verlorenen Sammlung" für Herrmann Simon aber nicht. Denn bislang hat niemand die jüdischen Kultgegenstände und die Gemälde im Großformat gefunden. Während viele wichtige Gemälde von Liebermann und Lesser Ury im Original zu sehen sind, ist ein großformatiges Bild nur als Reproduktion zu sehen. Ein Bild, das bei Generationen von Juden große Gefühle auslöste, das oft auf Postkarten abgedruckt wurde und in der riesigen Reproduktion beeindruckt. "Sie wandern" von Samuel Hirszenberg: eine große Gruppe von Juden, die durch den Schnee laufen und die ihre bisherige Heimat verlassen. Chana Schütz:
"Wenn man sich diese Gruppe anschaut, ist es eigentlich ein Querschnitt durch die ostjüdische Gesellschaft, es sind nicht nur ganz Arme dabei, sondern vielleicht auch ein Fabrikbesitzer, hinten sieht man einen Zylinder, und rechts eben auch jemanden mit einer Nickelbrille, der vielleicht der Dorfschullehrer ist. Und dieses Bild, 1904 entstanden, ist sozusagen ein zionistischer Aufruf, Osteuropa zu verlassen, um nach Palästina zu gehen."