Auf die Nase gefallen

Rezensent: Christoph Leibold |
Simon Solberg gilt als einer der talentiertesten Nachwuchsregisseure des deutschen Theaters. Am Münchner Volkstheater, wo Intendant Christian Stückl regelmäßig mit jungen Regisseuren zusammenarbeitet, hat Solberg eine freie Fassung von Goethes "Faust" zum Spielzeit-Auftakt inszeniert.
Aus Fausts Studierstube ist dabei ein Labor geworden, voll gestellt mit Experimentiertischen, Overheadprojektor, Laptop, Mikroskop und allerhand blinkenden Apparaten. Menschen in weißen Kitteln arbeiten hier: Faust als Chef einer Forschungsgruppe, der seine Monologe gerne ins Diktiergerät spricht.

Faust bei Simon Solberg - das ist der Inbegriff des modernen Wissenschaftlers, der auf der Suche nach dem, was die Welt im Innersten zusammenhält, schon deutlich weiter ist, als es die Wissenschaft zu Goethes Lebzeiten war. Doch an den letzten Geheimnissen menschlichen Lebens beißt auch er sich die Zähne aus. Die Verzweiflung wächst.

Mit Mephisto bricht dieser Faust aus und auf zu einer Art All-Inclusive-Reise ins eigene Ich, inszeniert von Simon Solberg als rasanter Seelentrip: wirr, wild und wüst. Schlaglichtartig tauchen Sätze und Szenen aus Goethes Tragödie auf, vieles wird in schnodderiges Alltagsdeutsch übersetzt oder in überdrehtes Handpuppenspiel und hektische Pantomime verpackt. Es regiert der blinde Aktionismus. Die Schnipsel-Dramaturgie erlaubt weder Jan Viethen als Faust noch Jean-Luc Bubert (beide neu am Münchner Volkstheater) überzeugende Figuren zu entwickeln.

Eine stringente Deutung ist nicht erkennbar, abgesehen von der eher mäßig originellen Idee, Faust als Forscher von heute zu verkleiden. Simon Solberg ist bei seiner Erforschung von Goethes "Faust" glattweg auf die Nase gefallen. Wie ein kleiner Junge mit Chemiekasten hat der 29jährige Regisseur Einfälle und Anspielungen zusammengemixt. Jetzt dürfen alle zuschauen, was passiert. Aber mehr als ein buntes Blubbern im Reagenzglas ist nicht drin. Jugend forscht - leider mit enttäuschendem Ergebnis.