Bedingungsloses Schenken - ein Einkommensexperiment
Joshua Conens lebt seit zwei Jahren ein Einkommensexperiment: Er sucht mithilfe des Internets nach Menschen, die bereit sind, ihm Geld zu schenken. So will er sich sein "Tätig-Sein" realisieren, doch immer wieder muss er sich Geld durch Nebenjobs dazuverdienen.
Montagvormittag: In einem Hinterhof in Berlin Neukölln sitzt Joshua Conens, der wieder mal über die Beziehung von Arbeit und Einkommen diskutiert. Sein Lieblingsthema und eigentlich nichts Besonderes, könnte man meinen. Doch Joshua denkt die beiden Begriffe ziemlich radikal um.
"Einen Beruf sucht man nicht aus wie einen Toaster, man findet ihn wie die große Liebe."
So lautet der Leitspruch seiner Berufswege Initiative. Und Berufsfindung, das heißt für ihn Selbstverwirklichung, nicht "Geld verdienen".
Seit zwei Jahren erprobt Joshua daher ein Einkommensexperiment.
"Das heißt ich habe letztes Jahr eine Website aufgesetzt, wo ich beschreibe, was mein Anliegen ist, was ich gerne machen will und warum sich das schlecht finanzieren lässt. Und dass Leute, die das gut und wichtig finden, eingeladen sind mir jeden Monat was zu überweisen."
Projekt "Handlungsspielraum" als Alternative zu Schule und Studium
Er hat die Schule vor dem Abitur bewusst abgebrochen und sich gegen formale Ausbildung oder konventionelles Studienmodell entschieden. Ein klassischer Autodidakt. Autodidaktisch ist daher auch sein jüngstes Projekt, der "Handlungsspielraum", der sich explizit als Alternative zu Studium und Ausbildung versteht. Der Raum ist offen für Einzelpersonen, Lern- und Forschungsgruppen, selbstverwaltet. Versteht sich.
Die Bedingung für die Nutzung der Räume ist nur: Es muss um Selbstbildung gehen und wer die Arbeit an sozialen Projekten, Theater oder Handwerk vorantreiben, also in die Gesellschaft zurück wirken will, kann den Raum frei nutzen. Erwerbsarbeit, wie in anderen Co-Working Spaces der Stadt, ist nicht erwünscht. Die Miete wie auch das Einkommensexperiment von Joshua werden von Menschen wie Christiane Altenkamp finanziert. Sie überweist Joshua monatlich 50 Euro. Warum?
"Der hat Ideen, Visionen und er arbeitet an Dingen, darüber ist es einfach total schwer, ein Einkommen zu generieren. Und als ich davon hörte, dass er auf seiner Internetseite dieses Projekt startet und nach Schenkgeld fragt, da wusste ich sofort. Mach ich! Und diese Idee vom Handlungsspielraum, den Menschen einen Ort zu geben, wo das überhaupt möglich ist, frei zu denken, auch das finde ich vollkommen unterstützenswert."
Bitte stellen sie kritische Rückfragen!
Joshua bekommt monatlich insgesamt 195 Euro von insgesamt fünf Personen geschenkt. Das deckt seinen Bedarf allerdings nicht annähernd. Immer wieder muss er sich das Geld für die größten Posten, Miete und Versicherung, durch Nebenjobs dazuverdienen. Doch Joshua geht es auch um einen anderen Aspekt bei diesem Schenkprozess:
"Mich interessiert immer die Beziehung, deswegen schreibe ich auch auf meiner Website auch konkret: Ich freue mich, wenn die Leute sich für mich interessieren. Und die sollen bitte kritische Rückfragen stellen, so verstehe ich Beziehungen."
Beziehung als kritische Rückfragen, aber keine Bevormundung. Es sind vorerst nur gute Bekannte, die Joshua Geld schenken. Und auch wenn das Geld nicht reicht, so regt es doch über den Austausch bei Schenker und Beschenktem einen Dialog an.
"Also dieses Wort bedingungslos, man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen, was das bedeutet. Weil da ganz viel Vertrauen mitschwingt. Wenn man das dann mal vergleicht, wie mach ich das jetzt mit meinem eigenen Kind, wenn ich dem Geld gebe, ist das genauso frei? Was ist daran geknüpft? Sich dieser Selbstkritik auch zu stellen, das erfordert Mut. Beim Joshua und bei mir, wir haben uns regelmäßig getroffen und darüber ausgetauscht, wann ist die Tätigkeit eines Menschen eigentlich gemeinnützig."
Visionen für die Gesellschaft der Postwachstumsära
Joshua, der selbst in zwei Stiftungsräten sitzt, will bei seinem Einkommensexperiment erproben, wie gemeinnützig er mit Schenkgeld wird, welche Beziehung bei bedingungslosem Schenken zwischen Beschenktem und Schenkendem entsteht. Er rührt damit grundlegend an der Frage, welches Potential bei einem zukünftigen Grundeinkommen frei würde.
"Das ist nichts, was man sich einmal aneignet, sondern ´ne kontinuierliche Fähigkeit, die man sich erarbeiten muss. Deswegen bin ich überhaupt kein Verfechter davon zu sagen: 'Wenn wir erst einmal Grundeinkommen kriegen, dann werden wir alle so produktiv und leben alle glücklich.' Das halte ich für ein ziemliches Märchen."
Gerade hat Joshua eine Tagung organisiert, bei der sich fremde Leute Geld schenken, um zu schauen, was das mit ihnen macht. Vielleicht wirken seine Ideen wie Spinnerei, vielleicht sind sie aber auch die revolutionäre Abkehr vom klassischen Lohnarbeitsmodell. Und damit eine mögliche Vision für die Gesellschaft der Postwachstumsära.