Auf die Henne gekommen
Mit seinem Buch "Der Tanz um das goldene Kalb" kritisierte der Ökologe Josef H. Reichholf bereits 2004 die in Europa übliche Massentierhaltung. Nach zahlreichen Fleisch-Skandalen, die ihm Recht zu geben scheinen, hat Reichholf das Buch nun überarbeitet und mit neuem Datenmaterial versehen.
Um es gleich klarzustellen: Josef H. Reichholf fordert keinesfalls dazu auf, dem Konsum von Fleisch oder Geflügel abzuschwören, da er die Gier nach Fleisch, den Tanz um das goldene Kalb, für tief in der menschlichen Natur verankert hält. Die Art und Weise aber, wie unser Fleisch erzeugt wird, stellt der Ökologe und Biologe an den Pranger. Reichholf vertritt die These, dass die Europäer sich die Massentierhaltung aus verschiedenen Gründen nicht mehr leisten können. Die Vernichtung von Arten und die Belastung des Weltklimas sind nur einige dieser Gründe:
"Wäre der Bedarf an Massenproduktion von Futtermitteln für Europas Viehställe gar nicht erst zustande gekommen, dann wäre ein Großteil der Tropenwaldflächen, die seit den 1980er-Jahren gerodet und vernichtet worden sind, erhalten geblieben - mit den angestrebten Effekten für das Klima. Und es hätte wohl auch keine 'Futtermittelskandale' gegeben."
Brasilianische Tropenwälder mit ihrer Artenvielfalt müssen nicht, wie gemeinhin behauptet, dem Siedlungsdruck weichen, stellt Reichholf schlüssig dar, sondern sie werden vor allem für Soja für europäisches Viehfutter gerodet. Meist fallen die Bäume der Brandrodung zum Opfer, was bekanntermaßen ebenfalls klimaschädliches CO2 freisetzt. Auch der Transport hierher ist nicht klimaneutral.
Hier bei uns geht das Artensterben dann weiter. Nach Reichholfs Berechnungen wird in manchen Gebieten um das Vierfache mehr an Gülle ausgebracht, als der Boden aufnehmen kann. Die Überdüngung aber fördert einige wenige Pflanzenarten und verdrängt viele andere.
"Jahrzehntelang fiel weit mehr an naturnahen und artenreichen Flächen der Landwirtschaft zum Opfer als dem Straßen- und Siedlungsbau. Doch in Kreisen des Naturschutzes wollte dies kaum jemand zur Kenntnis nehmen."
Auf dem Land wurden zwei Drittel der Pflanzenarten seltener oder sind verschwunden. In deutschen Städten dagegen, wo der Boden mager ist, blieb die Vielfalt erhalten, wie Reichholf mit Beispielen belegt. In der Folge hat auch der Vogel- und Insektenreichtum auf dem Land abgenommen, weil die Felder diesen nicht mehr die ihrer Art eigenen Lebensbedingungen bieten.
Die Bereitstellung sauberen Trinkwassers ist angesichts der wachsenden Belastung des Bodens durch ein Übermaß an Gülle immer teurer geworden.
"Die Belastung des Grundwassers wurde in weiten Teilen Deutschlands so groß, dass es als Trinkwasser seit Jahrzehnten schon nicht mehr verwertet werden kann. Großstädte müssen daher zumeist aus fernen Gebieten ihr Trinkwasser herbeischaffen, weil der Nahbereich der landwirtschaftlich genutzten Flächen dafür nicht mehr infrage kommt. Gutes Trinkwasser ist im niederschlagsreichen Deutschland weithin ein kostbares Gut geworden. Die Wasserrechnungen weisen dies aus. Verursacher dieser Kosten ist die von der Landwirtschaft ausgehende Überdüngung."
Der Verbraucher, so Reichholf, zahlt obendrein noch exorbitante Abwasserkosten sowie die Milliarden-Subventionen, mit denen die Landwirtschaft gefördert wird. Dabei sind 13 Millionen Rinder und 26 Millionen Schweine nicht nur für Deutschlands Boden zu viel, sie übersteigen auch den Fleischbedarf. So wird ein Teil des Fleisches exportiert. Der Transport ins Ausland erhöht erneut den CO2-Ausstoß. Knapper werdende Energie, so glaubt der Autor, werde die Massengütertransporte von Viehfutter und Fleisch über kurz oder lang unwirtschaftlich machen, sodass es höchste Zeit sei, umzusteuern.
Manches von dem, was Reichholf anprangert, ist nicht neu. Dennoch lohnt sich sein flüssig geschriebenes Buch, denn Reichholf übt nicht nur, wie sonst meist üblich, Kritik an Details, etwa an der Abholzung der Tropenwälder, sondern er stellt den Prozess der Massentierhaltung in seiner Gänze infrage. Und er bietet eine Lösung an: Er plädiert dafür, nur noch so viele Tiere zu züchten, wie deutsche Weiden auch ernähren können. Das fehlende Fleisch, so sein eindringlicher Rat, sollte direkt dort gekauft werden, wo genügend Weideland vorhanden ist, etwa in Argentinien.
Josef H. Reichholf: Der Tanz um das goldene Kalb. Der Ökokolonialismus Europas
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011
151 Seiten, 10,90 Euro
"Wäre der Bedarf an Massenproduktion von Futtermitteln für Europas Viehställe gar nicht erst zustande gekommen, dann wäre ein Großteil der Tropenwaldflächen, die seit den 1980er-Jahren gerodet und vernichtet worden sind, erhalten geblieben - mit den angestrebten Effekten für das Klima. Und es hätte wohl auch keine 'Futtermittelskandale' gegeben."
Brasilianische Tropenwälder mit ihrer Artenvielfalt müssen nicht, wie gemeinhin behauptet, dem Siedlungsdruck weichen, stellt Reichholf schlüssig dar, sondern sie werden vor allem für Soja für europäisches Viehfutter gerodet. Meist fallen die Bäume der Brandrodung zum Opfer, was bekanntermaßen ebenfalls klimaschädliches CO2 freisetzt. Auch der Transport hierher ist nicht klimaneutral.
Hier bei uns geht das Artensterben dann weiter. Nach Reichholfs Berechnungen wird in manchen Gebieten um das Vierfache mehr an Gülle ausgebracht, als der Boden aufnehmen kann. Die Überdüngung aber fördert einige wenige Pflanzenarten und verdrängt viele andere.
"Jahrzehntelang fiel weit mehr an naturnahen und artenreichen Flächen der Landwirtschaft zum Opfer als dem Straßen- und Siedlungsbau. Doch in Kreisen des Naturschutzes wollte dies kaum jemand zur Kenntnis nehmen."
Auf dem Land wurden zwei Drittel der Pflanzenarten seltener oder sind verschwunden. In deutschen Städten dagegen, wo der Boden mager ist, blieb die Vielfalt erhalten, wie Reichholf mit Beispielen belegt. In der Folge hat auch der Vogel- und Insektenreichtum auf dem Land abgenommen, weil die Felder diesen nicht mehr die ihrer Art eigenen Lebensbedingungen bieten.
Die Bereitstellung sauberen Trinkwassers ist angesichts der wachsenden Belastung des Bodens durch ein Übermaß an Gülle immer teurer geworden.
"Die Belastung des Grundwassers wurde in weiten Teilen Deutschlands so groß, dass es als Trinkwasser seit Jahrzehnten schon nicht mehr verwertet werden kann. Großstädte müssen daher zumeist aus fernen Gebieten ihr Trinkwasser herbeischaffen, weil der Nahbereich der landwirtschaftlich genutzten Flächen dafür nicht mehr infrage kommt. Gutes Trinkwasser ist im niederschlagsreichen Deutschland weithin ein kostbares Gut geworden. Die Wasserrechnungen weisen dies aus. Verursacher dieser Kosten ist die von der Landwirtschaft ausgehende Überdüngung."
Der Verbraucher, so Reichholf, zahlt obendrein noch exorbitante Abwasserkosten sowie die Milliarden-Subventionen, mit denen die Landwirtschaft gefördert wird. Dabei sind 13 Millionen Rinder und 26 Millionen Schweine nicht nur für Deutschlands Boden zu viel, sie übersteigen auch den Fleischbedarf. So wird ein Teil des Fleisches exportiert. Der Transport ins Ausland erhöht erneut den CO2-Ausstoß. Knapper werdende Energie, so glaubt der Autor, werde die Massengütertransporte von Viehfutter und Fleisch über kurz oder lang unwirtschaftlich machen, sodass es höchste Zeit sei, umzusteuern.
Manches von dem, was Reichholf anprangert, ist nicht neu. Dennoch lohnt sich sein flüssig geschriebenes Buch, denn Reichholf übt nicht nur, wie sonst meist üblich, Kritik an Details, etwa an der Abholzung der Tropenwälder, sondern er stellt den Prozess der Massentierhaltung in seiner Gänze infrage. Und er bietet eine Lösung an: Er plädiert dafür, nur noch so viele Tiere zu züchten, wie deutsche Weiden auch ernähren können. Das fehlende Fleisch, so sein eindringlicher Rat, sollte direkt dort gekauft werden, wo genügend Weideland vorhanden ist, etwa in Argentinien.
Josef H. Reichholf: Der Tanz um das goldene Kalb. Der Ökokolonialismus Europas
Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011
151 Seiten, 10,90 Euro