Aufarbeitung der NS-Zeit wurde in Ministerien "bewusst blockiert"
Im Zuge der Zwickauer Nazimorde sehen sich Behörden wie der Verfassungsschutz dem Vorwurf der Rechtslastigkeit ausgesetzt. Wirkt in Ämtern Gedankengut aus der NS-Zeit nach? Zumindest personelle Kontinuitäten gab es nach dem Krieg und sie sind unzureichend untersucht, wie Historiker auf einer Bundestagsausschuss-Anhörung berichteten.
Einem gemeinsamen Antrag der Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen zufolge sollen unabhängige Wissenschaftler beauftragt werden, zu untersuchen, in welchem Ausmaß deutsche Ministerien und Behörden der Nachkriegszeit Personal ihrer Vorgängerinstitutionen der Nazizeit rekrutierten, in welchem Ausmaß NS-Gedankengut sich auch in deutschen Behörden der 50er-Jahre ausbreiten konnte. Ob solche Untersuchungen machbar und sinnvoll sind, ob es übrhaupt noch etwas zu entdecken gibt: Dazu wurden im Bundestagsausschuss für Kultur und Medien Sachverständige gehört.
Die sieben Historiker waren sich einig: Ausgesprochen ertragreich sei es, die "personellen und institutionellen Kontinuitäten und Brüche" in deutschen Ministerien und Behörden der frühen Nachkriegszeit zu untersuchen, nicht flächendeckend, sondern gezielt, etwa in den Bundesministerien des Inneren, der Justiz, der Finanzen. Nicht nur über sie fällte Micha Brumlik von der Frankfurter Goethe-Universität ein vernichtendes Urteil:
"Bei den Bundesbehörden gilt: So viel Kontinuität wie möglich, so viel Transformation wie unbedingt nötig; warum die Bundesrepublik Deutschland als Demokratie geglückt ist, das lag sicher nicht am Personal der Bundesministerien."
Allein aus der Gesellschaft seien die Demokratisierungsschübe zunächst gekommen, sagte Micha Brumlik und Michael Stolleis vom Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte gab ihm recht.
"Die Ministerien haben für die Aufarbeitung nach 1945 wenig geleistet. Zum Teil haben sie die Aufarbeitung bewusst blockiert. Ich erinnere nur an die Figur Dreher im Bundesjustizministerium. Da ist mit großer List eine Amnestie für NS-Täter eingeschmuggelt worden - dafür gibt es viele andere Beispiele in den anderen Ministerien auch."
Interessant sei es vor allem, die "Anpassungsfähigkeit" der damaligen Funktionseliten und die Solidarität der Fachleute untereinander zu untersuchen. Diese Solidarität, so Stolleis, habe doch über alle Parteigrenzen und NS-Belastungen hinweg getragen und damit die frühe Bundesrepublik gekennzeichnet. Eine Institution hatte Michael Stolleis besonders im Blick:
"Als Rechtshistoriker möchte ich sagen, dass eine elaborierte und nicht nur auf Personalia beschränkte Geschichte des Bundesverfassungsgerichts mit allen Implikationen ein ganz großes Desiderat ist. Das Bundesverfassungsgericht ist eines der wichtigsten, steuernden Institutionen unseres Staates. Ich glaube, die Politik müsste da auch mal kräftig den Wunsch äußern, dass es damit vorangeht. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher eher die Türen verschlossen gehalten."
Auch Klaus-Dietmar Henke von der Technischen Universität Dresden begrüßte die Idee solcher Untersuchungen, sah allerdings die Rolle der deutschen Behörden der Nachkriegszeit deutlich anders.
"Ich glaube, der Ertrag bei Zäsur übergreifenden Forschungen ist zu sehen in einer sehr starken Identitäts- und Traditionsbildung im Hinblick auf die geglückte zweite deutsche Demokratie. Die Institutionen des Bundes, die neuen Institutionen waren wesentlich verantwortlich für die geglückte Demokratisierung, das war ein zäher Prozess, hat Jahrzehnte gedauert. Deswegen bin ich der Meinung, man muss mindestens so stark wie auf die Kontinuitäten auf die Diskontinuitäten sehen und den Blickwinkel erweitern: Weshalb ist diese Demokratie so gut geglückt, Gott sei Dank, trotz dieser starken NS-Kontinuitäten?"
Auch der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, begrüßte die Pläne. Die Quellenlage sei relativ gut:
"Es gibt kein ernsthaftes Hindernis. Wenn die Forschung sich dem Thema zuwendet, stehen die Unterlagen, die noch da sind, wir haben enorme Verluste, aber die Quellen, die noch da sind, der Forschung uneingeschränkt zur Verfügung."
Die meisten Abgeordneten im Kulturausschuss äußerten sich - parteiübergreifend - ebenfalls zustimmend. Wird der Antrag im Bundestag angenommen, steht Deutschland ein weiteres Kapitel der Aufarbeitung der Nazidiktatur bevor - auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die DDR.
Die sieben Historiker waren sich einig: Ausgesprochen ertragreich sei es, die "personellen und institutionellen Kontinuitäten und Brüche" in deutschen Ministerien und Behörden der frühen Nachkriegszeit zu untersuchen, nicht flächendeckend, sondern gezielt, etwa in den Bundesministerien des Inneren, der Justiz, der Finanzen. Nicht nur über sie fällte Micha Brumlik von der Frankfurter Goethe-Universität ein vernichtendes Urteil:
"Bei den Bundesbehörden gilt: So viel Kontinuität wie möglich, so viel Transformation wie unbedingt nötig; warum die Bundesrepublik Deutschland als Demokratie geglückt ist, das lag sicher nicht am Personal der Bundesministerien."
Allein aus der Gesellschaft seien die Demokratisierungsschübe zunächst gekommen, sagte Micha Brumlik und Michael Stolleis vom Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte gab ihm recht.
"Die Ministerien haben für die Aufarbeitung nach 1945 wenig geleistet. Zum Teil haben sie die Aufarbeitung bewusst blockiert. Ich erinnere nur an die Figur Dreher im Bundesjustizministerium. Da ist mit großer List eine Amnestie für NS-Täter eingeschmuggelt worden - dafür gibt es viele andere Beispiele in den anderen Ministerien auch."
Interessant sei es vor allem, die "Anpassungsfähigkeit" der damaligen Funktionseliten und die Solidarität der Fachleute untereinander zu untersuchen. Diese Solidarität, so Stolleis, habe doch über alle Parteigrenzen und NS-Belastungen hinweg getragen und damit die frühe Bundesrepublik gekennzeichnet. Eine Institution hatte Michael Stolleis besonders im Blick:
"Als Rechtshistoriker möchte ich sagen, dass eine elaborierte und nicht nur auf Personalia beschränkte Geschichte des Bundesverfassungsgerichts mit allen Implikationen ein ganz großes Desiderat ist. Das Bundesverfassungsgericht ist eines der wichtigsten, steuernden Institutionen unseres Staates. Ich glaube, die Politik müsste da auch mal kräftig den Wunsch äußern, dass es damit vorangeht. Das Bundesverfassungsgericht hat bisher eher die Türen verschlossen gehalten."
Auch Klaus-Dietmar Henke von der Technischen Universität Dresden begrüßte die Idee solcher Untersuchungen, sah allerdings die Rolle der deutschen Behörden der Nachkriegszeit deutlich anders.
"Ich glaube, der Ertrag bei Zäsur übergreifenden Forschungen ist zu sehen in einer sehr starken Identitäts- und Traditionsbildung im Hinblick auf die geglückte zweite deutsche Demokratie. Die Institutionen des Bundes, die neuen Institutionen waren wesentlich verantwortlich für die geglückte Demokratisierung, das war ein zäher Prozess, hat Jahrzehnte gedauert. Deswegen bin ich der Meinung, man muss mindestens so stark wie auf die Kontinuitäten auf die Diskontinuitäten sehen und den Blickwinkel erweitern: Weshalb ist diese Demokratie so gut geglückt, Gott sei Dank, trotz dieser starken NS-Kontinuitäten?"
Auch der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, begrüßte die Pläne. Die Quellenlage sei relativ gut:
"Es gibt kein ernsthaftes Hindernis. Wenn die Forschung sich dem Thema zuwendet, stehen die Unterlagen, die noch da sind, wir haben enorme Verluste, aber die Quellen, die noch da sind, der Forschung uneingeschränkt zur Verfügung."
Die meisten Abgeordneten im Kulturausschuss äußerten sich - parteiübergreifend - ebenfalls zustimmend. Wird der Antrag im Bundestag angenommen, steht Deutschland ein weiteres Kapitel der Aufarbeitung der Nazidiktatur bevor - auch hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die DDR.