Auf Schritt und Tritt von der Partei verfolgt
Zentrum der neuen Dauerausstellung im Prenzlauer Berg ist ein Gang durch eine inszenierte DDR-Kulisse samt Kiosk, Kneipe und Wohnzimmer mit brauner Schrankwand. Das ist publikumstauglich, was stört, ist der ständig erhobene Zeigefinger: Die Allgegenwart von Partei und Staat wird an jeder Ecke und damit einfach zu oft erwähnt.
Als das Haus der Geschichte in Bonn gebaut wurde, saß die Bunderegierung noch am Rhein, die DDR war gerade dabei unterzugehen. Als das Haus der Geschichte in Bonn fertig war, wurde der Regierungsumzug vorbereitet. Helmut Kohl hatte schon bei seinem Regierungsantritt 1982 den Plan entwickelt, mit einem Museum in der Bundeshauptstadt die jüngere deutsche Geschichte darzustellen. Das ist sehr griffig und anschaulich gelungen. Geschichte gut in Szene gesetzt zu einem unterhaltsamen Gang durch die Jahrzehnte der Bundesrepublik Deutschland. Der einzige Schönheitsfehler – die Welt schaut nicht mehr auf Bonn, sondern auf Berlin.
Nun hat das Bonner Haus der Geschichte also doch noch seinen Platz in Berlin gefunden – nach der Spezialausstellung im Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße ein richtiges Museum, an einem ebenso schwierigen wie reizvollen Standort, wie der Präsident des Hauses der Geschichte, Prof. Hans Walter Hütter, bekannte:
"Das ist nicht einfach, hier Ausstellung zu machen. Allein die Treppenhäuser – das ist nicht einfach, ich finde, es ist außerordentlich reizvoll, in einem solchen Gebäude und in einem solchen Umfeld eine Ausstellung mit diesem Thema zu machen. Wir können jetzt in diesem vielleicht ein bisschen alternativen Ambiente eine Ausstellung zum Alltag der DDR machen. Ich find´s einfach spannend."
"Alltag in der DDR" will die Ausstellung zeigen. Arbeiten, wohnen, einkaufen, reisen, die Kneipe, den Zeitungskiosk. Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche:
"So geht es bei der Versorgung darum, einen HO-Laden zu betreten, das Wohnen wird signalisiert mit einem Plattenbau, aber nicht nur mit einem Plattenbau. Der Kiosk steht für Meinungsfreiheit, die nicht stattgefunden hat, die Datsche ein Rückzugsort, der Urlaub annonciert mit einem Trabbi mit Zeltdach."
Nun hat das Bonner Haus der Geschichte also doch noch seinen Platz in Berlin gefunden – nach der Spezialausstellung im Tränenpalast am Bahnhof Friedrichstraße ein richtiges Museum, an einem ebenso schwierigen wie reizvollen Standort, wie der Präsident des Hauses der Geschichte, Prof. Hans Walter Hütter, bekannte:
"Das ist nicht einfach, hier Ausstellung zu machen. Allein die Treppenhäuser – das ist nicht einfach, ich finde, es ist außerordentlich reizvoll, in einem solchen Gebäude und in einem solchen Umfeld eine Ausstellung mit diesem Thema zu machen. Wir können jetzt in diesem vielleicht ein bisschen alternativen Ambiente eine Ausstellung zum Alltag der DDR machen. Ich find´s einfach spannend."
"Alltag in der DDR" will die Ausstellung zeigen. Arbeiten, wohnen, einkaufen, reisen, die Kneipe, den Zeitungskiosk. Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche:
"So geht es bei der Versorgung darum, einen HO-Laden zu betreten, das Wohnen wird signalisiert mit einem Plattenbau, aber nicht nur mit einem Plattenbau. Der Kiosk steht für Meinungsfreiheit, die nicht stattgefunden hat, die Datsche ein Rückzugsort, der Urlaub annonciert mit einem Trabbi mit Zeltdach."
Gang durch die private und öffentliche DDR-Welt
Die Ausstellung beginnt mit einem Prolog im Erdgeschoss: über die ideologischen Grundlagen des Lebens in der DDR, über den großen Plan, den sozialistischen Menschen zu erziehen. Zentrum der Ausstellung aber sind die Räume im ersten Stock: die Einblicke in die Arbeitswelt, der Gang durch die private und öffentliche DDR-Welt. Ja, man unternimmt einen Spaziergang durch eine inszenierte DDR-Kulisse. In der Mitte der Kiosk, an den Straßenecken Nischen, die uns in den Einkaufsalltag, Kneipenalltag, Wohnalltag blicken lassen. Männer am Biertisch und Frau mit Kittelschürze am Zapfhahn, Wohnzimmer mit brauner Schrankwand und braunem Sessel. Fotowände hinter originalen Objekten. Mike Lukasch, Berlin-Chef des Hauses der Geschichte:
"Ich nehme das Beispiel bei der Wohnungsvergabe, die zentral gelenkte Wohnungsvergabe, die gefilmt wurde. In der Tat ist es sehr beeindruckend zu sehen, wie ohnmächtig die Menschen sind, die um eine Wohnung bitten, und die dann an diesem Amt, dieser Bürokratie, die auch nichts anzubieten hat, nur den Mangel verwalten, bis hin zu der Aussage an eine junge Mutter, die noch im Studium ist, wenn sie denn eine Wohnung haben wolle, solle sie doch ihren Professor heiraten."
Das Konzept, mit Objekten wie dem Trabbi mit Zelt auf dem Dach Geschichten zu inszenieren, ist publikumstauglich. Ich kann durch die Straße schlendern und Eindrücke sammeln. Aber hier hat es einen Haken. "Alltag in der DDR"? Auf Schritt und Tritt verfolgt mich die Partei. Keine Nische, keine Vitrine, keine Inszenierung kommt ohne den Hinweis aus, dass die Partei den Alltag beherrschte. Was ja historisch nicht falsch war.
"Wir wollen das Spannungsverhältnis zwischen dem politischen Anspruch in der DDR und dessen Auswirkungen auf den Alltag der Menschen zeigen."
Sagt Präsident Hütter. Und Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche ergänzt:
"Dieser Alltag in der DDR ist nie ohne Staat. Der Staat ist immer auch im Alltag."
Das Problem dieser Ausstellung ist, dass sie aus dem 2008 verabschiedeten Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung hervorgegangen ist. Den damit verbundenen Auftrag haben die Ausstellungsmacher sehr ernst genommen. Als ob die Ausstellungsbesucher extrem vergesslich wären, ist an jeder Ecke der mahnende Hinweis auf die Allgegenwart von Partei und Staat zu lesen. Natürlich weiß auch Hans Walter Hütter, dass das Arbeitskollektiv, die Brigade, eine DDR-Institution mit interessantem Eigenleben im Arbeitsalltag war. Aber …
"Wir wissen, dass die Keimzelle der angestrebten neuen Gesellschaft in der DDR das Kollektiv war, der Anspruch war, sozialistisch arbeiten, lernen und leben. Durchaus haben viele Menschen in der DDR den Zusammenhalt des Kollektivs geschätzt, doch man darf nie vergessen, dass bei all dem, was die Menschen erfuhren und erlebten, dieses Kollektiv für die SED immer auch Kontrollinstrument war."
"Alltag in der DDR" – kann man den im Jahr 2013 nur mit dem knüppeldicken Zeigefinger darstellen, damit die Besucher keinen Augenblick vergessen, dass die DDR eine Diktatur war? Es gibt große und verdienstvolle Institutionen, die DDR-Geschichte aufarbeiten. Füllt dieses Alltag-Aufarbeitungs-Museum wirkliche eine Lücke?
Das Schizophrene am Ausstellungsrundgang ist: Eigentlich ist er ganz nett, weil die Kulisse so bunt ist. Die DDR war gar nicht so bunt. Farbe in den grauen Alltag brachten die Spruchbänder, Fahnen und Propagandatafeln. Da die Propaganda hier so stark vertreten ist, bekommt man eine unrealistisch farbenfrohe Welt zu sehen. Der Alltag in der DDR war anders.
"Ich nehme das Beispiel bei der Wohnungsvergabe, die zentral gelenkte Wohnungsvergabe, die gefilmt wurde. In der Tat ist es sehr beeindruckend zu sehen, wie ohnmächtig die Menschen sind, die um eine Wohnung bitten, und die dann an diesem Amt, dieser Bürokratie, die auch nichts anzubieten hat, nur den Mangel verwalten, bis hin zu der Aussage an eine junge Mutter, die noch im Studium ist, wenn sie denn eine Wohnung haben wolle, solle sie doch ihren Professor heiraten."
Das Konzept, mit Objekten wie dem Trabbi mit Zelt auf dem Dach Geschichten zu inszenieren, ist publikumstauglich. Ich kann durch die Straße schlendern und Eindrücke sammeln. Aber hier hat es einen Haken. "Alltag in der DDR"? Auf Schritt und Tritt verfolgt mich die Partei. Keine Nische, keine Vitrine, keine Inszenierung kommt ohne den Hinweis aus, dass die Partei den Alltag beherrschte. Was ja historisch nicht falsch war.
"Wir wollen das Spannungsverhältnis zwischen dem politischen Anspruch in der DDR und dessen Auswirkungen auf den Alltag der Menschen zeigen."
Sagt Präsident Hütter. Und Ausstellungsdirektor Jürgen Reiche ergänzt:
"Dieser Alltag in der DDR ist nie ohne Staat. Der Staat ist immer auch im Alltag."
Das Problem dieser Ausstellung ist, dass sie aus dem 2008 verabschiedeten Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung hervorgegangen ist. Den damit verbundenen Auftrag haben die Ausstellungsmacher sehr ernst genommen. Als ob die Ausstellungsbesucher extrem vergesslich wären, ist an jeder Ecke der mahnende Hinweis auf die Allgegenwart von Partei und Staat zu lesen. Natürlich weiß auch Hans Walter Hütter, dass das Arbeitskollektiv, die Brigade, eine DDR-Institution mit interessantem Eigenleben im Arbeitsalltag war. Aber …
"Wir wissen, dass die Keimzelle der angestrebten neuen Gesellschaft in der DDR das Kollektiv war, der Anspruch war, sozialistisch arbeiten, lernen und leben. Durchaus haben viele Menschen in der DDR den Zusammenhalt des Kollektivs geschätzt, doch man darf nie vergessen, dass bei all dem, was die Menschen erfuhren und erlebten, dieses Kollektiv für die SED immer auch Kontrollinstrument war."
"Alltag in der DDR" – kann man den im Jahr 2013 nur mit dem knüppeldicken Zeigefinger darstellen, damit die Besucher keinen Augenblick vergessen, dass die DDR eine Diktatur war? Es gibt große und verdienstvolle Institutionen, die DDR-Geschichte aufarbeiten. Füllt dieses Alltag-Aufarbeitungs-Museum wirkliche eine Lücke?
Das Schizophrene am Ausstellungsrundgang ist: Eigentlich ist er ganz nett, weil die Kulisse so bunt ist. Die DDR war gar nicht so bunt. Farbe in den grauen Alltag brachten die Spruchbänder, Fahnen und Propagandatafeln. Da die Propaganda hier so stark vertreten ist, bekommt man eine unrealistisch farbenfrohe Welt zu sehen. Der Alltag in der DDR war anders.