"Versöhnt genug in Deutschland"
Nächstenliebe und Versöhnung, Mandela hat seinen Unterdrückern die Hand gereicht - das wird immer wieder als eine seiner größten Leistungen herausgestrichen. Der Theologe und Philosoph Richard Schröder spricht darüber, was Deutschland mit diesem Vermächtnis anfangen kann.
Mandelas Idee der Wahrheits- und Versöhnungskommission bewertet Richard Schröder im Zusammenhang mit den damaligen südafrikanischen Umständen als genial, denn "immer wenn eine Diktatur viel Blut an den Händen hat, dann ist eigentlich die justizielle Aufarbeitung zumal nach dem Ende der Diktatur (…) fast unmöglich". So konnte trotz des Widerstands der Behörden die Schuld ausgesprochen werden.
Die Wahrheitskommission wurde 1996 ins Leben gerufen und war eine südafrikanische Einrichtung zur Untersuchung von politisch motivierten Verbrechen während der Zeit der Apartheid. Zu diesem Zeitpunkt gab es in Deutschland schon die Stasi-Unterlagen-Behörde. Gemeinsam sei beiden, dass sie für klare Verhältnisse sorgten. Die Stasi-Unterlagen-Behörde sei jedoch "nur ein geordneter Lieferant für Auskünfte an die, die berechtigt sind", gewesen. Die andere Seite sei die juristische Aufarbeitung gewesen, "und da gibt’s zwar Verrückte, die von Siegerjustiz sprechen, aber in Wahrheit sind also ganze 18 Personen ins Gefängnis gekommen bei 700 Verurteilungen."
Blut vertiefe die Gräben ungemein
Die Aufarbeitung der Dikaturerfahrung in Deutschland sei anders gelagert als in Südafrika. "Wir haben einen geringeren Blutzoll zahlen müssen in der DDR-Diktatur gegenüber der Apartheid-Politik", so Schröder. Blut vertiefe die Gräben ungemein. Deswegen kommt der Theologe zu der Einschätzung, "dass wir mit den Wegen, die wir beschritten haben, eigentlich gut gefahren sind". Man könne nicht behaupten, dass die deutsche Gesellschaft zwischen unbearbeiteter Schuld zerrissen sei. "Wir brauchen eigentlich keine Versöhnungsinitiative, wir sind - darf ich mal so sagen - aufs Grobe versöhnt genug in Deutschland."
Befragt zum Faktor Zeit beim Thema Versöhnung merkte Schröder an, dass sich bei einem Schlussstrich wie in Spanien oder Argentinien beobachten ließe, "dass die bohrenden Fragen der Angehörigen der Opfer mit Verspätung doch kommen. Wenn aber die Dinge auf den Tisch gelegt sind, dann scheinen sie auch nicht mehr das erregende Potenzial zu haben". Das für 2019 beschlossene Ende der Überprüfungen durch die Stasi-Unterlagen-Behörde, begrüßt Schröder. "Das ist auch richtig in meinen Augen, (…) das liegt so weit zurück, (…) in meinen Augen sollte man dann wirklich aufhören."