Auf der Suche nach Identität
Die Schriftstellerin Taiye Selasi erfand den Begriff "Afropolitan" für eine neue Generation von Weltbürgern mit afrikanischen Wurzeln. Ihr Roman erzählt vom Verbundensein Afrikas mit der Welt. Im Mittelpunkt steht eine Vorzeige-Immigranten-Familie.
Im Mai 2006 schrieb der kamerunische Politikwissenschaftler Achille Mbembe in der deutschen Ausgabe der "Le Monde Diplomatique": "Die Geschichte Afrikas ist eine Geschichte von aufeinanderprallenden Kulturen, geprägt vom Mahlstrom der Kriege, von Invasionen, Migrationen, Mischehen, von Glaubenslehren, die man sich zu eigen macht, von Techniken, die man austauscht, von Waren, mit denen man Handel treibt."
Mbembe plädiert daher für einen neuen zeitgenössischen "Afropolitanismus" - ein Verbundensein mit dem Rest der Welt, eine Art afrikanisches Weltbürgertum. Mit Taiye Selasi - in London als Kind nigerianisch-ghanaischer Eltern geboren, aufgewachsen in Massachusetts, Studium in Oxford - ist der Begriff der "Afropolitans" nun in aller Munde geraten. Ob Selasi den Begriff von Mbembe entlehnt hat, ist nicht überliefert.
Feststeht: Ihr Debütroman "Diese Dinge geschehen nicht einfach so" erzählt mit wunderbarer Empfindsamkeit und frappierender emotionaler Intelligenz von genau jener Verfugtheit Afrikas mit der Welt - und wie diese Zugewinn und Verlust, Schönheit und Schmerz zugleich in sich birgt. Im Mittelpunkt steht die in Massachusetts lebende Vorzeigeimmigrantenfamilie Sai.
Der Vater Kwaku ist ein angesehener Chirurg, der aus Ghana stammt; die Mutter Fola ist einst aus Nigeria geflohen; die vier Kinder - zwei Söhne, zwei Töchter - gehen in die besten Schulen, erhalten Tanz-, Klavier- und Kunstunterricht. Doch eines Tages verliert Kwaku seinen Job, und voller Scham über die Niederlage verlässt er, der Aufsteiger, seine Familie.
16 Jahre später stirbt Kwaku - es ist der Auftakt des Romans, der die Geschicke der einzelnen, zum Zeitpunkt von Kwakus Tod schon weit über die Welt verstreuten Familienmitglieder in wechselnden Rückblenden miteinander verknüpft. Was diese Familiengeschichte aus Afrika so aufregend macht, gründet nicht nur in Selasis Sprache, die von elektrisierender Musikalität und filmischer Dynamik ist.
Es liegt vor allem an der unaufgeregten Art, in der Selasi quasi wie nebenbei von einer sicher typischen Immigrantenfamilie aus Afrika und deren Erfahrungen erzählt: Von Folas Entbehrungen; vom sexuellen Missbrauch der Zwillinge Taiwo und Kehinde durch ihren Onkel; von der Angst des ältesten Sohnes, wie sein Vater zu werden; von der Bulimie der Jüngsten, die sich immer nur als Anhängsel der Familie empfindet.
Sie benennt den unausweichlichen Verrat derer, die zu neuen Ufern aufbrechen - und daher nicht bleiben können. Und sie feiert - was das Ende dieses ansonsten von einer dunklen Traurigkeit gefärbten Romans etwas kitschig wirken lässt - das Ringen der nachfolgenden Generation um einen Ort, an dem diese lernt, endlich zu bleiben. "Diese Dinge geschehen nicht einfach so" ist daher vielerlei zugleich: Afrika- und Familienroman; ein Roman über die Suche nach Identität und die heilende Kraft der Liebe. Vor allem aber lässt er einen nochmals staunen über das, was ein Roman vermag: Augen, Ohren und Herzen öffnen.
Besprochen von Claudia Kramatschek
Mbembe plädiert daher für einen neuen zeitgenössischen "Afropolitanismus" - ein Verbundensein mit dem Rest der Welt, eine Art afrikanisches Weltbürgertum. Mit Taiye Selasi - in London als Kind nigerianisch-ghanaischer Eltern geboren, aufgewachsen in Massachusetts, Studium in Oxford - ist der Begriff der "Afropolitans" nun in aller Munde geraten. Ob Selasi den Begriff von Mbembe entlehnt hat, ist nicht überliefert.
Feststeht: Ihr Debütroman "Diese Dinge geschehen nicht einfach so" erzählt mit wunderbarer Empfindsamkeit und frappierender emotionaler Intelligenz von genau jener Verfugtheit Afrikas mit der Welt - und wie diese Zugewinn und Verlust, Schönheit und Schmerz zugleich in sich birgt. Im Mittelpunkt steht die in Massachusetts lebende Vorzeigeimmigrantenfamilie Sai.
Der Vater Kwaku ist ein angesehener Chirurg, der aus Ghana stammt; die Mutter Fola ist einst aus Nigeria geflohen; die vier Kinder - zwei Söhne, zwei Töchter - gehen in die besten Schulen, erhalten Tanz-, Klavier- und Kunstunterricht. Doch eines Tages verliert Kwaku seinen Job, und voller Scham über die Niederlage verlässt er, der Aufsteiger, seine Familie.
16 Jahre später stirbt Kwaku - es ist der Auftakt des Romans, der die Geschicke der einzelnen, zum Zeitpunkt von Kwakus Tod schon weit über die Welt verstreuten Familienmitglieder in wechselnden Rückblenden miteinander verknüpft. Was diese Familiengeschichte aus Afrika so aufregend macht, gründet nicht nur in Selasis Sprache, die von elektrisierender Musikalität und filmischer Dynamik ist.
Es liegt vor allem an der unaufgeregten Art, in der Selasi quasi wie nebenbei von einer sicher typischen Immigrantenfamilie aus Afrika und deren Erfahrungen erzählt: Von Folas Entbehrungen; vom sexuellen Missbrauch der Zwillinge Taiwo und Kehinde durch ihren Onkel; von der Angst des ältesten Sohnes, wie sein Vater zu werden; von der Bulimie der Jüngsten, die sich immer nur als Anhängsel der Familie empfindet.
Sie benennt den unausweichlichen Verrat derer, die zu neuen Ufern aufbrechen - und daher nicht bleiben können. Und sie feiert - was das Ende dieses ansonsten von einer dunklen Traurigkeit gefärbten Romans etwas kitschig wirken lässt - das Ringen der nachfolgenden Generation um einen Ort, an dem diese lernt, endlich zu bleiben. "Diese Dinge geschehen nicht einfach so" ist daher vielerlei zugleich: Afrika- und Familienroman; ein Roman über die Suche nach Identität und die heilende Kraft der Liebe. Vor allem aber lässt er einen nochmals staunen über das, was ein Roman vermag: Augen, Ohren und Herzen öffnen.
Besprochen von Claudia Kramatschek
Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so
Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013
398 Seiten, 21,99 Euro
Aus dem Englischen von Adelheid Zöfel
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2013
398 Seiten, 21,99 Euro