Auf die Vermarktung kommt es an
Große Erfindungen prägen unseren Alltag: Ohne Telefon, Glühbirne und Fahrrad , aber auch ohne Mausefalle, Kronkorken und Dosenöffner sähe unser Leben anders aus und wäre weniger komfortabel. Wer waren die Erfinder? Wie kamen sie auf die Idee? Wie wurde das Produkt vermarktet? Darüber klärt jetzt ein Experte für Patentinformationen auf. Das Buch fängt an mit dem Telegraphen von 1837 und endet mit dem Mobiltelefon von 1989.
"Das große Buch der Erfindungen" ist ein ziemlich kleines Buch, genauer : ein Taschenbuch. Ohne Hochglanzfotos, wie man sie bei einem "großen Buch" womöglich vermutet. Stattdessen Zeichnungen. Technische Zeichnungen. Mit genau diesen Zeichnungen haben die glücklichen Erfinder ihre Neuerungen beim Patentamt angemeldet. – Das hier ist kein "großes Buch der Erfindungen" – der Titel ist falsch gewählt – schon eher ein " Buch der großen Erfindungen", "groß" im Sinne von "bedeutsam". Das heißt, es geht um Erfindungen, die Geschichte gemacht haben, die um die Welt gezogen sind, die den menschlichen Alltag entscheidend verändert haben - und zwar um Erfindungen ausschließlich des 19. und des 20. Jahrhunderts.
Das Buch fängt an mit dem Telegraphen von 1837 und endet mit dem Mobiltelefon von 1989. Der Autor geht chronologisch vor: Die einzelnen Erfindungen werden abgehandelt nach der Reihenfolge ihre Anmeldung bei den zuständigen Patentämtern. - Dem Telegraphen folgt die Fotografie, genauer: die Daguerreotypie von 1839, dann die Nähmaschine von 1846 und so fort.
Rund um jede Erfindung wird eine Geschichte erzählt, maximal 3 Seiten lang. Zum Beispiel : Das Telefon. Erfinder: bekanntlich Alexander Graham Bell, das Patent wurde am 14. Februar 1876 angemeldet, gleichzeitig in England und in den USA. Was die Vereinigten Staaten betrifft: Da hat Bell schlicht Glück gehabt.
Am gleichen Tag nämlich, nur zwei Stunden später als er, wollte ein gewisser Elisha Gray aus Ohio ebenfalls ein Telefon als Patent anmelden. Das ist gescheitert, obwohl sich kurz darauf herausstellte: Das Telefon von Gray funktionierte um einiges besser als das von Bell, aber der war eben früher da. Von Elisha Gray hat man nie wieder etwas gehört, Bell dagegen bemühte sich fieberhaft um die Verbesserung seiner Erfindung – und hatte ein zweites mal Glück: Er trifft Thomas Alva Edison, "Erfinder von Berufs wegen". Der hat erstmal ein passables Mikrofon für Bells Telefon konstruiert, denn anfänglich hat man am Telefon-Hörer nur "Kauderwelsch und Meeresrauschen" vernommen: Was der da drüben einem sagen wollte, war kaum zu deuten.
Ende 1876 hat Bell sein Telefon auf der Jahrhundertausstellung in Philadelphia vorgeführt und sich zusammen mit Edison ganz köstlich amüsiert: über den Schrecken, den ihr neuer Apparat beim Publikum verbreitet hat. Der brasilianische König Don Petro nahm den Telefonhörer in die Hand, am anderen Ende der Leitung eine Assistentin von Bell – plötzlich schreit der König: "Mein Gott, es spricht!" und lässt entsetzt den Hörer fallen.
Aller guten Dinge sind drei. Zum dritten Mal Glück hatte Bell, als er die Rechte an seiner Erfindung verkaufen wollte. Für 100.000 Dollar an die "Western Union Telegraph Company". Die wollte das Patent nicht haben. Der skeptische Bell hat dann wohl oder übel eine eigene Firma gegründet, um sein Telefon selbst zu vermarkten. Und das hatte er sich nicht träumen lassen: Innerhalb von drei Jahren findet Bell 50 000 Kunden und wird reich wie ein Maharadscha.
Ohne ein bisschen Glück wird man selten ein großer Erfinder –zumindest kein großer reicher Erfinder, denn alles hängt am Ende von der Vermarktung ab. – Jede Erfindung, die eine "große" werden will, braucht erstmal einen "Markt". Das heißt, erstens muss ein massenhaften Bedarf bestehen und zweitens muss das Ganze für möglichst viele Menschen auch bezahlbar sein. Das trifft zwar für alle Erfindungen zu, die in diesem Buch beschrieben werden, dennoch weiß der Autor von genügend "glücklosen Erfindern" zu berichten, glücklos zumindest, was die finanzielle Seite betrifft.
Beispiel: Thermosflasche, als Patent angemeldet von einem Deutschen namens Reinhold Burger im Oktober 1903 für Deutschland, Großbritannien und die USA. Aber erfunden hat Burger die Thermosflasche nicht. Burger war Glasbläser von Beruf und hat eine zeitlang für einen schottischen Chemiker gearbeitet. Sein Name: Sir James Deware. – Deware hatte die Flasche erfunden. Für sein Labor, um Flüssigkeiten zu kühlen. Und Deware hatte auch ein Patent angemeldet, nur leider das falsche. Er ließ sich nämlich eine Idee patentieren: die Idee, wie man ein Vakuum schafft, indem man aus einem Körper die Luft abpumpt. Dewares Mitarbeiter Reinhold Burger war um einiges schlauer als sein Arbeitgeber; der lies sich nämlich die Flasche als solche patentieren, gründete die "Thermos GmbH" und hat ein Riesenvermögen gemacht.
In manchen der Geschichten geht es primär um die Erfindung selbst, in anderen mehr um’s Drumherum, je nach Art der Erfindung. Bei technisch komplizierten Dingen – nehmen wir den Verbrennungsmotor von 1876 – wird dessen Funktion recht ausführlich beschrieben, da ist also ein bisschen Physik-Unterricht dabei.
Aber man findet auch ganz viele kleine "große" Erfindungen in diesem Buch: die Sicherheitsnadel, den Spreizdübel, den Dosenöffner … das sind, technisch betrachtet, ziemlich simple Sachen, die müssen dem Leser nicht erklärt werden, da ist dann die Geschichte das Eigentliche. Zum Beispiel erfährt man: Im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 mussten die hungrigen Soldaten noch auf ihre Konservendosen schießen. Oder mit Hammer und Meißel zu Werke gehen. Denn die Blechdosen von damals waren ziemlich dickwandig, mit einem Messer konnte man nichts ausrichten, und der Dosenöffner wurde erst fünf Jahre nach Ende des Krieges erfunden.
Rezensiert von Susanne Mack
Stephen van Dulken: Das große Buch der Erfindungen. 100 Ideen, die Geschichte machten
Insel-Verlag, Frankfurt am Main 2006, 323 Seiten. 10 Euro
Das Buch fängt an mit dem Telegraphen von 1837 und endet mit dem Mobiltelefon von 1989. Der Autor geht chronologisch vor: Die einzelnen Erfindungen werden abgehandelt nach der Reihenfolge ihre Anmeldung bei den zuständigen Patentämtern. - Dem Telegraphen folgt die Fotografie, genauer: die Daguerreotypie von 1839, dann die Nähmaschine von 1846 und so fort.
Rund um jede Erfindung wird eine Geschichte erzählt, maximal 3 Seiten lang. Zum Beispiel : Das Telefon. Erfinder: bekanntlich Alexander Graham Bell, das Patent wurde am 14. Februar 1876 angemeldet, gleichzeitig in England und in den USA. Was die Vereinigten Staaten betrifft: Da hat Bell schlicht Glück gehabt.
Am gleichen Tag nämlich, nur zwei Stunden später als er, wollte ein gewisser Elisha Gray aus Ohio ebenfalls ein Telefon als Patent anmelden. Das ist gescheitert, obwohl sich kurz darauf herausstellte: Das Telefon von Gray funktionierte um einiges besser als das von Bell, aber der war eben früher da. Von Elisha Gray hat man nie wieder etwas gehört, Bell dagegen bemühte sich fieberhaft um die Verbesserung seiner Erfindung – und hatte ein zweites mal Glück: Er trifft Thomas Alva Edison, "Erfinder von Berufs wegen". Der hat erstmal ein passables Mikrofon für Bells Telefon konstruiert, denn anfänglich hat man am Telefon-Hörer nur "Kauderwelsch und Meeresrauschen" vernommen: Was der da drüben einem sagen wollte, war kaum zu deuten.
Ende 1876 hat Bell sein Telefon auf der Jahrhundertausstellung in Philadelphia vorgeführt und sich zusammen mit Edison ganz köstlich amüsiert: über den Schrecken, den ihr neuer Apparat beim Publikum verbreitet hat. Der brasilianische König Don Petro nahm den Telefonhörer in die Hand, am anderen Ende der Leitung eine Assistentin von Bell – plötzlich schreit der König: "Mein Gott, es spricht!" und lässt entsetzt den Hörer fallen.
Aller guten Dinge sind drei. Zum dritten Mal Glück hatte Bell, als er die Rechte an seiner Erfindung verkaufen wollte. Für 100.000 Dollar an die "Western Union Telegraph Company". Die wollte das Patent nicht haben. Der skeptische Bell hat dann wohl oder übel eine eigene Firma gegründet, um sein Telefon selbst zu vermarkten. Und das hatte er sich nicht träumen lassen: Innerhalb von drei Jahren findet Bell 50 000 Kunden und wird reich wie ein Maharadscha.
Ohne ein bisschen Glück wird man selten ein großer Erfinder –zumindest kein großer reicher Erfinder, denn alles hängt am Ende von der Vermarktung ab. – Jede Erfindung, die eine "große" werden will, braucht erstmal einen "Markt". Das heißt, erstens muss ein massenhaften Bedarf bestehen und zweitens muss das Ganze für möglichst viele Menschen auch bezahlbar sein. Das trifft zwar für alle Erfindungen zu, die in diesem Buch beschrieben werden, dennoch weiß der Autor von genügend "glücklosen Erfindern" zu berichten, glücklos zumindest, was die finanzielle Seite betrifft.
Beispiel: Thermosflasche, als Patent angemeldet von einem Deutschen namens Reinhold Burger im Oktober 1903 für Deutschland, Großbritannien und die USA. Aber erfunden hat Burger die Thermosflasche nicht. Burger war Glasbläser von Beruf und hat eine zeitlang für einen schottischen Chemiker gearbeitet. Sein Name: Sir James Deware. – Deware hatte die Flasche erfunden. Für sein Labor, um Flüssigkeiten zu kühlen. Und Deware hatte auch ein Patent angemeldet, nur leider das falsche. Er ließ sich nämlich eine Idee patentieren: die Idee, wie man ein Vakuum schafft, indem man aus einem Körper die Luft abpumpt. Dewares Mitarbeiter Reinhold Burger war um einiges schlauer als sein Arbeitgeber; der lies sich nämlich die Flasche als solche patentieren, gründete die "Thermos GmbH" und hat ein Riesenvermögen gemacht.
In manchen der Geschichten geht es primär um die Erfindung selbst, in anderen mehr um’s Drumherum, je nach Art der Erfindung. Bei technisch komplizierten Dingen – nehmen wir den Verbrennungsmotor von 1876 – wird dessen Funktion recht ausführlich beschrieben, da ist also ein bisschen Physik-Unterricht dabei.
Aber man findet auch ganz viele kleine "große" Erfindungen in diesem Buch: die Sicherheitsnadel, den Spreizdübel, den Dosenöffner … das sind, technisch betrachtet, ziemlich simple Sachen, die müssen dem Leser nicht erklärt werden, da ist dann die Geschichte das Eigentliche. Zum Beispiel erfährt man: Im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 mussten die hungrigen Soldaten noch auf ihre Konservendosen schießen. Oder mit Hammer und Meißel zu Werke gehen. Denn die Blechdosen von damals waren ziemlich dickwandig, mit einem Messer konnte man nichts ausrichten, und der Dosenöffner wurde erst fünf Jahre nach Ende des Krieges erfunden.
Rezensiert von Susanne Mack
Stephen van Dulken: Das große Buch der Erfindungen. 100 Ideen, die Geschichte machten
Insel-Verlag, Frankfurt am Main 2006, 323 Seiten. 10 Euro