Auf in die Opern-Provinz!
Rund 80 Opernhäuser mit festen Ensembles gibt es in Deutschland, mehr als im gesamten Rest der Welt. Der Berliner Wirtschaftsjournalist Ralph Bollmann hat sie alle besucht. Das Ergebnis ist eine kurzweilig zu lesende Reportage über das vielfältige Musikleben in unserem Land.
Dass große Oper nicht nur ein Großstadtvergnügen ist, sondern auch in der Provinz ihren Auftritt hat, weiß man. Aber die wenigsten Opernliebhaber werden wissen, wie reich die deutsche Kulturlandschaft an dieser opulentesten aller live-erlebbaren Kunstformen ist: Rund 80 Opernhäuser mit festen Ensembles und Orchestern gibt es hierzulande, mehr als im gesamten Rest der Welt.
Diese erstaunliche Zahl liest man in Ralph Bollmanns fabelhaftem Buch, und man reibt sich die Augen, denn der Berliner Wirtschaftsjournalist und Hobby-Opernbesucher hat sie im Lauf von zwölf Jahren nacheinander abgefahren. Er tingelte quer durch die Republik von Stralsund bis Ulm, von Annaberg bis Trier und hat sich - was vermutlich noch kein Musikrezensent geschafft hat - überall mindestens eine Aufführung angesehen.
Herausgekommen ist eine ungewöhnliche, höchst kurzweilig zu lesende Reportage über das vielfältige Musikleben in unserem Land. Aber das Buch ist mehr als dies, zumal der Autor auch jenseits der Bühnenkulissen durch die kleinen und größeren Städte spaziert. Mit dem Blick des gelernten Historikers schaut er sich in der Geschichte der deutschen Zwergstaaterei um, die uns diese einzigartige Zahl an Musiktheatern beschert hat, ebenso wie in winzigen Schlossmuseen, Industriebrachen und schön restaurierten Fachwerkensembles, Parks, Kirchen und Wirtshäusern.
So vollführt das Buch eine Art Paukenschlag, der endgültig aufräumt mit dem Klischee von der angeblichen Engstirnigkeit, dem Biedersinn und Kleingeist der Provinz. Denn was sich da vor dem staunenden Leser auftut, ist ein kaleidoskopisch ausgebreiteter Reichtum an Inszenierungen, deren Niveau trotz knappen Kassen teilweise bemerkenswert ist, an steinernen Denkmälern und pointiert skizzierten regionalen Mentalitäten.
Bei aller Begeisterung – Bollmann beschönigt nichts. Er verschweigt keinen Reinfall, wenn ihm neben künstlerischen Experimenten auch verstaubte, triste Ästhetik begegnet. Er erlebt Musik zwischen gerührten, ergrauten Damen, schnöseligen Jungunternehmern oder inmitten einer Schar aufgepoppter Jugendlicher in bescheidenen Sälen, aber auch in bester Architektur: In Passau spielt man in einem intimen Kleinod aus dem späten Rokoko, das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin residiert in einem Palazzo aus dem 18. Jahrhundert, Gera glänzt in reinstem Jugendstil.
Aus dem Wagner-Skeptiker wird auf seinen Reisen durch die Provinz sogar ein Wagner-Fan, dank des transparenten Klangs, den ihm der Eisenacher "Tannhäuser" etwa in einer kammermusikalischen Aufführung bescherte, einer Praxis, zu der die kleineren Häuser mit ihrer schmalen Orchesterbesetzung notgedrungen Zuflucht nehmen. Von da an rangiert der "Ring" ganz oben auf der Liste der Bollmann'schen Lieblingsopern, sei es in Chemnitz, Weimar oder Detmold. Doch auch wer wie er Raritäten aus der Musikgeschichte erleben will, kommt in der Provinz auf seine Kosten, in Flensburg etwa mit seltenen Fundstücken aus dem französischen Repertoire, in Zwickau mit "Genoveva", einer wenig gespielten Oper von Robert Schumann, dem großen Romantiker, dem Jungen aus Zwickau.
Auf in die Provinz also – mit der "Walküre in Detmold" im Gepäck! Wie es scheint, ist kein schönerer Abenteuerurlaub denkbar.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Ralf Bollmann: Walküre in Detmold. Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Provinz
Klett-Cotta, Stuttgart 2011
286 Seiten, 19,95 Euro
Diese erstaunliche Zahl liest man in Ralph Bollmanns fabelhaftem Buch, und man reibt sich die Augen, denn der Berliner Wirtschaftsjournalist und Hobby-Opernbesucher hat sie im Lauf von zwölf Jahren nacheinander abgefahren. Er tingelte quer durch die Republik von Stralsund bis Ulm, von Annaberg bis Trier und hat sich - was vermutlich noch kein Musikrezensent geschafft hat - überall mindestens eine Aufführung angesehen.
Herausgekommen ist eine ungewöhnliche, höchst kurzweilig zu lesende Reportage über das vielfältige Musikleben in unserem Land. Aber das Buch ist mehr als dies, zumal der Autor auch jenseits der Bühnenkulissen durch die kleinen und größeren Städte spaziert. Mit dem Blick des gelernten Historikers schaut er sich in der Geschichte der deutschen Zwergstaaterei um, die uns diese einzigartige Zahl an Musiktheatern beschert hat, ebenso wie in winzigen Schlossmuseen, Industriebrachen und schön restaurierten Fachwerkensembles, Parks, Kirchen und Wirtshäusern.
So vollführt das Buch eine Art Paukenschlag, der endgültig aufräumt mit dem Klischee von der angeblichen Engstirnigkeit, dem Biedersinn und Kleingeist der Provinz. Denn was sich da vor dem staunenden Leser auftut, ist ein kaleidoskopisch ausgebreiteter Reichtum an Inszenierungen, deren Niveau trotz knappen Kassen teilweise bemerkenswert ist, an steinernen Denkmälern und pointiert skizzierten regionalen Mentalitäten.
Bei aller Begeisterung – Bollmann beschönigt nichts. Er verschweigt keinen Reinfall, wenn ihm neben künstlerischen Experimenten auch verstaubte, triste Ästhetik begegnet. Er erlebt Musik zwischen gerührten, ergrauten Damen, schnöseligen Jungunternehmern oder inmitten einer Schar aufgepoppter Jugendlicher in bescheidenen Sälen, aber auch in bester Architektur: In Passau spielt man in einem intimen Kleinod aus dem späten Rokoko, das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin residiert in einem Palazzo aus dem 18. Jahrhundert, Gera glänzt in reinstem Jugendstil.
Aus dem Wagner-Skeptiker wird auf seinen Reisen durch die Provinz sogar ein Wagner-Fan, dank des transparenten Klangs, den ihm der Eisenacher "Tannhäuser" etwa in einer kammermusikalischen Aufführung bescherte, einer Praxis, zu der die kleineren Häuser mit ihrer schmalen Orchesterbesetzung notgedrungen Zuflucht nehmen. Von da an rangiert der "Ring" ganz oben auf der Liste der Bollmann'schen Lieblingsopern, sei es in Chemnitz, Weimar oder Detmold. Doch auch wer wie er Raritäten aus der Musikgeschichte erleben will, kommt in der Provinz auf seine Kosten, in Flensburg etwa mit seltenen Fundstücken aus dem französischen Repertoire, in Zwickau mit "Genoveva", einer wenig gespielten Oper von Robert Schumann, dem großen Romantiker, dem Jungen aus Zwickau.
Auf in die Provinz also – mit der "Walküre in Detmold" im Gepäck! Wie es scheint, ist kein schönerer Abenteuerurlaub denkbar.
Besprochen von Edelgard Abenstein
Ralf Bollmann: Walküre in Detmold. Eine Entdeckungsreise durch die deutsche Provinz
Klett-Cotta, Stuttgart 2011
286 Seiten, 19,95 Euro