Auf der Suche nach sich selbst
Der Schriftsteller und Theaterregisseur David Chotjewitz, Sohn des RAF-Anwalts Peter O. Chotjewitz, hat sich vor allem mit biografischen Romanen einen Namen gemacht. Über seine Kindheit in einer politisch aufgeladenen Umgebung ist nun mit "Narziss und die Revolution" ein Theaterstück zu sehen.
Einspieler aus Theaterstück: "Als mein Vater mit geballten Fäusten über mir stand, war ich so erleichtert gewesen, dass fast Fröhlichkeit in mir aufstieg: Endlich ist es vorbei, dachte ich, endlich komme ich hier fort."
Der Vater, das war Peter O. Chotjewitz: Schriftsteller, RAF-Anwalt und einer der frühen Bohemiens der Bundesrepublik. Sein Haus war in den 70er-Jahren Treffpunkt für die linke Intelligenz:
"Da gingen alle ein und aus, Verleger, Politiker, Schriftsteller, Künstler, bildende Künstler. Also für meine Eltern war es das Normalste auf der Welt, dass die gerade angesagtesten bildenden Künstler ihnen Bilder geschenkt haben."
David Chotjewitz, das ist der Sohn. Er inszeniert ein Theaterstück über seine Kindheit, in der er zu Hause Menschen wie Ingeborg Bachmann und Rolf-Dieter Brinkmann, Andreas Baader und Gudrun Ensslin begegnet ist. Die politische und künstlerische 68er-, eigentlich noch Vor-68er-Generation.
"Wenn ich sage, bei uns zuhause wurde gesoffen, Drogen genommen und die Kinder wurden vernachlässigt, dann ist das sofort auch in so einer Argumentationslinie drin: 68er haben Kinder vernachlässigt."
Solche Schlüsse sind für David Chotjewitz Unsinn. Es interessiert ihn aber auch nicht, ein Urteil über eine Generation abzugeben.
"Aber meinetwegen, dass mein Vater Choleriker war, das kann man zum Beispiel mal so sagen."
48 Jahre ist David Chotjewitz heute alt, er sieht jungenhaft aus. Blondes, lockiges Haar, eine Brille mit dünner Goldfassung, aufmerksame, blaugraue Augen - er hat etwas Sanftes. "Narziss und die Revolution" heißt sein Theaterstück, und es beginnt in einer Zeit, als die Geschichte von Vater und Sohn noch parallel verlief:
Einspieler Theaterstück: "Rom, Trastevere 1970, alle Wände voller kommunistischer Parolen."
Von 1967 bis 1973 lebt die Familie in Italien. Im Stück erzählt der Schauspieler Joachim Kappl David Chotjewitz' Geschichte.
Einspieler Theaterstück: "Tina hatte uns beigebracht, wie man das Zeichen für Hammer und Sichel macht."
"Avanti popolo, alla riscossa! Bandiera rossa, Bandiera rossa!"
Doch so ansteckend die revolutionäre Stimmung zu Hause auch für die Kinder ist, David sehnt sich nach Normalität:
"Dass da besondere Leute waren, das hat oft eher genervt. Weil dann war ja auch immer diese Atmosphäre da: Hach, der ist ja so besonders. Und als Kind hat man natürlich einen anderen Blick auf die Sachen und hat gedacht: Was ist denn an dem so besonders?"
In Rom gibt's ja immer diese vielen Katzen, die wilden Katzen. Und ich bin dann immer zu den Katzen gegangen und hab mich mit denen beschäftigt. Das ist natürlich schon so ne erste kleine Flucht. Fremd ist David überall. In Rom, und später im nordhessischen Dorf Kruspis, wo die Familie in einem alten Schulgebäude lebt.
"Ich bin 1973 nach Deutschland gekommen als Kind, ich war neun Jahre alt. Wenn du als Neunjähriger aus dem Ausland nach Deutschland kamst, und die Eltern dazu auch noch so untypische Leute waren, da stießt du auf eine Gesellschaft, das war noch eine ganz andere Atmosphäre als heute. Verschlossen, hart, auch feindselig."
Die Schule bricht David ab, zieht nach Hamburg und beginnt eine Lehre als Verlagskaufmann bei Rowohlt.
Einspieler aus Theaterstück: "Endlich ist es vorbei, dachte ich, endlich komme ich hier fort."
"Ich mach kein Abi, ich werd auch nicht studieren, ich werd schon mal kein Intellektueller ..."
Einspieler Theaterstück: "Ich würde also kein Schriftsteller werden."
"... das war schon mal klar, mein Vater war auch stinksauer."
Schriftsteller wird er dann aber doch und tritt in die Fußstapfen seiner Eltern: Auch seine Mutter, Renate Chotjewitz-Häfner, ist Autorin. Rowohlt bringt das erste Buch des 20-jährigen Chotjewitz heraus, "Frühreif - Texte aus der Plastiktüte". Es folgen Radiofeatures, Theaterstücke, erfolgreiche Romane über Marx und Einstein.
"Ich lasse mich auch von völlig nebensächlichen Dingen leiten, von Lustprinzip, also ich hab mal ein Stück gemacht, eine meiner wichtigsten Arbeiten, weil ich eifersüchtig war nach einer Trennung, also so was. Oder weil man Geld braucht."
Doch Chotjewitz' Geschichten erzählen oft von Menschen, die ihren Weg suchen müssen, nicht immer freiwillig. Der junge Marx, der junge Einstein, oder "Daniel Halber Mensch". So heißt sein Roman über einen Jungen, der unbedingt in die Hitlerjugend will, bis er erfährt, dass seine Mutter Jüdin ist.
In Kategorien von Werk denkt David Chotjewitz nicht.
"Also mein Vater hat immer wieder zu mir gesagt: Junge, jetzt muss mal das große Werk kommen. Ich bin jetzt nicht irgendwie der große Schriftsteller, und ich werde diesen großen Roman wahrscheinlich nie vorlegen."
David Chotjewitz ist auf der Suche nach sich selbst. Das mag banal klingen, wer tut das nicht. Doch ihm als Künstler kann man dabei zuschauen. Auch jetzt, wenn er sich in der Figur seines Vaters sucht, der vor zwei Jahren gestorben ist. Kurz vor seinem Tod hat er ihn noch in Rom getroffen.
"Und er hatte diese CD von Lucia Dalla da, und dieses Lied handelt ja von so einem Mann, der ganz alleine auf einem Platz lebt, in einer italienischen Stadt."
Und wie das Theaterstück handelt das Lied vom Vater und vom Sohn:
"Aber um sich herum hat er die Katzen, um sich herum hat er die verliebten Pärchen, und er wird sein Leben aber niemals ändern, also: Ich werde mein Leben nie ändern, das was ich bin, das hab ich selbst gewollt, dass ich es bin."
Der Vater, das war Peter O. Chotjewitz: Schriftsteller, RAF-Anwalt und einer der frühen Bohemiens der Bundesrepublik. Sein Haus war in den 70er-Jahren Treffpunkt für die linke Intelligenz:
"Da gingen alle ein und aus, Verleger, Politiker, Schriftsteller, Künstler, bildende Künstler. Also für meine Eltern war es das Normalste auf der Welt, dass die gerade angesagtesten bildenden Künstler ihnen Bilder geschenkt haben."
David Chotjewitz, das ist der Sohn. Er inszeniert ein Theaterstück über seine Kindheit, in der er zu Hause Menschen wie Ingeborg Bachmann und Rolf-Dieter Brinkmann, Andreas Baader und Gudrun Ensslin begegnet ist. Die politische und künstlerische 68er-, eigentlich noch Vor-68er-Generation.
"Wenn ich sage, bei uns zuhause wurde gesoffen, Drogen genommen und die Kinder wurden vernachlässigt, dann ist das sofort auch in so einer Argumentationslinie drin: 68er haben Kinder vernachlässigt."
Solche Schlüsse sind für David Chotjewitz Unsinn. Es interessiert ihn aber auch nicht, ein Urteil über eine Generation abzugeben.
"Aber meinetwegen, dass mein Vater Choleriker war, das kann man zum Beispiel mal so sagen."
48 Jahre ist David Chotjewitz heute alt, er sieht jungenhaft aus. Blondes, lockiges Haar, eine Brille mit dünner Goldfassung, aufmerksame, blaugraue Augen - er hat etwas Sanftes. "Narziss und die Revolution" heißt sein Theaterstück, und es beginnt in einer Zeit, als die Geschichte von Vater und Sohn noch parallel verlief:
Einspieler Theaterstück: "Rom, Trastevere 1970, alle Wände voller kommunistischer Parolen."
Von 1967 bis 1973 lebt die Familie in Italien. Im Stück erzählt der Schauspieler Joachim Kappl David Chotjewitz' Geschichte.
Einspieler Theaterstück: "Tina hatte uns beigebracht, wie man das Zeichen für Hammer und Sichel macht."
"Avanti popolo, alla riscossa! Bandiera rossa, Bandiera rossa!"
Doch so ansteckend die revolutionäre Stimmung zu Hause auch für die Kinder ist, David sehnt sich nach Normalität:
"Dass da besondere Leute waren, das hat oft eher genervt. Weil dann war ja auch immer diese Atmosphäre da: Hach, der ist ja so besonders. Und als Kind hat man natürlich einen anderen Blick auf die Sachen und hat gedacht: Was ist denn an dem so besonders?"
In Rom gibt's ja immer diese vielen Katzen, die wilden Katzen. Und ich bin dann immer zu den Katzen gegangen und hab mich mit denen beschäftigt. Das ist natürlich schon so ne erste kleine Flucht. Fremd ist David überall. In Rom, und später im nordhessischen Dorf Kruspis, wo die Familie in einem alten Schulgebäude lebt.
"Ich bin 1973 nach Deutschland gekommen als Kind, ich war neun Jahre alt. Wenn du als Neunjähriger aus dem Ausland nach Deutschland kamst, und die Eltern dazu auch noch so untypische Leute waren, da stießt du auf eine Gesellschaft, das war noch eine ganz andere Atmosphäre als heute. Verschlossen, hart, auch feindselig."
Die Schule bricht David ab, zieht nach Hamburg und beginnt eine Lehre als Verlagskaufmann bei Rowohlt.
Einspieler aus Theaterstück: "Endlich ist es vorbei, dachte ich, endlich komme ich hier fort."
"Ich mach kein Abi, ich werd auch nicht studieren, ich werd schon mal kein Intellektueller ..."
Einspieler Theaterstück: "Ich würde also kein Schriftsteller werden."
"... das war schon mal klar, mein Vater war auch stinksauer."
Schriftsteller wird er dann aber doch und tritt in die Fußstapfen seiner Eltern: Auch seine Mutter, Renate Chotjewitz-Häfner, ist Autorin. Rowohlt bringt das erste Buch des 20-jährigen Chotjewitz heraus, "Frühreif - Texte aus der Plastiktüte". Es folgen Radiofeatures, Theaterstücke, erfolgreiche Romane über Marx und Einstein.
"Ich lasse mich auch von völlig nebensächlichen Dingen leiten, von Lustprinzip, also ich hab mal ein Stück gemacht, eine meiner wichtigsten Arbeiten, weil ich eifersüchtig war nach einer Trennung, also so was. Oder weil man Geld braucht."
Doch Chotjewitz' Geschichten erzählen oft von Menschen, die ihren Weg suchen müssen, nicht immer freiwillig. Der junge Marx, der junge Einstein, oder "Daniel Halber Mensch". So heißt sein Roman über einen Jungen, der unbedingt in die Hitlerjugend will, bis er erfährt, dass seine Mutter Jüdin ist.
In Kategorien von Werk denkt David Chotjewitz nicht.
"Also mein Vater hat immer wieder zu mir gesagt: Junge, jetzt muss mal das große Werk kommen. Ich bin jetzt nicht irgendwie der große Schriftsteller, und ich werde diesen großen Roman wahrscheinlich nie vorlegen."
David Chotjewitz ist auf der Suche nach sich selbst. Das mag banal klingen, wer tut das nicht. Doch ihm als Künstler kann man dabei zuschauen. Auch jetzt, wenn er sich in der Figur seines Vaters sucht, der vor zwei Jahren gestorben ist. Kurz vor seinem Tod hat er ihn noch in Rom getroffen.
"Und er hatte diese CD von Lucia Dalla da, und dieses Lied handelt ja von so einem Mann, der ganz alleine auf einem Platz lebt, in einer italienischen Stadt."
Und wie das Theaterstück handelt das Lied vom Vater und vom Sohn:
"Aber um sich herum hat er die Katzen, um sich herum hat er die verliebten Pärchen, und er wird sein Leben aber niemals ändern, also: Ich werde mein Leben nie ändern, das was ich bin, das hab ich selbst gewollt, dass ich es bin."