Auf einen Schlag schuldenfrei?

Privatisierungen erfolgten in den vergangenen Jahren vor allem in den Bereichen Abfallwirtschaft, Stadtreinigung, Energieversorgung, Krankenhäuser. Schnelles Geld in die Kassen, schneller Schuldenabbau - aber am Ende kommt es die Kommune teurer, weil damit auch langfristige Einnahmen verlorengehen.
Personal wurde abgebaut - meist nur auf dem Papier, denn viele Bürger kommen über Entlassungen beziehungsweise Niedriglöhne wieder als Harz-IV-Empfänger in den Schoß der Gemeinde zurück oder haben wie im Fall der Hamburger Krankenhausprivatisierung eine Klausel im Vertrag, die die Möglichkeit einer Rückkehr sogar absichert.

Ein deutlicher Trend geht jetzt wieder in die Gegenrichtung. Viele Gemeinden holen sich ihre ehemaligen Dienstleister zurück. Damit einher gehen oft auch eine Binnenmodernisierung, eine Rationalisierung, eine Optimierung von Arbeitsschritten. Ein Umweg bei der Orientierung an ökonomischen Leitbildern, aber manchmal der einzige Weg aus überholten Verwaltungsstrukturen.

Beispiel Freiburg
Von Solveig Grahl

Christiane Schumacher sitzt oben auf einer großen Reinigungsmaschine und fährt über die langen Flure der Richard-Fehrenbach-Gewerbeschule. Taski Swingo heißt das moderne Gerät, das den Reinigungskräften der Stadt Freiburg das Putzen der Flure und großen Eingangshallen erleichtern soll. Früher wurde das alles von Hand gemacht, sagt Christiane Schumacher, die seit fast 20 Jahren bei der Stadt Freiburg arbeitet:

"Die Reinigungsgeräte, das ist wesentlich besser geworden, einfacher, auch leichter. Man muss nicht mehr so mit schweren Spaghettimobs ran, wie es früher war, sondern man hat jetzt auch leichte Geräte, die nicht mehr so anstrengend sind und das etwas leichter machen."

Die neuen Reinigungsmaschinen sind Teil eines ganzen Maßnahmenpakets, das das Gebäudemanagement der Stadt seit Ende 2003 umsetzt. Damals, vor rund vier Jahren, wurden 60 Prozent der Fläche in städtischen Einrichtungen wie Schulen oder Kindergärten von privaten Unternehmen geputzt. Der öffentliche Dienst sei einfach zu teuer, hieß es. Zwischen 1993 und 2003 baute die Stadt 200 Stellen ab, erinnert sich Johannes Klauser, Leiter des Gebäudemanagements Freiburg:

"Irgendwann war der Punkt erreicht, wo es darum ging: Schaffen wir jetzt die Eigenreinigung ganz ab und geben alles an private Dienstleister oder wie soll es weitergehen? Dazu gab es unterschiedliche Meinungen im Gemeinderat. Die einen waren für eine vollkommene Privatisierung. Die anderen sagten, auch aus der sozialen Verantwortung heraus, wir müssen uns einen eigenen Stamm an Reinigungskräften bewahren."

Der Gemeinderat entschied für letzteres – allerdings unter einer Bedingung: Das Gebäudemanagement der Stadt hatte 18 Monate Zeit, die Arbeitsabläufe bei der Eigenreinigung zu optimieren und 10 bis 15 Prozent der Kosten einzusparen. Nur so könne man dauerhaft mit privaten Anbietern konkurrieren. Gemeinsam mit einem Beratungsunternehmen und den Reinigungskräften selbst erarbeitete das Gebäudemanagement ein Konzept. Die Anschaffung moderner Geräte gehörte genauso dazu wie ein ganz neues Arbeitszeitmodell. Das orientiere sich viel stärker als früher am Putzbedarf und sei damit flexibler, sagt Nadia Appugliese, die für die Betreuung der Reinigungsteams verantwortlich ist:

"Besonders in den Wintermonaten. Dann haben unsere Reinigungskräfte die Möglichkeit, weil mehr Schmutz da ist, etwas länger zu arbeiten. Das heißt, sie machen dann Plusstunden. Diese Plusstunde wird dann gutgeschrieben auf ein Arbeitszeitkonto. Und wenn dann die Möglichkeit da ist, dass etwas weniger los ist, dann können unsere Reinigungskräfte diese Stunden abfeiern."

Um die Stellen in der kommunalen Reinigung dauerhaft zu retten, mussten die Mitarbeiterinnen ihren Preis zahlen. Jede von ihnen putzt heute rund 20 Prozent mehr Fläche als früher. Fällt eine Reinigungskraft aus, wird sie von Kolleginnen ihres Teams vertreten. Früher wurden in solchen Fällen sofort Springer eingekauft, sagt Felicitas Schilling vom Gebäudemanagement Freiburg:

"Allein durch den Abbau der Springerstelle haben wir 90.000 Euro eingespart. Die Reinigungskräfte müssen das jetzt bis zu einem gewissen Grad einfach mitmachen, mit Plus- und Minusstunden."

Das neue Konzept der Freiburger Gebäudereinigung setzt viel mehr als früher auf Mitsprache und Eigenverantwortung der Mitarbeiterinnen. Die Teams in jedem Objekt organisieren selbst, wer wen vertritt, wer in welchem Gebäudeteil putzt und wie viel Reinigungsmittel benötigt werden. Eine gute Sache, findet auch Mitarbeiterin Christiane Schumacher:

"Das motiviert. Man hat mehr Verantwortung jetzt auch gekriegt. Man versucht das mit den Kolleginnen, alles unter einen Hut zu kriegen, versucht das Beste draus zu machen."

Die Maßnahmen des Gebäudemanagements tragen Früchte: 20 Prozent der Kosten wurden eingespart – weit mehr also als der Gemeinderat im Jahr 2003 verlangt hatte. Dadurch konnte Freiburg die Stellen der kommunalen Reinigungskräfte sichern, 190 arbeiten heute für die Stadt. Viele Aufträge, die früher private Unternehmen übernommen hatten, holte sich das städtische Gebäudemanagement wieder zurück – zur Freude vieler Schulen, Kindergärten und Büros, so die Erfahrung von Johannes Klauser, Leiter des Gebäudemanagements:

"Es sind immer die gleichen Damen in einem Haus. Die Identifikation mit dem Gebäude ist gegeben, die Reinigung ist dadurch ziemlich gut. Bei den Privaten ist es ganz anders. Da wird im Akkord gearbeitet, dort ist der Profit wichtig, dort müssen die Damen sehr viel arbeiten, und sie arbeiten immer an anderen Orten. Sie können sich gar nicht mit dem Gebäude identifizieren. Und somit haben wir die Rückmeldung von den Schulen und von unseren anderen Nutzern, die Reinigungsleistung bei den Privaten war einfach wesentlich schlechter."

Mittlerweile putzt die Stadt Freiburg wieder rund 55 Prozent der öffentlichen Gebäude in Eigenregie, 15 Prozent mehr als noch vor vier Jahren. Neueinstellungen seien zwar zur Zeit utopisch, sagt Felicitas Schilling vom Gebäudemanagement, aber man stehe jetzt auf einem soliden Fundament und könne sicherlich mit den privaten Anbietern konkurrieren.

Davon ist auch Christiane Schumacher überzeugt. Trotz Mehrarbeit und Umstrukturierung ist sie froh, nach fast 20 Jahren auch weiter als städtische Reinigungskraft arbeiten zu können:

"Ich denke, wir haben versucht, da mitzuwirken. Wenn man was verbessern kann und den Job behalten kann, ist das schon wichtig. Wir haben einen Punkt erreicht, wo man wieder ein bisschen mehr Luft hat und nicht mehr die Angst im Nacken hat."

Beispiel Hamburg
Von Werner Nording

Im Hamburger Rathaus ist eigens eine eigene Dienststelle eingerichtet worden, um die 2000 Mitarbeiter, die nach der Privatisierung zur Stadt zurückkehren wollen, zu betreuen. Besonders schwer ist es für Personalamtsleiter Volker Bonnorden, die 800 Krankenschwestern und Pfleger in geeignete Stellen zu vermitteln.

"Das wird von der Anzahl her ein Gruppe sein, um die wir uns besonders zu kümmern haben , weil wir sie nicht eins zu eins übernehmen können, da wir keine Krankenhäuser mehr haben, wir auch diese Tätigkeitsfelder so nicht haben, insofern wird man versuchen müssen, diese Personen gegebenenfalls durch eine sehr intensive Qualifikation in andere Tätigkeitsfelder, die ein bisschen artverwandt sind, hineinzusteuern."

In der Praxis tut die Stadt sich schwer, für die Rückkehrer passende Stellen zu finden. Wohl deshalb sind bislang erst 100 der 2000 Rückkehrwilligen vermittelt worden. Die Absicht, bis Mitte des Jahres alle Betroffenen unterzubringen, wird man wohl nicht halten können. In ihrer Not greift die Stadt auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen. Da kommt es vor, dass das Personalamt aus einem medizinischen Bademeister schon mal einen Schleusenmeister macht, schimpft Axel Hopfmann, der seit 1984 in den städtischen Kliniken als Krankenpfleger gearbeitet hat.

"Es sind ja auch schon KollegInnen zum Knöllchen-Schreiben abkommandiert worden, es werden aus Krankenschwestern Büroarbeitskräfte gemacht, und das ist eine Vergeudung von Qualitäten, die die Menschen einfach haben."

Der 52-jährige gelernte Krankenpfleger, der mittlerweile als Lehrer in der Ausbildung von Hebammen und Pflegekräften arbeitet, hat bislang auch noch kein angemessenes Angebot bekommen.

"Ich fühle mich natürlich verschaukelt von dieser Stadt, die die Krankenhäuser verkauft hat und zwar gegen eine Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen. Keine Partei, die sich auf die Mehrheit der Wähler beruft, hat so eine Mehrheit bisher erreicht, darüber hat sich der Senat einfach hinweggesetzt, muss man sagen, schöne Demokraten."

Die Opposition in der Hamburger Bürgerschaft hat den Senat aufgefordert, das freigewordene Krankenhauspersonal zu nutzen, um das soziale Gefüge der Stadt zu verbessern. Der SPD-Abgeordnete Martin Schäfer nennt eine Reihe von Möglichkeiten.

"Für Verwaltungsangestellte kann man in der Verwaltung Adäquates finden, für Gebäudereiniger und Köche ebenfalls, da bin ich zuversichtlich. Schwierig sind die medizinischen Berufe, weil die Stadt derzeit fast keine medizinischen Berufe mehr anbieten kann. Das heißt, hier muss man Familienhebammenprogramme ausbauen, Gesundheitsprävention für die älter werdende Gesellschaft machen, die wir haben , bis hin zu Ernährungsberatung, Sportförderung für ältere Menschen, alles das kann man machen und hier ist das Potential und das muss genutzt werden."

Für den SPD-Herausforderer Michael Naumann, der in Hamburg Bürgermeister werden will, ist das Rückkehrer-Desaster der Krankenhausbeschäftigten ein gefundenes Wahlkampf-Fressen. Wenn er die Regierung übernimmt, würden in Problemstadtteilen zusätzliche Pflegestationen eingerichtet, auch die Gesundheitsvorsorge werde sein Senat verbessern, verspricht der Kandidat.

"Wir werden einen Pflege-TÜV für die Altenheime einrichten, auch dort werden zusätzliche Arbeitskräfte benötigt, die Kommunalisierung von in der Vergangenheit privatisierten Versorgungsunternehmen ist bereits in vollem Gange, das heißt, der Versuch, staatliche Aufgaben zu privatisieren, ist in vielen Großstädten bereits fehlgeschlagen und dieses Krankenhaus-Syndrom, was wir hier haben, ist ein Beispiel dafür, wie man's nicht machen sollte."

Die 46-jährige Krankenschwester Sabine Kinzen, die von der Stadt auch noch nicht in eine neue Stelle vermittelt werden konnte, spricht der Hamburger CDU-Alleinregierung den politischen Willen ab, das Problem der Rückkehrer angemessen zu lösen.

"Und deswegen sollte man dieser Regeierung auch mal einen Denkzettel verpassen, beste Gelegenheit wäre der 24.2."

Das ist der Tag, an dem in Hamburg eine neue Bürgerschaft gewählt wird.

Beispiel Dresden
Von Alexandra Gerlach

"Ich bin heilfroh, dass wir das gemacht haben, ich bin überglücklich über den Zeitpunkt, den wir gewählt haben, wenn wir es später gemacht hätten, dann hätten wir es wahrscheinlich nicht mehr so gut hinbekommen. Also wir sind sehr zufrieden, alle unsere Erwartungen sind erfüllt worden, … und in der städtischen Haushaltswirtschaft können wir jetzt halt richtig zulegen. Das ist die frohe Botschaft, hier wird investiert."

Das sah vor dem spektakulären Verkauf der städtischen Wohnungsgesellschaft ganz anders aus. Im Jahr 2006 ging nichts mehr in Dresden. Die Stadtkasse leer, der Etat restlos überzogen und nicht mehr genehmigungsfähig. Der Stadt-Kämmerer Hartmut Vorjohann erinnert sich mit Grausen:

"Wir standen finanziell mit dem Rücken an der Wand. Wir haben keinen Haushalt mehr genehmigt bekommen, unser ganzes Investitionsprogramm, was wir vorhatten, Schulen, Kitas, Straßen, hätte abgebrochen werden müssen."

Heute gilt Dresden als "Boomtown des Ostens". Beim Vergleich von 50 Deutschen Großstädten liegt die Elbmetropole auf Platz 8. Zur absoluten Stärke gehört der geringe Verschuldungsgrad. Denn mit dem Verkauf der WOBA sank der Schuldenstand je Einwohner auf 441 Euro. Das ist Platz 1 in Deutschland.

Der Verkauf von insgesamt 48.000 städtischen Wohnungen in allen Lagen und Preiskategorien an den US-amerikanischen Investor Fortress spülte 1,7 Milliarden Euro in die Stadtkasse. Kritiker bemängelten, Dresden verscherbele sein Familiensilber und setze die hilflosen Mieter der Willkür des Investors aus. Dresdens Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann widerspricht entschieden:

"Wir haben die Mieterhöhungs-Spielräume nach oben gekappt in diesem Vertragsverhältnis aber auch diese Möglichkeiten, … die WOBA kann im Moment überhaupt keinen Mieterhöhungen an diesem Markt umsetzen, weil der nach wie vor von hohen Leerständen geprägt ist. Der Mieter ist momentan das kostbarste Gut, was der Vermieter hat, und der muss gehegt und gepflegt werden."

Das bestätigt auch Peter Bartels, der Vorsitzende des Mietervereins Dresden und Umgebung e.V. und Mitglied im eigens gegründeten Beirat "Wohnen", der die Mieterpolitik der WOBA kritisch beobachtet. Bislang sei alles sehr korrekt gelaufen, sagt Bartels und warnt zugleich, die echten Probleme lägen in der Zukunft:

"Wenn der Leerstand aufgebraucht ist, dann wird es eine sehr schwierige Situation für Dresden werden. Schauen sie nach München oder nach Hamburg, wo Wohnungsmangel herrscht, was dort für Mieten verlangt werden, wenn dort eine Wohnung frei wird, dann hat der 20 Bewerber, in Dresden kann ein frei gewordene Wohnung in der Regel nicht sofort besetzt werden."

Derzeit biete die privatisierte WOBA ihre leerstehenden Wohnung besonders günstig an, die neuen Mieter, darunter auch viele Hartz-IV-Empfänger fallen allerdings nicht in den Schutzbereich der Sozialcharta, die beim WOBA-Verkauf mit verabschiedet wurde. Demzufolge könne das Unternehmen in den nächsten Jahren alle Spielräume bei Mieterhöhungen ausnutzen, sagt Bartels vom Mieterverein.

"Das heißt, innerhalb von drei Jahren müssen die Mieter mit Mieterhöhungen von 20 Prozent rechnen, das kann die WOBA machen, solange, bis die Mietspiegelhöhe erreicht ist."

Für Hartz-IV-Bezieher würde das dann einen erneuten Umzug zur Folge haben, wenn sie dadurch über den für sie zulässigen Mietpreis hinaus geraten. Dieses Szenario ist auch aus Sicht der Bündnisgrünen im Dresdner Stadtrat das größte Problem dieser Privatisierung, wie Stadträtin Eva-Jähnigen betont:

"Es wird jetzt schon deutlich, dass wir das Steuerungsrecht durch die öffentliche WOBA verloren haben. Langfristig werden uns die Belegungsrechte für sozialgerechtes Wohnen verlorengehen und das in einer Zeit, wo die Mietpreise deutlich ansteigen, da werden große Folgekosten auf die Stadt zukommen."

Im Dezember 2007 stand nach Angaben der Stadt jede sechste Wohnung, leer. Daher hat auch der Großinvestor Fortess, der inzwischen zur GAGFAH-Gruppe gehört, tausende von Wohnungen abgerissen und vom Markt genommen, zugleich wurden allein im vergangenen Jahr rund 73 Millionen Euro in die Sanierung der ehemaligen WOBA-Wohnungsbestände investiert.

Die Modernisierungen haben allerdings ihren Preis für die Mieter. Sie müssen in den sanierten Objekten mehr Miete zahlen. Im Falle eines Gebäudekomplexes an der Prager Straße verdreifacht sich nun die Kaltmiete von zwei auf sechs Euro pro Quadratmeter. Die Erhöhung sei rechtens, sagen Stadtrat und Mieterverein.

Beispiel Bergkamen
Von Christine Heuer

Markus Klammer steuert einen Koloss durch Bergkamens Straßen. Der 40-Jährige ist Müllwagen-Fahrer. Den weiß-blauen 26-Tonner bedient er ganz allein; per Computer bedient er automatische Greifer, die täglich 1000 Mülltonnen anheben und ihren Inhalt ins Wageninnere kippen. Der Job ist für Klammer nicht neu. Schon lange sammelt er den Bergkamener Müll. Seit anderthalb Jahren aber nicht mehr für das Privatunternehmen Remondis, sondern für die Stadt Bergkamen. Für Markus Klammer ist die Kommunalisierung der Müllabfuhr ein Segen.

"Bei der Kommune hat man jetzt weniger Stress, meine ich, als bei einem privaten Unternehmer. Und alles ist viel besser als woanders jetzt. Da steht man nicht so unter Druck wie bei einem Privaten. Die verlangen immer mehr, immer mehr, und irgendwann geht’s auch nicht mehr."

Der Bürgerservice wurde nach der Kommunalisierung verbessert. Es gibt eine Windeltonne für Familien mit kleinen Kindern. Tonnen um- oder neu zu bestellen, geht schneller als früher. Vor allem aber konnten die Gebühren gesenkt werden, um insgesamt zwölf Prozent. In seinem Büro schlägt Stephan Polplatz, Leiter des städtischen Baubetriebshofs, die augenblicklichen Kosten nach.

"Die Restmüll-Tonne in Bergkamen, 120 Liter? Ich will Ihnen jetzt nichts Falsches sagen, um die 90 Euro, glaube ich. Da gucke ich jetzt lieber genau nach. 194,40 Euro kostet die jetzt im Jahr 2008. Eine Erhöhung um 3,85 Prozent, beim Bio-Müll erhöhen wir leider um 1,68 Prozent."

Die Gebühren mussten wieder erhöht werden, weil Benzin und die Müllverbrennung im Kreis Unna, wo der Bergkamener Müll entsorgt wird, teurer geworden sind. Die Investitionen der Stadt – gut anderthalb Millionen Euro unter anderem für den Fahrzeug- und Mülltonnen-Kauf – schlagen sich darin nicht nieder. Die Stadt hat allerdings auch den Vorteil, nicht mehrwertsteuer-pflichtig zu sein, räumt Roland Schäfer ein. Der Bergkamener Bürgermeister zieht eine positive Zwischenbilanz.

"Im Vorfeld gab es eine ganze Reihe sehr kritischer Stimmen, nach dem Hinweis, was soll denn der Unsinn? Eine Kommune ist doch zwangsläufig teurer als ein Privater, die fahren mit vier Leuten auf dem Wagen, obwohl nur zwei nötig sind, das kann doch eine Kommune gar nicht so gut. Nach dem Wechsel, vor allem nach dem reibungslosen Übergang und aufgrund der Tatsache, dass der Service noch mal verbessert worden ist, ist große Zufriedenheit da. Und über die Gebührensenkungen hat sich auch niemand beschwert."

Für die Bergkamener ist es eine ganz neue Erfahrung, dass die Stadt sich um ihren Müll kümmert. Früher waren dafür die Zechenbetreiber zuständig. Ende der 60er Jahre wurden erstmals private Unternehmen beauftragt. Mit dem letzten Unternehmen, Remondis, war die Stadt sehr zufrieden. Aber als der Vertrag auslief, kam alles auf den Prüfstand. Die Frage lautete: Können wir das genauso gut oder sogar besser? – Die Antwort war: ja. Roland Schäfer, außer Bürgermeister auch Vize-Präsident des Städte- und Gemeindebundes, sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, aus ideologischen Gründen die Linie "Staat vor Privat" zu verfolgen. Darauf angesprochen, schmunzelt er.

"Nein. Diese Linie vertrete ich ganz definitiv nicht. Ich vertrete die Linie, dass jede Kommune frei sein soll, selber zu entscheiden. Ich kämpfe dafür, dass den Kommunen diese Freiheit der Entscheidung auch in Zukunft erhalten bleibt, dass sie nicht festgelegt werden. Und ich halte es für falsch zu sagen 'Kommunal schlägt Konzern', genauso wie es völlig falsch ist zu sagen, 'Privat vor Staat', auch das ist nicht korrekt."

Der grundsätzliche Vorteil der Kommunen ist, dass sie keinen Gewinn machen müssen, findet Roland Schäfer. Auch deshalb missfällt ihm, dass NRW mit seiner neuen Gemeindeordnung die Gemeinden im Wettbewerb mit den Privaten einschränkt. Damit steht der Bergkamener Bürgermeister nicht allein. Was er beobachtet, ist vielleicht noch keine Trendwende, aber doch eine Tendenz in den Kommunen, immer mehr Aufgaben zu kommunalisieren oder rekommunalisieren.