Auf nach Genf!

Von Jule Reimer, Wirtschaftsredaktion Deutschlandfunk |
Die Rede des iranischen Staatspräsidenten vor der UN-Antirassismus-Konferenz war schwer zu ertragen - einseitig, voller antisemitischer Ausfälle. Und? Was ist neu daran? Nichts - außer vielleicht noch die Verlogenheit, mit der Mahmud Ahmadinedschad seine Ausfälle mit einem Appell für eine Welt voller Liebe beschloss. Der iranische Staatspräsident hat erneut das getan, was den Vorbereitungsprozess der UN-Antirassismus-Konferenz in den letzten Wochen gekennzeichnet hat: Er hat sich und den Iran isoliert. Die übergroße Mehrheit der Staaten verweigerte ihm den Applaus.
Vor der UN gilt aber nun mal die Freiheit der Rede - anders als im Iran; und Ahmadinedschad hat versucht, die Konferenz als Geisel für seine Interessen zu nehmen. Das wäre ihm fast gelungen. Auch weil die westlichen Staaten wegen seines Auftritts die Schlagzeilen mit Boykottdrohungen fütterten, bekam der Iraner soviel Aufmerksamkeit.

Dabei ist diese Rede einmal mehr ein Beleg dafür, wie wichtig die UN-Antirassismus-Deklaration ist: wichtig, um ein weltweites Signal gegen solche Hassreden zu setzen, gegen die Instrumentalisierung von Herkunft, Nationalität, Religion, Geschlecht oder Alter, um andere Menschen zu unterdrücken. In Genf geht es eben nicht nur um das Existenzrecht Israels und Palästinas, sondern es geht auch um Millionen andere Menschen, die als Angehörige von Minderheiten nicht auf der Sonnenseite leben, um die Rechte von Frauen, von Ureinwohnern in Australien und anderswo, um die Anerkennung der Folgen der Sklaverei.

All dies will die jetzt vorliegende Abschlussdeklaration der Konferenz voranbringen. Nicht jede Formulierung gefällt jeder Regierung in allen Details, aber herausgekommen ist ein respektabler Kompromiss, der - wie der norwegische Außenminister heute auf der Genfer Konferenz deutlich machte - auch für Staaten annehmbar ist, die die Menschenrechte nach westlicher Lesart hochhalten.

Warum also ist die Bundesregierung in Genf nicht dabei? Weil Berlin das schlechte Image der Konferenz bislang wichtiger war als die Inhalte? Weil in Berlin keiner die jetzt vorliegende Abschlussdeklaration richtig durchgelesen hat? Übergroß ist in Genf die Enttäuschung, dass ausgerechnet viele Europäer, die sonst Moral und Menschenrechte ach so hoch halten, einfach zu Hause bleiben. Mancher islamisch geprägter Staat ist den Europäern für die Abschlussdeklaration weit entgegengekommen. Genauso unerträglich wie die Rede Ahmadinedschads wäre es, wenn jetzt der mühsam gefundene Kompromiss scheitern würde, weil sich die Europäer nicht ausreichend für seine Verabschiedung einsetzen. Aus der Konferenz aussteigen kann die Bundesregierung immer noch. Also auf nach Genf!