Auf Irrwegen gegen den Klimawandel
Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung hat kürzlich gemeldet, dass seit den 80er-Jahren die Hälfte des Meereises an den Polen weggeschmolzen ist. Die Lösung liege in einer geänderten Lebensweise und in einer flexibel organisierten Arbeit, macht Publizist Martin Tschechne deutlich.
Fünf Mark für den Liter Benzin: Was einst klang wie ein politischer Selbstmordversuch der Grünen - heute ist die Wirklichkeit gar nicht mehr so weit davon entfernt. Vom Euro auf die D-Mark zurückgerechnet, liegen die Spritpreise bei derzeit rund dreifünfzig.
Parkplatz wird zu einer kaum noch erschwinglichen Kostbarkeit, der Stillstand im Verkehrsfluss zum Dauerzustand. Und wer glaubt, es handele sich bei alledem um momentane Spitzen einer Kurve, die schon wieder in normale Bereiche zurückfallen werde, der möge sich sein sonniges Gemüt noch recht lange bewahren.
Es geht um Zukunftsvisionen, es geht um Erziehung. Die Forderung der Grünen aus dem Wahlkampf von 1998 hatte ein bisschen von beidem; das kostete viele Stimmen: Die Umweltpartei wollte einer fast zwanghaft mobilen Gesellschaft die Kosten für ihr Leben zwischen Wohnorten, Urlaubszielen und Arbeitsplätzen vor Augen führen. Und sie wollte demonstrieren, dass ein Ende dieses Ressourcen zehrenden Bewegungshungers abzusehen und unvermeidlich ist.
Heute ist klar, dass andere die Vorlage vom hohen Benzinpreis dankbar aufgenommen haben. Insofern haben die politischen Mahner von damals vielleicht sogar dem Fiskus und den stets hungrigen Konzernen willkommene Brücken gebaut. Manchmal haben Prognosen ja merkwürdige Folgen.
Doch immerhin: Inzwischen werden Alternativen zu unserer exzessiven Mobilität diskutiert - und es liegt nur eine kleine Ironie in der Beobachtung, dass viele Fachleute viele Kilometer zurücklegen, um auf Klimagipfeln, Messen und Kongressen gemeinsam zu überlegen, wie es anzustellen sei, dass in Zukunft weniger Öl verbrannt und weniger Natur asphaltiert werden muss.
Denn es sind wirklich tolle Pläne, die da geschmiedet werden. Einmal politisch: Rückbau der von Zubringerstraßen durchfurchten Städte zu bewohnerfreundlichen Quartieren. Damit Schaffung einer Alternative zur Massenflucht in das weit draußen gelegene Häuschen im Grünen. Ein verbesserter, vielleicht auch kostengünstiger öffentlicher Nahverkehr.
"Carsharing", also gemeinsame Nutzung von Autos, als Gegenangebot zum Besitzerstolz auf eine Karosse, die im Schnitt 23 Stunden am Tag irgendwo parken muss. Und das Fahrradfahren erlebt eine Renaissance als Königsdisziplin im innerstädtischen Nahverkehr. Wobei eine merkwürdige Lücke klafft zwischen der Zahl derer, die sich rühmen, tagtäglich wadenstark und wetterfest zur Schule, Uni oder ins Büro zu strampeln, und dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen auf den meist miserabel ausgebauten Radwegen.
Dann technologisch: Flugzeuge werden leiser, Autos sparsamer konstruiert. Die Bahn macht sich komfortabel, um auf mittleren Strecken eine Alternative zum Luftverkehr zu bieten, der Gütertransport schleppt sich unverdrossen über die Autobahn - aber das macht nichts, weil intelligente Verkehrsleitsysteme und Satellitennavigation jederzeit einen Weg aus dem Stau weisen.
Aber halt, das war schon wieder Ironie! Wer jemals erlebt hat, wie ein Streik ausgerechnet des Kabinenpersonals den gesamten Flugverkehr lahmlegt, oder wie ein defekter Triebwagen der Bahn Kettenreaktionen von Verspätungen auslöst, wer sich die Frage gestattet, wem ein gemeinsam genutztes Auto um elf Uhr am Vormittag nützt, wenn doch alle um Neun im Büro sein sollen - dessen Begeisterung für hoch komplexe Zukunftsmodelle wird rasch schwinden.
Die Lösung ist wahrscheinlich sehr viel simpler, aber nicht ganz so schick: Sie liegt in einer geänderten Lebensweise. Im Verzicht auf kleine Fluchten, husch, nach Mallorca oder zum Skifahren, im Verzicht auf frische Rosen im Dezember; importiert aus Afrika. Und in einer flexibel organisierten Arbeit - das Internet böte da längst so manche Möglichkeit. Aber vielleicht funktioniert das alles erst, wenn das Benzin tatsächlich eines Tages so etwas wie fünf Mark kostet. Oder in Euro: zweifünfzig.
Martin Tschechne ist Journalist und lebt in Hamburg. Er promovierte als Psychologe mit einer Arbeit zum Thema Hochbegabte. Zuletzt erschien seine Biografie des Begabungsforschers William Stern im Verlag Ellert & Richter (herausgegeben von der ZEIT- Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius).
Parkplatz wird zu einer kaum noch erschwinglichen Kostbarkeit, der Stillstand im Verkehrsfluss zum Dauerzustand. Und wer glaubt, es handele sich bei alledem um momentane Spitzen einer Kurve, die schon wieder in normale Bereiche zurückfallen werde, der möge sich sein sonniges Gemüt noch recht lange bewahren.
Es geht um Zukunftsvisionen, es geht um Erziehung. Die Forderung der Grünen aus dem Wahlkampf von 1998 hatte ein bisschen von beidem; das kostete viele Stimmen: Die Umweltpartei wollte einer fast zwanghaft mobilen Gesellschaft die Kosten für ihr Leben zwischen Wohnorten, Urlaubszielen und Arbeitsplätzen vor Augen führen. Und sie wollte demonstrieren, dass ein Ende dieses Ressourcen zehrenden Bewegungshungers abzusehen und unvermeidlich ist.
Heute ist klar, dass andere die Vorlage vom hohen Benzinpreis dankbar aufgenommen haben. Insofern haben die politischen Mahner von damals vielleicht sogar dem Fiskus und den stets hungrigen Konzernen willkommene Brücken gebaut. Manchmal haben Prognosen ja merkwürdige Folgen.
Doch immerhin: Inzwischen werden Alternativen zu unserer exzessiven Mobilität diskutiert - und es liegt nur eine kleine Ironie in der Beobachtung, dass viele Fachleute viele Kilometer zurücklegen, um auf Klimagipfeln, Messen und Kongressen gemeinsam zu überlegen, wie es anzustellen sei, dass in Zukunft weniger Öl verbrannt und weniger Natur asphaltiert werden muss.
Denn es sind wirklich tolle Pläne, die da geschmiedet werden. Einmal politisch: Rückbau der von Zubringerstraßen durchfurchten Städte zu bewohnerfreundlichen Quartieren. Damit Schaffung einer Alternative zur Massenflucht in das weit draußen gelegene Häuschen im Grünen. Ein verbesserter, vielleicht auch kostengünstiger öffentlicher Nahverkehr.
"Carsharing", also gemeinsame Nutzung von Autos, als Gegenangebot zum Besitzerstolz auf eine Karosse, die im Schnitt 23 Stunden am Tag irgendwo parken muss. Und das Fahrradfahren erlebt eine Renaissance als Königsdisziplin im innerstädtischen Nahverkehr. Wobei eine merkwürdige Lücke klafft zwischen der Zahl derer, die sich rühmen, tagtäglich wadenstark und wetterfest zur Schule, Uni oder ins Büro zu strampeln, und dem tatsächlichen Verkehrsaufkommen auf den meist miserabel ausgebauten Radwegen.
Dann technologisch: Flugzeuge werden leiser, Autos sparsamer konstruiert. Die Bahn macht sich komfortabel, um auf mittleren Strecken eine Alternative zum Luftverkehr zu bieten, der Gütertransport schleppt sich unverdrossen über die Autobahn - aber das macht nichts, weil intelligente Verkehrsleitsysteme und Satellitennavigation jederzeit einen Weg aus dem Stau weisen.
Aber halt, das war schon wieder Ironie! Wer jemals erlebt hat, wie ein Streik ausgerechnet des Kabinenpersonals den gesamten Flugverkehr lahmlegt, oder wie ein defekter Triebwagen der Bahn Kettenreaktionen von Verspätungen auslöst, wer sich die Frage gestattet, wem ein gemeinsam genutztes Auto um elf Uhr am Vormittag nützt, wenn doch alle um Neun im Büro sein sollen - dessen Begeisterung für hoch komplexe Zukunftsmodelle wird rasch schwinden.
Die Lösung ist wahrscheinlich sehr viel simpler, aber nicht ganz so schick: Sie liegt in einer geänderten Lebensweise. Im Verzicht auf kleine Fluchten, husch, nach Mallorca oder zum Skifahren, im Verzicht auf frische Rosen im Dezember; importiert aus Afrika. Und in einer flexibel organisierten Arbeit - das Internet böte da längst so manche Möglichkeit. Aber vielleicht funktioniert das alles erst, wenn das Benzin tatsächlich eines Tages so etwas wie fünf Mark kostet. Oder in Euro: zweifünfzig.
Martin Tschechne ist Journalist und lebt in Hamburg. Er promovierte als Psychologe mit einer Arbeit zum Thema Hochbegabte. Zuletzt erschien seine Biografie des Begabungsforschers William Stern im Verlag Ellert & Richter (herausgegeben von der ZEIT- Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius).